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Gerhart Baum Kämpfer, lebenslang

Auch mit 85 Jahren streitet der liberale Ex-Innenminister Gerhart Baum unermüdlich – derzeit vor allem für die Rechte von Dieselbesitzern. Als Anwalt und Bürgerrechtler haben ihn schon viele Tragödien beschäftigt.
02.11.2017 - 13:36 Uhr Kommentieren
Der frühere Innenminister hofft auf den neuen starken Mann in der FDP. Quelle: Frank Beer für Handelsblatt
Gerhart Baum

Der frühere Innenminister hofft auf den neuen starken Mann in der FDP.

(Foto: Frank Beer für Handelsblatt)

Köln Seinen politischen Weggefährten begegnet er regelmäßig. Und wer weiß, vielleicht hält er ab und an innere Zwiesprache mit ihnen. Es ist ein besonderer Ort, den Gerhart Baum für Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher ausgesucht hat. Bilder aus seinem beruflichen Leben mit ihnen hat der frühere FDP-Innenminister Baum vor allem auf der Gästetoilette seiner Kölner Altbau-Wohnung aufgehängt. Und es klingt nicht nach Koketterie, wenn er sagt, dass er nicht wirklich wusste, wohin sonst mit den Bildern.

Im Wohn- und Esszimmer des Mannes, der am Samstag seinen 85. Geburtstag feierte, dominieren dagegen Kunst und Literatur. Werke der Künstler Hermann Nitsch und Rosemarie Trockel hängen neben einer imposanten Bücherwand. Auf dem Tisch liegt fast ein wenig einsam eine Sonderausgabe des Kölner Stadtanzeigers zum deutschen Herbst. Die Entführung des früheren Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer durch die Rote Armee Fraktion (RAF) jährt sich zum 40sten Mal. Baum war damals als Innenminister mitten im Geschehen.

Statt mit Linksterroristen legt sich Baum heute, im Spätherbst seiner Karriere mit der Autoindustrie an. Die Dieselaffäre treibt ihn um, als Anwalt, aber auch als Bürgerrechtler. Millionen von Autofahrern seien von Volkswagen betrogen worden, sagt Baum, doch die Bundesregierung habe sie einfach ignoriert. Es erzürnt ihn, dass Kanzlerin Angela Merkel nicht Partei ergreift für die betroffenen Dieselbesitzer. „Wo bleibt das mahnende Wort an VW und an die anderen, nun auch den Käufern entgegenzukommen?“
In den USA und Europa ließ Volkswagen Schummelsoftware in seine Diesel einbauen. Die Fahrzeuge fuhren auf dem Prüfstand sauber, auf der Straße dagegen stießen sie zu viele Abgase aus. Doch während die Autobesitzer in Amerika entschädigt werden und Fahrzeuge zurückgeben können, stellt sich VW hierzulande stur und verweist auf eine angeblich andere Rechtslage.

Die Anwaltskanzlei Baum Reiter & Collegen mit Sitz in Düsseldorf-Benrath vertritt über 6.000 Geschädigte. Täglich kämen neue Mandate dazu, sagt Baum. „Wenn VW eine Pauschalentschädigung anböte, würde sich vieles leichter lösen lassen.“ Stattdessen versuche sich der Konzern in die Verjährung möglicher Ansprüche zu retten. Baum ärgert das: „Das Motto von VW heißt: Aussitzen!“

Hätte Baum die Gäste nicht ganz uneitel im schwarzen Poloshirt begrüßt, er würde jetzt wohl entschlossen die Ärmel hochkrempeln. Das Jackett hat er nur übergeworfen, weil ein Fotograf mitgekommen ist. Die Frage, warum er sich das alles in seinem Alter noch antue, überrascht ihn. Sein ganzes Leben lang habe er sich auch für Opfer und Geschädigte eingesetzt, sagt Baum und zählt Tragödien auf, die ihn zuletzt beschäftigt haben: das Love-Parade-Drama, der Germanwings-Absturz. Er vertrat auch russische Zwangsarbeiter gegen die Bundesrepublik Deutschland. „Ich mische mich ein, wenn ich Gefahren für unsere Demokratie erkenne – und das oft mit wachsendem Zorn und wenig Rücksichtnahme.“

Der gebürtige Dresdener Baum floh nach der Zerstörung der Stadt im Februar 1945 in den Westen – zunächst an den Tegernsee, drei Jahre später nach Köln. Zusammen mit seinem Weggefährten Burkhard Hirsch gilt er noch immer als profiliertester Vertreter des linksliberalen Flügels der FDP, zu dem später auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hinzustieß. Die Themen der drei Politiker waren und sind vor allem der Schutz von Bürgerrechten. Baum trat 1954 in die FDP ein, nachdem er wie der Vater und der Großvater Jura studiert hatte. In Köln und der neuen Hauptstadt Bonn fand Baum seine private und politische Wahlheimat.

Ist die FDP denn auch heute noch seine Heimat? Baum zögert kurz. Zu seinem Bedauern hat die Partei mehr und mehr an linksliberalem Profil verloren. Umso inständiger hofft er nun auf den neuen starken Mann, Christian Lindner. Der bringe wieder frischen Wind und habe auch die Bürgerrechte auf der Agenda, sagt Baum. Auch wenn er Lindner im Dieselskandal vorsichtig widersprechen muss. Eine Lockerung der Abgasgrenzwerte in den Städten, wie sie Lindner fordert? Baum: „Aus meiner Sicht sollte man sie nicht ändern.“

Und damit ist er wieder bei der Dieselaffäre, regt sich auf über SUVs, Pseudo-Geländewagen für die Stadt, in der oft nur eine einzelne Person sitze. Die müssten verboten werden. Eine ungewöhnliche Position für einen Liberalen. Baum selbst besitzt übrigens einen alten Volvo, einen Benziner. Aber den fährt er nur noch ganz selten.

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