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Frühjahrsprognose Der verzögerte Aufschwung – Braucht Deutschland mehr Wumms?

Der Aufschwung in diesem Jahr fällt laut den Wirtschaftsinstituten deutlich schwächer aus als erwartet. Das befeuert die Debatte um neue Konjunkturmaßnahmen.
15.04.2021 - 19:16 Uhr 4 Kommentare
Nach der aktuellen Schätzung dürfte das Produktionspotenzial in den Jahren 2020 bis 2024 durchschnittlich rund 1,1 Prozent unter dem Vorkrisenniveau liegen. Quelle: dpa
Container im Hafen

Nach der aktuellen Schätzung dürfte das Produktionspotenzial in den Jahren 2020 bis 2024 durchschnittlich rund 1,1 Prozent unter dem Vorkrisenniveau liegen.

(Foto: dpa)

Berlin Im Bundestag bat Olaf Scholz (SPD) die Bürger am Donnerstagmorgen noch einmal um ihre ganze Kraft. „Wir müssen noch durchhalten“, sagte der Bundesfinanzminister mit Blick auf die hohen Infektionszahlen. Der Staat werde dabei an ihrer Seite stehen. Im Bundesbudget seien Spielräume für weitere Corona-Hilfen vorgesehen. „Wir können all das, was jetzt notwendig ist, auch stemmen“, so Scholz.

Tatsächlich könnten weitere Kraftanstrengungen des Staates schon bald notwendig werden. Denn die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben am Donnerstag ihre Frühjahrsprognose für dieses Jahr wegen der dritten Corona-Welle deutlich gesenkt – und das befeuert angesichts der Dauer-Lockdowns die Debatte um weitere Stützungsmaßnahmen.

Die Ökonomen rechnen nur noch mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3,7 Prozent. Im Herbst waren sie noch von 4,7 Prozent ausgegangen. „Das Einsetzen des Erholungsprozesses im vergangenen Sommer ist Ende 2020 zum Erliegen gekommen“, sagte RWI-Forscher Torsten Schmidt.

Und auch in dieses Jahr ist Europas größte Volkswirtschaft wegen der Corona-Beschränkungen schwächer als erwartet gestartet. Im Februar nahm die Industrieproduktion ab, im ersten Quartal dürfte die Wirtschaft geschrumpft sein.

„Die Entwicklung der Pandemie ist weiterhin das bedeutendste Abwärtsrisiko für die Prognose“, warnen die Forscher zudem. „Nach wie vor kann es bei der Lieferung von Impfstoffen und Tests zu Engpässen und Verzögerungen kommen.“ Auch könnten neue Virusmutation die Öffnung der Wirtschaft stoppen, was die Erholung abermals zurückwerfen würde.

Damit stellt sich die Frage: Braucht Deutschland mehr Hilfen zur Stabilisierung der Wirtschaft? Mehr Wumms? Gar ein zweites Konjunkturpaket?

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Die Frage ploppt auch vor dem Hintergrund der bisherigen Krisenpakete auf. In Europa fällt die finanzpolitische Antwort auf die Krise bislang deutlich schwächer aus als etwa in den USA – obwohl die Wirtschaft im Euro-Raum deutlich stärker eingebrochen ist.

Deutschland international eher im Mittelfeld

Die Bundesregierung hat sich zwar lange dafür gefeiert, schnell und entschlossen eines der größten Rettungsprogramme der Welt aufgelegt zu haben. Allerdings besteht das deutsche Rettungsprogramm zu einem großen Teil aus Garantien und Bürgschaften.

Schaut man hingegen auf das Geld, das tatsächlich an Unternehmen und Bürger floss, liegt Deutschland laut einem neuen Vergleich des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit einem Volumen von rund zwölf Prozent gemessen am BIP international eher im Mittelfeld.

Zudem fließt ein Großteil der Gelder aus dem im Vorjahr aufgelegten Konjunkturprogramm gar nicht ab. Von den für 2020 bereitgestellten Investitionen in Höhe von 71,3 Milliarden Euro blieben 21 Milliarden liegen, weil die Verwaltung nicht imstande war, das Geld auszugeben.

Der frühere Wirtschaftsweise Peter Bofinger meint daher: „Angesichts des verlängerten Lockdowns kann es in der Wirtschaftspolitik kein einfaches Weiter-so geben. Wir brauchen staatliche Hilfen, es ist Zeit, jetzt die zweite Bazooka herauszuholen.“

Konkret schlägt Bofinger Erleichterungen für Firmen vor. So solle die Regierung den Verlustrücktrag der Unternehmen auf zwei Jahre erweitern. Bisher können Firmen ihre Verluste in der Coronakrise in der Steuererklärung mit früheren Gewinnen nur für ein Jahr verrechnen – begrenzt auf fünf Millionen Euro. Bofinger will diesen Deckel ersatzlos streichen.

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Außerdem sollen Unternehmen Zukunftsinvestitionen wie in Energieeffizienz noch im gleichen Jahr zu 100 Prozent abschreiben können statt wie bisher verteilt über mehrere Jahre.

Auch der Wirtschaftsweise Achim Truger meint, die Politik sollte zumindest „weitere Hilfsmaßnahmen jederzeit aus der Schublade holen können“. Denn es gebe gute Gründe, „warum die Nachholeffekte nach Ende der Pandemie begrenzt sein könnten“.

Truger will vor allem die Nachfrage und Kommunen stärken. So sollte die Politik die bestehenden Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft bis Jahresende verlängern und den Kommunen auch in diesem Jahr die Einnahmenausfälle ersetzen.

„Darüber hinaus könnte die Politik den Kinderbonus zu einem Pro-Kopf-Bonus ausweiten, Konsumgutscheine auflegen, den Bezug von Arbeitslosengeld verlängern oder Neuanmietungen in Innenstädten finanziell unterstützen.“

Erholung im zweiten Halbjahr

Die führenden Forschungsinstitute sehen das hingegen völlig anders. „Weitere Konjunkturprogramme sind nicht nötig, weil wir noch einiges an öffentlichen Investitionen erwarten“, sagt RWI-Forscher Schmidt.

Vor allem aber rechnen die Forscher mit einer recht kräftigen Erholung der Wirtschaft im zweiten Halbjahr, wenn die Corona-Beschränkungen aufgrund der dann gestiegenen Zahl an Geimpften etwas gelockert werden. „Die Konjunktur sollte sich dann von selbst tragen“, so Schmidt.

Schon ab Mai würde die Arbeitslosigkeit verstärkt sinken und von derzeit 5,9 auf 5,2 Prozent im nächsten Jahr fallen. Auch mit einer „übermäßigen Welle an Unternehmensinsolvenzen“ rechne man nicht, so Schmidt.

Etwa Anfang kommenden Jahres dürfte die Wirtschaft zur Normalauslastung zurückkehren. Für 2022 rechnen die Institute mit einem Wachstum von 3,9 Prozent. Vor allem der private Konsum werde dann zur Erholung beitragen, weil sich die in der Krise angestauten Sonderersparnisse von rund 200 Milliarden Euro entlüden.

Deshalb warnen die Wirtschaftsinstitute besonders davor, die Nachfrage staatlich noch anzuheizen. „Die Nachfrage ist nicht die Achillesferse der Konjunktur“, sagt IfW-Konjunkturexperte Stefan Kooths.

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Auch müsse man berücksichtigen, dass der Wirtschaftseinbruch in Deutschland im Vorjahr nicht so stark war wie in anderen Ländern. Deshalb falle die Erholung in diesem Jahr zwar geringer aus als in anderen Ländern, das sei aber ein Stück weit normal. Davon solle man sich nicht nervös machen lassen.

Der geringere Einbruch erklärt auch, warum die deutschen Rettungspakete laut IWF nicht übermäßig groß ausfallen. Denn der Weltwährungsfonds misst dabei auch den Einbruch der Steuereinnahmen – der gegenüber anderen Ländern geringer ausfiel.

Die Wirtschaftsinstitute warnen deshalb sogar davor, mehr Geld zur Krisenbekämpfung in die Hand zu nehmen. „Je länger wir uns in der Krise befinden, desto höher muss die Zielgenauigkeit von Hilfsmaßnahmen sein“, so Kooths. „Sonst hält die Politik nur den Strukturwandel auf.“

Abbau der Corona-Schulden nicht so leicht wie etwa 2008

Wie dringend notwendig dieser Strukturwandel ist, zeigt der etwas längerfristige Blick der Institute in ihrer Prognose. So hinterlässt die Corona-Pandemie auch Spuren beim Produktionspotenzial.

Nach der aktuellen Schätzung dürfte es in den Jahren 2020 bis 2024 durchschnittlich rund 1,1 Prozent unter dem Niveau liegen, das vor der Coronakrise geschätzt wurde.

Zudem rücken die Konsequenzen des demografischen Wandels in Deutschland immer näher. Die Folgen für das Potenzialwachstum sind beträchtlich: Bis zum Jahr 2030 muss mit einer Verringerung der jährlichen Potenzialwachstumsrate um rund einen Prozentpunkt gerechnet werden.

Die Forscher warnen deshalb, der Abbau der Corona-Schulden werde nicht so leicht wie der Abbau der Verbindlichkeiten nach der Finanzkrise von 2008. „Finanzpolitisch werden die Zeiten rauer, die Finanzpolitik muss durch eine viel schwierigere Phase gelenkt werden“, sagt Oliver Holtemöller vom Wirtschaftsinstitut IWH.

So würden anders als nach der Finanzkrise weder eine steigende Beschäftigung noch Zinseinsparungen Spielräume im Bundeshaushalt schaffen. Denn bei beiden sei man am Ende der Fahnenstange angekommen: Die Beschäftigung sei bereits sehr hoch, und die Zinsausgaben seien bereits sehr niedrig.

„Die Abgabenlast ist auch schon deutlich gestiegen und kein großer Hebel zur Konsolidierung“, so Holtemöller. Laut den Wirtschaftsinstituten bleibe daher angesichts der mittelfristig verhaltenen Wachstumsaussichten nur der schmerzhafte Weg: Ausgaben kürzen und ein höheres Renteneintrittsalter.

Mehr: Der Milliardenregen: So planen Europas gebeutelte Staaten mit den Geldern

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4 Kommentare zu "Frühjahrsprognose: Der verzögerte Aufschwung – Braucht Deutschland mehr Wumms? "

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  • Hallo, Herr Peter: danke für den Hinweis; bei Tui sind es Kredite, wobei der Hinweis gestattet ist: von Banken wären die nie so gepampert worden; Risiko für den Steuerzahler, falls die Sanierung nicht funktioniert, ist das Geld trotzdem weg. Bei der Lufthansa geht es zum großen Teil um eine stille Beteiligung, die sich auch anders auf die Kreditwürdigkeit auswirkt.

  • @Herr Hans Schönenberg
    TUI und Lufthansa haben KREDITE bekommen mit bis zu 9% Zinsen und wurden teilenteignet - MUSSTEN Anteile weit unter aktuellem Kurs an den Zocker Scholz verkaufen!

  • Und Scholz packt die Bazooka aus. ;-)

    Jetzt im WAHLKAMPF werden noch viele schöne Maßnahmen angeboten, die nicht umgesetzt werden und hoffentlich nicht umgesetzt werden, weil sie einfach nur chaotisch sind!

    Man könnte ja mal die Steuern senken, die kalte Progression abschaffen und die Bundestagsabgeordnetenzahl auf 400 beschränken (momentan 709) - bei niedrigeren Diäten!

  • Mehr Wumms - noch mehr Schulden? Das kann es wohl nicht sein! Es würde mich sehr freuen, wenn bei den Firmen und Klein-Unternehmern, (Hotels - Gaststätten - Einzelhandel -Unterhaltungsbranche usw) wo bisher kaum etwas angekommen ist, endlich für deren Überleben etwas getan wird. Viele Großkonzerne wie Tui und Lufthansa haben ja schon reichlich etwas bekommen.

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