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Gastbeiträge von zehn Experten Das muss Deutschland jetzt anpacken

Wie können wir unseren Wohlstand sichern? Nehmen die Älteren den Jungen die Chancen? Was müssen wir zum Schutz des Klimas tun? Und wie wird Deutschland digital? Zehn Experten schreiben zu den wichtigsten Zukunftsthemen.
09.09.2017 - 13:53 Uhr Kommentieren

Innovationen – Agenda 2025

Um seinen Lebensstandard zu halten, muss Deutschland fünf große Herausforderungen bewältigen. Von Clemens Fuest

Vor welchen wirtschaftlichen Herausforderungen und Chancen steht Deutschland, und was sollte die nächste Bundesregierung tun? Fünf Themen sind von zentraler Bedeutung: die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung der Wirtschaft, der demografische Wandel, die Globalisierung, der Klimawandel und die europäische Integration.

Bei der Digitalisierung schwankt die Politik in Deutschland zwischen einer überzogenen Begeisterung für den Glasfaser-Ausbau und Ängsten vor neuen Geschäftsmodellen der Sharing Economy wie etwa Uber und Airbnb, die mit restriktiven Regulierungen behindert werden. Das ist der falsche Ansatz. Flächendeckender Glasfaser-Ausbau ist teuer und ineffizient. Diese Infrastruktur sollte nur dort errichtet werden, wo sie dringend gebraucht wird. Um den digitalen Wandel zu fördern, sollte die Politik sich darauf konzentrieren, Regulierungen abzubauen, die sinnvolle digitale Geschäftsmodelle verhindern.

Clemens Fuest ist Chef des Münchener Ifo-Instituts.
Der Autor

Clemens Fuest ist Chef des Münchener Ifo-Instituts.

Die Digitalisierung geht einher mit immer mehr Automatisierung, unter anderem durch den Einsatz von Robotern. Viele Menschen befürchten, dass dadurch Arbeitsplätze wegfallen. Häufig wird sogar gefordert, deswegen ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen. Das wäre ein großer Fehler, eine Kapitulation vor den Herausforderungen. Statt einen Teil der Bevölkerung aufzugeben und von Transfers abhängig zu machen, die andere erwirtschaften, muss das Ziel darin bestehen, sie durch Ausbildung in die Lage zu versetzen, auch in den Arbeitsmärkten der Zukunft Chancen zu haben. Dass derartige Chancen vorhanden sein werden, folgt schon daraus, dass der demografische Wandel zu einer Verknappung von Arbeitskräften führen wird. Wir schaffen es in Deutschland, gleichzeitig Angst vor Fachkräftemangel zu haben und Angst davor, wegen der Automatisierung diese Fachkräfte nicht mehr zu brauchen. Das passt nicht zusammen. Im Jahre 1900 arbeiteten in Deutschland 38 Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft, im Jahr 2000 waren es nur noch knapp zwei Prozent. Diese gewaltige Automatisierungswelle hat aber nicht dazu geführt, dass es keine Beschäftigung mehr gibt.

Die demografiebedingt sinkende Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland wird erhebliche Folgen für die öffentlichen Finanzen und vor allem für die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland haben. Im Wahlkampf haben die beiden großen Parteien Wert darauf gelegt, eine Erhöhung des Rentenzugangsalters auf 70 Jahre auszuschließen. Tatsächlich sprechen triftige Gründe dafür, dass die Rente mit 70 kommen wird. Eine Heraufsetzung als Maßnahme zur Entlastung der Rentenversicherung wird oft als ungerecht gebrandmarkt, weil Menschen mit körperlich belastenden Berufen wie etwa Pflegekräfte kaum in der Lage sind, diese Tätigkeit bis zum Alter von 70 Jahren auszuüben. Solche Gesundheitsrisiken müssen in erster Linie durch höhere Entlohnung und die Berufsunfähigkeitsversicherung aufgefangen werden, nicht durch die Rentenversicherung. Gleichzeitig muss ein früherer Renteneintritt möglich sein, aber mit entsprechenden Abschlägen

Eine nicht minder große Herausforderung ist die Globalisierung. Ihre Auswirkungen reichen von der Flüchtlings- und Armutsmigration über zunehmende Handels- und Kapitalströme bis hin zum globalen Informations- und Datenaustausch. Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten stark von der Globalisierung profitiert. Die Internationalisierung hat aber auch zur Folge, dass die politischen Handlungsspielräume auf nationaler Ebene enger werden. Das liegt zum einen daran, dass Deutschland in die EU und in vielfältige internationale Abkommen eingebunden ist. Zum anderen bedeutet die wachsende grenzüberschreitende Mobilität, dass Deutschland als Wirtschaftsstandort unter hohem Wettbewerbsdruck steht – auch in der Steuer- und Sozialpolitik. Deutschland hat ein Interesse daran, dass Firmen bei uns investieren und möglichst gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig profitiert Deutschland von Immigranten, die überdurchschnittlich qualifiziert sind und so hohe Einkommen erzielen, dass sie mehr an Steuern zahlen, als sie an öffentlichen Leistungen erhalten. Um Kapital und qualifizierte Zuwanderer anzuziehen, muss Deutschland attraktive steuerliche Bedingungen bieten. Das bedeutet jedoch auch, dass Umverteilung durch Steuern nicht unbegrenzt möglich ist. Noch ist Deutschland in der Lage, einen der am stärksten ausgebauten Sozialstaaten der Welt zu finanzieren. Aber die Vorstellung, Probleme der sozialen Sicherungssysteme in erster Linie durch noch höhere Steuerzuschüsse zu lösen, ist in einer stark globalisierten Volkswirtschaft wie Deutschland illusorisch. Wenn Investoren und hochqualifizierte Menschen in Deutschland zu hoch besteuert werden und der Staat gleichzeitig Sozialtransfers bietet, werden die Investitionen und die qualifizierten Menschen ab- und Transferempfänger zuwandern. Auf Dauer kollabiert der Sozialstaat.

Deutschland wird nicht darum herumkommen, die steuerlichen Bedingungen für Investitionen und Innovationen zu verbessern, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können. Die französische Regierung etwa hat angekündigt, die Vermögensteuer abzuschaffen und die Unternehmensbesteuerung zu senken. Länder wie Schweden, Großbritannien und vor allem die USA haben ebenfalls Steuersenkungen angekündigt oder beschlossen. Die deutsche Politik mag diesen Steuerwettbewerb beklagen, entziehen kann sie sich ihm nicht. Allerdings gilt es auch zu verhindern, dass einzelne Sektoren sich ganz der Besteuerung entziehen. Dies gilt beispielsweise für Unternehmen mit stark digitalisierten Geschäftsmodellen. In der Migrationspolitik sollte Deutschland sowohl international als auch innerhalb der EU darauf hinwirken, dass Zuwanderung nach Deutschland nicht durch Sozialleistungen motiviert sein darf.

Als eine weitere Facette der Globalisierung kann man die Klimaerwärmung ansehen. Deutschland allein kann bei deren Begrenzung so gut wie nichts ausrichten. Es ist deshalb wichtig, dass Deutschland sich gemeinsam mit den europäischen Partnern für globale Klimaschutzabkommen einsetzt. Gleichzeitig sollten Vorkehrungen für die Anpassung an den Klimawandel nicht vernachlässigt werden, auch wenn Deutschland vermutlich nicht zu den am stärksten negativ betroffenen Ländern gehört. Bei Maßnahmen zur Rückführung von CO2-Emissionen ist es wichtig, umweltpolitische Instrumente einzusetzen, die einen möglichst kostengünstigen Emissionsabbau ermöglichen. Nur dann werden ehrgeizige Umweltziele nachhaltig die erforderliche gesellschaftliche Akzeptanz haben. Punktuelle Eingriffe wie das derzeit diskutierte Verbot von Verbrennungsmotoren für neu zugelassene Autos ab 2030 sind kontraproduktiv. Eine Einbindung des Straßenverkehrs in das System der Emissionszertifikate wäre ein weitaus besserer Ansatz, weil dann dort Emissionen eingespart werden, wo es zu den geringsten Kosten möglich ist.

Eine große Herausforderung für die nächste Regierung ist die Europa-Politik. Hier gilt es, die aktuelle Krise der EU zu überwinden und die großen Potenziale der europäischen Integration zu nutzen. Das betrifft die weitere Vertiefung des Binnenmarkts ebenso wie die Weiterentwicklung der europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Durch mehr europäische Zusammenarbeit bei der Beschaffung von Rüstungsgütern und bei Militäreinsätzen lassen sich erhebliche Effizienzgewinne und Entlastungen für die nationalen Staatsetats erreichen. Dringend ist obendrein eine Weiterentwicklung der europäischen Währungsunion. Statt abzuwarten, bis die nächste Krise kommt, sollte Deutschland darauf hinwirken, dass die europäischen Banken Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegen müssen und dass Kontrolle und Haftung in der Fiskalpolitik wieder stärker miteinander in Einklang gebracht werden.

Regulierung – Intelligente Regeln
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