Gastbeitrag von Jens Spahn zu Schulden Die schwarze Null ist kein Fetisch

Wir dürfen unseren Kindern keine stetig wachsenden Schuldenberge hinterlassen.
Typisch SPD, möchte man rufen. Immer wenn es ein Problem gibt, fällt vielen Sozialdemokraten europaweit nur eine einzige Lösung ein: mehr Schulden. Dabei ist dieser Ruf nach dem Brexit-Votum besonders absurd. Es war nicht der Mangel an Schulden, der viele Briten an der Europäischen Union hat zweifeln lassen.
Selten gab es für die Bundesrepublik Deutschland bessere Zeiten als heute, das jahrelange Schuldenmachen zu beenden und mit dem vorhandenen Geld auszukommen. Nichts zeigt das besser als der schuldenfreie Bundeshaushalt für 2017, der heute im Kabinett in Berlin verabschiedet wird. Während der Finanz- und Wirtschaftskrise vor acht Jahren war es nötig, mit Milliarden die Konjunktur zu stützen und den totalen Absturz zu verhindern. Die anschließende Erholung der deutschen Wirtschaft durch Erhöhungen von Steuern oder Kürzungen im Budget abzuwürgen wäre falsch gewesen.

Jens Spahn ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen.
Aber heute ist die Ausgangslage eine andere, Deutschland steht glänzend da: die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 25 Jahren, Rekordbeschäftigung mit über 43 Millionen Erwerbstätigen, allein 2015 400.000 neue Jobs. Real stark steigende Löhne und Renten beflügeln den Konsum, die Binnennachfrage zieht spürbar an. Wir liegen trotz weltwirtschaftlicher Unwägbarkeiten mit 1,6 Prozent oberhalb des Potenzialwachstums. Die Steuereinnahmen liegen auf Rekordniveau. Mal mit dem Geld auskommen – wann, wenn nicht jetzt?!
Maßhalten ist angesagt
Auch der Vorwurf, es würde zu viel gespart, ist falsch. Die Ausgaben sind in den letzten elf Jahren stark gestiegen: Von 260 Milliarden auf fast 317 Milliarden Euro. 2020 werden wir fast 100 Milliarden mehr ausgeben als 2005! Dabei wurden und werden auch Länder und Kommunen bei den Sozialausgaben massiv vom Bund entlastet, der Kita-Ausbau wird seit Jahren unterstützt, mit 3,5 Milliarden Euro wurden Investitionen der Kommunen gefördert. Hinzu kommen bis 2020 Ausgaben für Flucht und Migration von fast 80 Milliarden Euro.
Zudem haben wir nach 45 Jahren eine Ära beendet: Das Schuldenmachen ist vorbei! Die schwarze Null ist eben kein Fetisch. Es geht darum, unseren Kindern keine stetig wachsenden Schuldenberge zu hinterlassen. Denn die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Klar, die sehr niedrigen Zinsen und steigende Steuereinnahmen haben geholfen. Trotzdem ist es etwas ziemlich Einmaliges, dass wir seit 2014 und nach unseren Planungen bis mindestens 2020 unsere Aufgaben ohne Schulden bewältigen können. Das ist ein Zeichen von Stabilität und Verlässlichkeit in unruhigen Zeiten.
Aber: Der Haushalt wächst 2016 schneller als das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Zuletzt ist die Staatsquote wieder gestiegen und nähert sich der 45-Prozent-Marke. Der Schuldenstand liegt mit rund 70 Prozent noch immer gut zehn Prozentpunkte über dem Maastricht-Kriterium. Allein eine „Normalisierung“ des Zinsniveaus auf den Stand von 2005 würde dazu führen, dass sich die Zinsausgaben auch ohne neue Schulden sukzessiv verdoppeln würden. Also ist maßhalten angesagt: kurzfristig, um eine prozyklische Wirkung der Finanzpolitik zu vermeiden. Mittelfristig, um beim nächsten Konjunktureinbruch handlungsfähig zu sein und nicht wiederum prozyklisch im Abschwung sparen zu müssen. Und langfristig, um im Land mit der zweitältesten Bevölkerung der Welt die Herausforderungen einer immer älter werdenden Gesellschaft meistern zu können.
Verlässlichkeit ist ein Wert an sich
Wo könnte man denn zusätzliche Milliarden sinnvoll investieren? Wir investieren derzeit mehr denn je in Straßen und Breitbandausbau, nahezu alle baureifen Projekte des Bundes der nächsten Jahre sind finanziert. Die meisten Projekte scheitern eher an den endlos langen Planungsprozessen als an der fehlenden Finanzierung. Die Mittel für Kitas und Investitionen werden von den Kommunen nur sehr zögerlich abgerufen, denn auch vor Ort fehlen baureife Planungen. Argumente, die volkswirtschaftliche Rendite zusätzlicher staatlicher Investitionen sei zwangsläufig höher als die gegenwärtigen Verschuldungskosten des Bundes, laufen somit ins Leere. Verschuldung ist doch kein Selbstzweck!
Der viel größere Teil an Investitionen wird ohnehin nicht vom Staat, sondern von Unternehmen und Privatpersonen getätigt. Wir brauchen eine Renaissance der Ordnungspolitik. Die eigentliche Frage ist, wie wir mehr private Investitionen beflügeln können. Wie setzen wir richtige Anreize für mehr Innovation? Wie gestalten wir mutig die digitale Revolution? Wie halten wir angesichts der alternden Bevölkerung die Sozialausgaben und die steigenden Arbeitskosten im Griff? Darum geht es.
Es gibt genug Kapital, das sich in diesen Zeiten sinnvolle Anlagemöglichkeiten sucht. Ein Beispiel: Alle wünschen sich deutlich mehr Investitionen in den privaten Wohnungsbau, der Bedarf ist riesig. Bauen ist teuer geworden in Deutschland. Wir sollten einfach mal fünf Jahre nichts beschließen, was Bauen teurer macht. Die Marktkräfte wirken zu lassen hilft meist mehr als jede Fördermilliarde.
Unser Kurs der Solidität und Stabilität – ohne neue Steuern und ohne neue Schulden – setzt ein Signal weit über Deutschland hinaus. Schuldenmachen ist das süße Gift der Politik. Wenn Deficit-Spending alles ist, was uns einfällt, um die Probleme zu lösen, dann schaffen wir sehenden Auges die Voraussetzungen für die nächste Krise.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.