Gender Pay Gap 18 Prozent weniger Gehalt – die Gründe für die finanzielle Lücke zwischen Frau und Mann

Der Equal Pay Day soll sichtbar machen, dass Frauen immer noch deutlich weniger Geld verdienen als Männer.
Berlin Alle Jahre wieder wirft der Equal Pay Day ein Schlaglicht auf die Geschlechterlücke bei den Arbeitseinkommen. „Frauen müssen endlich so viel verdienen können wie Männer“, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vergangene Woche in ihrem Videopodcast.
Im vergangenen Jahr verdienten Frauen in Deutschland 18 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Die Lohnlücke ist damit weiter geschrumpft. 2019 lag sie noch bei 19 Prozent, 2006 sogar bei 23 Prozent. „Aber Deutschland ist trauriger Meister beim schlechten Bezahlen von weiblichen Beschäftigten“, kritisiert Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.
Am Mittwoch ist wieder der Equal Pay Day, der die Entgeltlücke veranschaulichen soll. Bei gleichen Stundenlöhnen arbeiten Frauen bis zum 10. März quasi umsonst, während Männer schon seit dem 1. Januar für ihre Arbeit bezahlt werden. Zuletzt kamen Frauen laut Bundesagentur für Arbeit (BA) beim Median-Lohn auf über 440 Euro im Monat weniger als Männer.
Unstrittig ist, dass ein großer Teil der 18-Prozent-Differenz darauf zurückzuführen ist, dass Frauen eher in schlechter bezahlten Berufen und öfter in Teilzeit arbeiten. Sie unterbrechen häufiger ihre Erwerbsbiografie, um sich um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu kümmern, und erreichen deshalb auch seltener Führungspositionen. Rechnet man diese Faktoren heraus, verbleibt für das Jahr 2018 eine sogenannte bereinigte Entgeltlücke von 5,3 Prozent, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer Analyse für die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) ermittelt hat.
In der Studie untersuchen die IW-Forscher Jörg Schmidt und Oliver Stettes aber auch, wie groß das Gender Pay Gap in Paarhaushalten ist, in denen beide Partner Arbeitnehmer sind. Im Durchschnitt verdienen die Männer in diesen Paarhaushalten 11,6 Prozent mehr als die Frauen.
Bei Ehepaaren sind Verdienstunterschiede größer als in Lebenspartnerschaften
Die Lücke schrumpft auf nur noch 1,9 Prozent, wenn die Frau mehr Zeit in Bildung und Ausbildung investiert hat als ihr Partner. Das ist in knapp vier von zehn Haushalten der Fall. In knapp einem Drittel der Haushalte haben die Männer die längere Bildungsbiografie und verdienen anschließend im Durchschnitt knapp 29 Prozent mehr als ihre Partnerinnen.
Bei Ehepaaren sind die Verdienstunterschiede deutlich größer als in Lebenspartnerschaften, auf dem Land größer als in der Stadt. Auch regional gibt es deutliche Unterschiede. In Westdeutschland verdienen die Männer in Paarhaushalten im Schnitt rund 15 Prozent mehr als die Frauen. Im Osten dagegen liegen die Frauen bei der Bezahlung um knapp fünf Prozent vor den Männern – obwohl bei knapp 60 Prozent der Paare der Mann den höheren Stundenverdienst bezieht.
Entscheidet sich ein Paar für Nachwuchs, wächst die Entgeltlücke. In Paarhaushalten ohne Kinder verdienen die Männer 10,8 Prozent mehr als die Frauen, in Haushalten mit drei und mehr Kindern unter 14 Jahren liegt die Lücke dann schon bei 20,7 Prozent. Die IW-Forscher haben aber auch untersucht, wie vermeintlich individuelle Entscheidungen über die Aufgabenteilung – Hausarbeit, Kindererziehung, Erwerbsarbeit – die Verdienstunterschiede beeinflussen.
Dabei fällt auf, dass Frauen insgesamt noch immer stärker in die Hausarbeit eingebunden sind und damit meist weniger erwerbstätig arbeiten als ihre Partner. „Paare mit zwei abhängig Beschäftigten Partnern organisieren die Aufgabenteilung im Haushalt weiterhin mehrheitlich traditionell, auch wenn in den letzten Jahren ein klarer Trend zu einer gleichberechtigteren Aufgabenteilung erkennbar ist“, sagt VBW-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.
Mit der Geburt von Kindern werden Rollenmuster zementiert
Bekommen Paare Kinder, wird die traditionelle Aufgabenteilung weiter zementiert. Statt über Lohndiskriminierung zu klagen, solle die Politik lieber die Kinderbetreuungsangebote ausbauen, meint der VBW-Hauptgeschäftsführer. Außerdem sei ein flexibleres Arbeitszeitrecht überfällig, das den Bedürfnissen von Arbeitgebern wie Beschäftigten besser entgegenkomme.
Offen ist aus Sicht der IW-Forscher, ob die Coronakrise zu einer Retraditionalisierung in Paarhaushalten führen wird. Studien zeigten, dass sich Männer zu Beginn der Pandemie stärker als zuvor in der Kinderbetreuung engagiert hätten, Frauen aber weiter den größten Teil übernähmen. Allerdings fehlten noch Erkenntnisse über die Rollenverteilung in der jüngeren Vergangenheit, also über einen längeren Zeitraum der Pandemie.
Von Kurzarbeit waren Frauen zu Beginn der Coronakrise weniger betroffen als Männer. Das könnte sich mit dem Lockdown im Herbst geändert haben, weil in den geschlossenen Branchen wie dem Einzelhandel oder der Gastronomie viele Frauen arbeiten. Auch leiden Frauen stärker als Männer unter dem krisenbedingten Abbau von Minijobs.
Was die unbereinigte Entgeltlücke angeht, steht Deutschland im europäischen Vergleich schlecht da. Entsprechende Vergleichsdaten liegen laut Statistischem Bundesamt bis zum Jahr 2018 vor. Betrug der Gender Pay Gap seinerzeit hierzulande noch 20 Prozent, waren es im EU-Durchschnitt nur 15 Prozent.
Von den damals noch 28 EU-Staaten wies nur Estland mit 22 Prozent einen noch höheren geschlechtsspezifischen Verdienstunterschied auf. Auf ähnlichem Niveau wie Deutschland lagen Österreich, Tschechien, Großbritannien, die Slowakei und Lettland. Die EU-Staaten mit den geringsten Unterschieden bei den Bruttostundenverdiensten waren Luxemburg (ein Prozent), Rumänien (zwei Prozent) sowie Italien (vier Prozent).
Die EU-Kommission hatte in der vergangenen Woche den Entwurf einer Richtlinie vorgelegt, die mehr Transparenz in die Bezahlung von Männern und Frauen bringen soll. Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten sollen nach dem Willen der Brüsseler Behörde künftig veröffentlichen müssen, wie viel Männer im Vergleich zu ihren Kolleginnen verdienen.
Falls eine Lohndifferenz von fünf Prozent oder mehr festgestellt wird, soll es eine verpflichtende Untersuchung geben, in die die Arbeitnehmervertretung einbezogen ist. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine Lohndiskriminierung erlitten haben, sollen Anspruch auf Entschädigung erhalten.
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Es klingt immer so, als würden irgendwelche Chefs (nicht Chefinnen) Frauen bei gleicher Leistung schlechter bezahlen. Diesen Vorwurf halte ich für Humbug. Ich glaube, dass selbst die „bereinigte“ Entgeltlücke nicht wirklich „bereinigt“ ist. Bei destatis heißt es „Demnach verdienten Arbeitnehmerinnen im Durchschnitt auch unter der Voraussetzung vergleichbarer Tätigkeit und äquivalenter Qualifikation im Jahr 2018 pro Stunde 6 % weniger als Männer. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Unterschiede geringer ausfielen, wenn weitere Informationen über lohnrelevante Einflussfaktoren für die Analysen zur Verfügung stünden, vor allem Angaben zu Erwerbsunterbrechungen.“ Genau, bereinigt ist wohl nur ein bisschen. Und so bleibt der obengenannte Vorwurf wieder im Raum stehen.