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Geschwindigkeitsbegrenzung Gewerkschaft der Polizei fordert Tempolimit-Gutachten

Die Gewerkschaft will genau wissen, was ein Tempolimit auf Autobahnen bringt. Die FDP begrüßt den Vorschlag – und fordert weitere Maßnahmen auf den Straßen.
28.12.2019 Update: 28.12.2019 - 15:31 Uhr Kommentieren
Auf deutschen Straßen gibt es eine empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern. Quelle: dpa
Geschwindigkeitsbegrenzung

Auf deutschen Straßen gibt es eine empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern.

(Foto: dpa)

Berlin Maximal 130 Stundenkilometer auf der Autobahn für mehr Klimaschutz? Die Debatte über ein Tempolimit reißt nicht ab. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert nun ein unabhängiges Gutachten, um den möglichen Nutzen eines Tempolimits auf Autobahnen zu ermitteln.

„Die Bundesregierung sollte ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag geben, um valide Zahlen über den Nutzen eines Tempolimits zu bekommen“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der GdP, Michael Mertens, dem Handelsblatt. „Mit einer solchen Grundlage kann man die aktuell sehr emotionsgeladene Diskussion sicher auf eine sachliche Ebene bringen.“

Die GdP befürwortet ein Tempolimit. Der Verkehrssicherheitsgedanke sei hierbei entscheidend. „Mit einer Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen verringert sich auch das Risiko schwerer Unfälle mit Schwerstverletzten“, sagte Mertens. Es gebe Schätzungen, die davon ausgehen, dass man mit einem Tempolimit bundesweit etwa 80 Verkehrstote pro Jahr vermeiden könne. „Schon allein deshalb macht eine Diskussion darüber Sinn, ob ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern angemessen ist“, betonte der GdP-Vize.

FDP und Grüne begrüßten den GdP-Vorschlag. „Neue Zahlen und Fakten können ein guter Ansatz zur Versachlichung sein“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Oliver Luksic, dem Handelsblatt. „Es sollte dann aber auch in einem breiten Ansatz wirklich darum gehen, verschiedenste Maßnahmen auf allen Straßen und ihre Effekte auf die Verkehrssicherheit zu prüfen und zu vergleichen.“

Luksic sieht Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in der Pflicht, eine solche Expertise in Auftrag zu geben. „Minister Scheuer könnte die Bundesanstalt für Straßenwesen mit einer neuen Studie beauftragen, die letzten Zahlen sind von 2014“, sagte der FDP-Politiker. Damals sei ein Ergebnis gewesen, dass die meisten Autofahrer „in der Regel real ohnehin nicht viel schneller unterwegs“ seien als 130 Stundenkilometer.
Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Cem Özdemir (Grüne), schrieb auf Twitter: „Wenn die Gegner einer Höchstgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen der Kraft ihrer Argumente vertrauen, spricht doch nichts gegen ein unabhängiges Tempolimit-Gutachten oder? Und auf den Sachverstand unserer Polizei hören wir doch hoffentlich alle, nehme ich an“, schrieb Özdemir auf Twitter.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) plädiert ebenfalls für ein Tempolimit. Wie die GdP argumentiert sie, dass eine solche Geschwindigkeitsbegrenzung die Anzahl von Unfällen mit Todesfolge verringern könne. Außerdem spare es jährlich eine bis zwei Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2). „Insofern spricht der gute Menschenverstand für die Einführung eines generellen Tempolimits, das es in fast allen EU-Ländern längst gibt“, sagte Schulze der Nachrichtenagentur dpa.

Die Große Koalition hatte im Zuge der Klimaschutz-Beratungen bereits über ein Tempolimit diskutiert, die Union erteilte dem aber eine Absage. Erst im Oktober scheiterten die Grünen im Bundestag mit einem Vorstoß zur Einführung von Tempo 130. Dafür positionierten sich 126 Abgeordnete, dagegen 498, sieben enthielten sich. Auch die meisten SPD-Abgeordneten stimmten dagegen, wie es in Koalitionen bei Oppositionsanträgen allerdings üblich ist.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte indes bekräftigt, im neuen Jahr erneut mit der Union über eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen sprechen zu wollen. Zuvor hatte Verkehrsminister Scheuer vor einer neuen Debatte in der großen Koalition über ein Tempolimit gewarnt. Sein Ministerium schaltete sich auf Twitter mit einem Scheuer-Zitat ein, wonach der Verkehr in Deutschland „bestmöglich fließen“ solle. Bei Lesern löste der Tweet reichlich Spott aus – denn das beigefügte Foto zeigte die Autobahnausfahrt im schweizerischen Thalwil. Auf Schweizer Autobahnen gilt indes ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern.

„Vorteile eines Tempolimits sind erheblich“

Der schleswig-holsteinische SPD-Fraktionschef Ralf Stegner appellierte an die CSU und Scheuer, „ihre bockige Blockadehaltung“ aufzugeben. Der frühere Partei-Vize sagte dem Handelsblatt, dies wäre ein „kleiner, aber denkbar einfacher Beitrag zum Klimaschutz“. Ein Tempolimit erhöhe zudem erheblich die Verkehrssicherheit und verbessere den Verkehrsfluss. „Ganz Europa und fast alle zivilisierten Staaten haben ein Tempolimit.“

Auf dem Großteil der deutschen Autobahnen gilt nach wie vor freie Fahrt. Ohne Tempolimit sind 70 Prozent des Netzes. Dauerhaft oder zeitweise geltende Beschränkungen mit Schildern gibt es auf 20,8 Prozent der Straßen, wie aktuelle Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen für 2015 zeigen – am häufigsten sind Tempo 120 (7,8 Prozent) und Tempo 100 (5,6 Prozent). Dazu kommen variable Verkehrslenkungsanzeigen.

Unabhängig davon gilt seit mehr als 40 Jahren eine empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130. Schaut man sich eine EU-Karte an, ist Deutschland ein „weißer Fleck“ – überall sonst gibt es nach einer Übersicht des Autofahrerclubs ADAC Tempo-Beschränkungen.

Verbraucherschützer sind denn auch der Auffassung, dass es Schlimmeres als ein Tempolimit gebe. „Was in allen Nachbarländern in Europa funktioniert, daran würden sich auch in Deutschland Autofahrer schnell gewöhnen“, sagte die die Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Marion Jungbluth, dem Handelsblatt. „Die Vorteile eines Tempolimits sind erheblich, denn neben der Klimawirkung kann es zu mehr Sicherheit und weniger Stress auf Autobahnen führen.“

CDU spricht von Geister-, Autoverband von Symboldebatte

Der CDU-Verkehrspolitiker Oliver Wittke nannte die Diskussion eine Geisterdebatte. Der Bundestagsabgeordnete sagte im Deutschlandfunk, ein Tempolimit auf Autobahnen werde weder zur Verringerung des CO2-Ausstoßes beitragen noch die Zahl der Verkehrstoten signifikant verringern.

Der Grünen-Verkehrspolitiker Özdemir bezeichnete die Forderung nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung zwar generell als richtig. Die Sozialdemokraten hätten aber die Möglichkeit gehabt, dem entsprechenden Antrag seiner Partei im Bundestag zuzustimmen, sagte Özdemir der „Rheinischen Post“. Jetzt das Thema hochzuziehen, sei reine Symbolpolitik, betonte der frühere Grünen-Parteichef.

Der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes, sprach von einer „Symboldebatte“. Ein erheblicher Teil der Autobahnen umfasse bereits heute Tempobeschränkungen, sagte er. Mattes warb stattdessen für „intelligente, flexible, je nach Wetter-, Witterungs- und Verkehrsbedingungen ausgestaltete Verkehrsleitmaßnahmen“.

Auch klimapolitisch bringe ein starres Tempolimit auf Autobahnen so gut wie nichts. „Wir reden hier über eine CO2-Einsparung im Straßenverkehr von 1,5 Prozent. Wenn wir Klimaschutz wirklich ernst nehmen, muss Deutschland jetzt vor allem rasch und flächendeckend die Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität ausbauen.“

Verbraucherschützerin Jungbluth betonte ebenfalls, dass es Wichtigeres gebe als ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen. „So brauchen die Menschen in erster Linie ein verbrauchergerechtes Angebot mit Bussen und Bahnen“, sagte sie. Reisen auf der Schiene müsse attraktiver als das Fahren auf der Autobahn werden. Notwendig seien hierfür gute Anbindungen, Pünktlichkeit, verlässliche Informationen, moderner Service sowie funktionierendes WLAN. „Daran muss sich diese Bundesregierung messen lassen“, so die VZBV-Expertin.

Die CO2-Bepreisung solle ebenfalls zu spritsparender Fahrweise anregen. „Rasen wird also schon dadurch in Zukunft teurerer“, ist Jungbluth überzeugt.

Mehr: Die SPD hat erneut die Debatte um ein Tempolimit angestoßen. Lesen Sie hier, warum die Forderung der Partei politisch wenig nutzen wird. Ein Kommentar.

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