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Fleischindustrie Zeitarbeitsbranche legt Verfassungsbeschwerde gegen Heils Kontrollgesetz ein

Mit dem Gesetz will die Regierung für bessere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sorgen. Doch gegen das Verbot der Zeitarbeit klagen betroffene Firmen nun.
12.05.2021 Update: 12.05.2021 - 14:29 Uhr Kommentieren
Der Einsatz von Zeitarbeitern in der Fleischindustrie ist seit April nicht mehr erlaubt. Quelle: dpa
Fleischindustrie

Der Einsatz von Zeitarbeitern in der Fleischindustrie ist seit April nicht mehr erlaubt.

(Foto: dpa)

Berlin Das Arbeitsschutzkontrollgesetz, mit dem die Bundesregierung vor allem die Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche verbessern wollte, landet vor dem Bundesverfassungsgericht. Vier Unternehmer aus der Zeitarbeitsbranche legen an diesem Mittwoch Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. Grund ist das mit dem Gesetz eingeführte Verbot des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern in der Schlachtung und Zerlegung.

Kläger Roger Lothmann, Chef der TimePartner Personalmanagement GmbH, sagt: „Es gab sicherlich Missstände in der Fleischwirtschaft. Aber die haben nichts mit der Zeitarbeit zu tun.“ Das Verbot der Zeitarbeit sei „unverhältnismäßig und damit auch verfassungswidrig“.

Das Verbot sei reiner politischer Aktionismus und diskriminiere ungerechtfertigt die Zeitarbeitsbranche, sagt Alper Durak, Geschäftsführer der DPK Personalkonzepte GmbH. „Wir sehen unsere Existenz bedroht, denn uns sind nicht nur die Aufträge weggebrochen, sondern wir haben auch unsere langjährigen Mitarbeiter an die Kundenbetriebe verloren.“

Berichte über teils ausbeuterische und menschenunwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen der oft aus Ost- und Südosteuropa stammenden Beschäftigten in der Fleischindustrie gibt es schon lange.

Nachdem es im vergangenen Jahr in einer Reihe von Schlachtbetrieben zu größeren Corona-Ausbrüchen gekommen war, verabschiedete die schwarz-rote Koalition das von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgelegte Arbeitsschutzkontrollgesetz.

Karlsruhe hatte Eilanträge gegen das Gesetz abgewiesen

Seit Januar dieses Jahres dürfen im Kerngeschäft der Schlachtung und Zerlegung in Betrieben mit mindestens 50 Mitarbeitern nur noch fest angestellte Arbeitnehmer zum Einsatz kommen. Es ist nicht mehr möglich, über Werkverträge mit Subunternehmern Fremdpersonal für diese Tätigkeiten anzuheuern.

Der Einsatz von Zeitarbeitern war noch bis Ende März erlaubt. Die Fleischbranche argumentierte, er sei vor allem zur Abfederung von Auftragsspitzen erforderlich, etwa in der Grillsaison. Eine Verlängerung, die in engen Grenzen für weitere drei Jahre Zeitarbeit in der Fleischverarbeitung möglich gemacht hätte, hatte die Bundesregierung an einen Tarifvertrag geknüpft, der aber nicht zustande kam.

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im Dezember vergangenen Jahres Eilanträge gegen das Arbeitsschutzkontrollgesetz abgewiesen. Aber vor allem, weil die Antragsteller nicht hinreichend dargelegt hatten, dass ihnen schwere oder irreversible Nachteile entstehen, wenn sie ein eventuelles Hauptsacheverfahren abwarten müssten.

Die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen – sprich: ob ein Verbot der Zeitarbeit mit dem Grundgesetz vereinbar ist –, seien mit der Ablehnung der Eilanträge noch nicht geklärt. Sie „bedürfen jedenfalls sorgfältiger Prüfung, deren Ausgang offen ist“, führten die Karlsruher Richter aus.

Zu dieser Prüfung habe das Gericht „nun Gelegenheit“, sagt Gregor Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit an der Universität Bonn, der die Klageschrift vorbereitet hat.

Zeitarbeit zu verbieten sei „übergriffig“ und unverhältnismäßig. Quelle: Dietmar Gust, EUROFORUM
Jurist Gregor Thüsing

Zeitarbeit zu verbieten sei „übergriffig“ und unverhältnismäßig.

(Foto: Dietmar Gust, EUROFORUM)

Für die Verfassungsbeschwerde, die von den beiden Zeitarbeitsverbänden BAP und iGZ unterstützt wird, rechnet er sich gute Chancen aus: „Das Gesetz ist mit dem Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt worden“, sagt Thüsing. Aber dafür sei es weder geeignet noch erforderlich.

Zeitarbeitsverbot ist nicht mit der Berufsfreiheit vereinbar

Denn Zeitarbeit sei bereits umfassend reguliert zum Schutze des Arbeitnehmers. „Das ist gut und richtig. Sie zu verbieten ist übergriffig.“ So unterliegen Zeitarbeitnehmer beispielsweise fast vollständig einem Tarifvertrag. Außerdem sei die Branche durch regelmäßige Kontrollen, die Einbindung in die Betriebsorganisation und umfassende Dokumentationspflichten gekennzeichnet.

DPK-Geschäftsführer Durak zufolge habe es seit Unternehmensgründung bei den regelmäßigen Kontrollen weder Beanstandungen von Arbeitsbedingungen noch Verstöße beim Gesundheitsschutz gegeben. Für ihn und die anderen Beschwerdeführer ist das Verbot der Zeitarbeit nicht mit der im Grundgesetz verankerten Berufsfreiheit vereinbar.

In der Zeitarbeitsbranche gibt es Befürchtungen, dass eine künftige Bundesregierung – sollte das Gesetz Bestand haben – irgendwann auf die Idee kommen könnte, ein Verbot von Zeitarbeit und Werkverträgen auch auf andere Branchen zu erstrecken, etwa die Werftenindustrie. Entsprechend hatte sich beispielsweise SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich geäußert.

Arbeitsminister Heil sagte dem Handelsblatt, er sehe der angekündigten Klage gelassen entgegen, weil das Gesetz gut begründet sei. „Das Arbeitsschutzkontrollgesetz war notwendig, um mit den unwürdigen Verhältnissen in der Fleischindustrie aufzuräumen.“ Er gehe davon aus, dass die Klage wahrscheinlich ebenso scheitern werde wie der vor Weihnachten unternommene Versuch, das Gesetz mit Eilanträgen zu stoppen.

Mehr: Arbeitsminister Heil will befristete Jobs deutlich stärker regulieren

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