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Gewerkschaften Verdi will Reallohnplus durchsetzen und den Mitgliederschwund stoppen

Verdi hat sich für 2020 ehrgeizige Ziele gesetzt: Neben Lohnerhöhungen will sie 130.000 Eintritte verbuchen. Helfen könnte ein tariflicher Großkonflikt.
17.01.2020 - 13:00 Uhr Kommentieren
Die Gewerkschaft will neue Mitglieder gewinnen. Quelle: dpa
Verdi

Die Gewerkschaft will neue Mitglieder gewinnen.

(Foto: dpa)

Berlin Deutschlands zweitgrößte Gewerkschaft Verdi hat den Mitgliederschwund zuletzt nicht stoppen können, geht aber dennoch mit viel Selbstbewusstsein ins neue Jahr. Man blicke auf ein „überwiegend erfreuliches Jahr“ 2019 zurück und habe derzeit einen „guten Lauf“, sagte der im vergangenen September neu gewählte Verdi-Bundesvorsitzende Frank Werneke am Donnerstag vor Journalisten in Berlin.

So habe sich der Einsatz der Gewerkschaft für die Ausweitung der Nachunternehmerhaftung auf die Paketbranche, für den „Azubi-Mindestlohn“, das Pflegelöhneverbesserungsgesetz oder die Grundrente gelohnt, sagte Werneke. Auch tariflich habe man viel erreicht, etwa die Standort- und Beschäftigungssicherung bei Karstadt-Kaufhof oder Tarifverträge zur Personalausstattung in Universitätskliniken.

Dennoch ist Verdi auch im abgelaufenen Jahr weiter geschrumpft. 125.873 Neuzugängen standen 140.574 Austritte oder Sterbefälle gegenüber. Die Mitgliederzahl ist 2019 gegenüber dem Vorjahr leicht um 0,7 Prozent auf 1.955.080 gesunken. Während die Gewerkschaft in den Bereichen Gesundheit, Verkehr, Bildung und Banken zulegen konnte, verlor sie im Handel, bei der Telekom oder den Krankenkassen Mitglieder.

Wernekes Ziel ist, in diesem Jahr bei den Neueintritten die Marke von 130.000 zu überschreiten. Den bisherigen Höchststand von rund 132.000 Neueintritten hatte die Gewerkschaft im Jahr 2015 erreicht. Damals gab es konfliktreiche Tarifrunden im Sozial- und Erziehungsdienst und bei der Deutschen Post.

Die Beitragseinnahmen von Verdi beliefen sich im vergangenen Jahr auf knapp 479 Millionen Euro – 1,62 Prozent mehr als 2018. Für Arbeitskampfmaßnahmen wendete die Gewerkschaft 15 Millionen Euro auf, 50 Millionen Euro flossen in den Streikfonds.

Der Verdi-Chef will trotz der konjunkturellen Abkühlung höhere Reallöhne durchsetzen. Quelle: imago images/photothek
Frank Werneke

Der Verdi-Chef will trotz der konjunkturellen Abkühlung höhere Reallöhne durchsetzen.

(Foto: imago images/photothek)

Im laufenden Jahr stehen bei der „1.000-Berufe-Gewerkschaft“ Tarifrunden unter anderem bei der Deutschen Telekom, bei der Deutschen Post, bei der Lufthansa und bei Bund und Kommunen an.

Ein Großkonflikt bahnt sich möglicherweise im Sommer im öffentlichen Nahverkehr an. Erstmals seien zum 30. Juni alle Ländertarifverträge gleichzeitig kündbar, sagte die für den öffentlichen Dienst und den Verkehrssektor zuständige stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle. Eine deutschlandweiter Konflikt könnte der Gewerkschaft zusätzliche Aufmerksamkeit bescheren – und möglicherweise neue Mitglieder.

Ost-West-Angleichung auf der Agenda

Trotz der konjunkturellen Abkühlung will Verdi in den anstehenden Tarifrunden ein kräftiges Reallohnplus durchsetzen. Es sei der private Konsum, der eine Rezession in Deutschland verhindere, sagte Werneke, und Verdi wolle einen Beitrag leisten, „dass das so bleibt“. Im öffentlichen Dienst sollen darüber hinaus die Themen Arbeitszeitsouveränität und Ost-West-Angleichung der Arbeitszeit auf die Agenda gesetzt werden.

Politisch will sich die Gewerkschaft für neue Personalbemessungsgrenzen in der Pflege und eine Deckelung des Eigenanteils bei den Pflegekosten einsetzen. Wenn dort nichts passiere, sei es nur eine Frage der Zeit, bis die AfD auf das Thema aufspringe, sagte Werneke. Langfristiges Ziel von Verdi bleibe eine Pflegevollversicherung.

Bei der Grundrente fordert die Gewerkschaft Nachbesserungen, auch wenn sie sich wenig Hoffnungen macht, dass sie damit bei der schwarz-roten Koalition Gehör findet. So hält Verdi die Einkommensgrenzen, ab denen keine Grundrente mehr gezahlt wird, für zu niedrig. Auch sollte die Leistung bereits nach 30 Beitragsjahren gezahlt werden. Der Entwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) setzt die Grenze bei 33 Beitragsjahren an.

Einbringen will sich die Gewerkschaft auch bei anderen Gesetzentwürfen, die in Heils Ressort noch auf der Agenda stehen. Etwa beim „Arbeit-von-morgen“-Gesetz, bei der Regulierung der sachgrundlosen Befristung oder bei „Experimentierräumen“ im Arbeitszeitgesetz. Zur Stärkung der Tarifbindung fordert Verdi ein Tariftreuegesetz des Bundes.

Beim Thema Mindestlohn hält die Gewerkschaft ein einmaliges Eingreifen des Gesetzgebers für notwendig, um rasch auf einen Wert von zwölf Euro zu kommen. Der Mindestlohn sei 2015 mit 8,50 Euro viel zu niedrig gestartet, deshalb wäre ein solcher Schritt gerechtfertigt, sagte Werneke.

Seine Stellvertreterin Andrea Kocsis, die selbst Mitglied der Mindestlohnkommission ist, will sich aber auch dafür einsetzen, dass das Gremium eine neue Geschäftsordnung bekommt. Die mit drei Arbeitgeber- und drei Arbeitnehmervertretern besetzte Kommission ist laut Gesetz gehalten, sich bei ihren Entscheidungen „nachlaufend“ an der Tariflohnentwicklung zu orientieren.

Laut Geschäftsordnung kann sie von diesem Prinzip nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit abweichen, also nicht gegen den Willen einer Seite. Dies will Kocsis ändern. Auch die CDU hatte auf ihrem Bundesparteitag im Dezember die Mindestlohnkommission aufgefordert, sich eine neue Geschäftsordnung zu geben und „von der geübten Praxis einer quasiautomatischen Erhöhung anhand des Tarifindexes abzurücken“.

Mehr: Frank Werneke fordert in seinem Grundsatzreferat Umverteilung und geißelt den Markt, bekommt einen Kugelschreiber geschenkt und tanzt am Ende.

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