Gesetzesänderung Seehofer will nicht an Strukturen des Katastrophenschutzes rütteln – Rufe nach einer Änderung werden lauter

In der Sondersitzung des Bundestagsinnenausschusses wies der Innenminister die Forderungen zurück, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) durch eine Gesetzesänderung mehr Kompetenzen zu geben.
Berlin Freiwillige Feuerwehren fahren ins Krisengebiet, aber niemand kann ihnen sagen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Busunternehmen bieten an, Helfer zu transportieren, aber es fehlt der Ansprechpartner.
Die Unwetter in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern haben Mängel beim Katastrophenschutz offenbart. Doch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will an den Strukturen und Zuständigkeiten im Katastrophenschutz nichts ändern.
In der Sondersitzung des Bundestagsinnenausschusses wies Seehofer am Montag Forderungen zurück, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) durch eine Gesetzesänderung mehr Kompetenzen zu geben.
Es soll lediglich das ohnehin geplante „Kompetenzzentrum“ geben, in dem Behörden im Katastrophenfall zusammenarbeiten – ähnlich wie im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ).
Den Grünen reicht das nicht aus: Es sei „unredlich, die Verantwortung für die Bewältigung so schwerer Lagen auf die Kommunen abzuwälzen“, sagte Innenexpertin Irene Mihalic. Auch wenn der Katastrophenschutz Ländersache sei, müsse das BBK Bewertungen und Handlungsempfehlungen geben dürfen. „Niemand will den Ländern etwas wegnehmen“, sagt auch die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ute Vogt. Aber der Bund müsse stärker in die Verantwortung gehen.
Aufbau einer Zentralstelle beim BBK wird gefordert
Die Grünen fordern in einem Positionspapier, das Mihalic am Montag gemeinsam mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock vorstellte, den Aufbau einer echten Zentralstelle beim BBK. Im Unterschied zum bestehenden Gemeinsamen Melde- und Lagezentrum (GMLZ) sollten Länder und Kommunen dann künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend relevante Informationen an den Bund melden. Die Polizei sei auch Ländersache, und dennoch sei man froh, dass es das Bundeskriminalamt (BKA) gebe, betonte Mihalic.

Durch das Unwetter wurden viele Städte und Gemeinden überflutet.
Die Zentralstelle soll sicherstellen, dass alle Beteiligten Zugriff auf die relevanten Informationen haben, dass also beispielsweise die nächsthöhere Ebene direkt eingreifen kann, wenn eine Kommune allein mit der Situation überfordert ist. Ein Bürgermeister beispielsweise ist ja nur bedingt handlungsfähig, wenn das Rathaus selbst vom Hochwasser betroffen ist.
Auch der FDP-Abgeordnete Manuel Höferlin hat wenig Verständnis dafür, dass der Innenminister sich so vehement gegen eine Gesetzesänderung stellt: „Ich erwarte, dass Herr Seehofer jetzt auf die Länder und Kommunen zugeht und für eine bessere Koordinierung sorgt.“
Das GMLZ hatte in seinem täglichen Lagebericht vom 14. Juli auf Starkregen, steigende Pegel und eine hohe Auslastung der Einsatzkräfte hingewiesen, aber auch geschrieben: „Von einer großflächigen Hochwasserlage mit länderübergreifendem Koordinierungsbedarf durch den Bund wird derzeit nicht ausgegangen.“
Warnung per Mobilfunk
Bei der Ausschusssitzung, an der auch BBK-Chef Armin Schuster und Vertreter der Bundespolizei, der Bundeswehr und des Technischen Hilfswerks (THW) teilnahmen, kam auch die Frage auf, wie die Bürger künftig besser gewarnt werden können.
Seehofer äußerte sich optimistisch, dass die automatische Warnung per Mobilfunk, das sogenannte Cell Broadcast, schon bald kommen könne: „Ich glaube, man kann das in diesem Jahr hinbringen.“ Die Telekom hatte sich vergangene Woche offen dafür gezeigt, das dafür notwendige System aufzubauen.
Die Grünen verweisen in ihrem Papier auch auf die Notwendigkeit, für Katastrophenfälle regelmäßig mit allen Beteiligten zu üben – und zwar „nicht nur am Schreibtisch“, wie Mihalic betonte. Außerdem müssten Technik und Fähigkeiten den veränderten Lagen angepasst werden, etwa durch die Beschaffung von Löschflugzeugen für Waldbrände.
Parteichefin Baerbock betonte, nach den Unwettern müsse die Zeit des Herumlavierens und Abwiegelns beim Klimaschutz ein Ende haben. Am Donnerstag werde ihre Partei eine Anpassungsstrategie und nächste Woche ein Klimaschutz-Sofortprogramm für die ersten 100 Tage nach der Wahl vorstellen.
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