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Großprojekte von nationaler Bedeutung Planungsverfahren: Schnelleres Baurecht per Gesetz

Mit einer Gesetzesinitiative will die FDP den Bau von Autobahnen beschleunigen. Unterdessen haben Verkehrs- und Umweltministerium ihren Streit in der Sache beigelegt.
29.07.2020 - 11:30 Uhr Kommentieren
Die FDP legt in ihrem Gesetzesentwurf einen Kriterienkatalog für die infrage kommenden Projekte fest, für die künftig das klassische Genehmigungsverfahren nicht mehr gelten soll. Quelle: dpa
Autobahn-Bauarbeiten

Die FDP legt in ihrem Gesetzesentwurf einen Kriterienkatalog für die infrage kommenden Projekte fest, für die künftig das klassische Genehmigungsverfahren nicht mehr gelten soll.

(Foto: dpa)

Berlin Die FDP-Bundestagsfraktion will den Druck auf Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erhöhen, die Planungen von Bundesfernstraßen zu beschleunigen, und hat dafür eigens einen Gesetzesentwurf erstellt. „Früher gab es etliche baureife Projekte, aber kein Geld; heute gibt es viel Geld, aber keine baureifen Projekte“, kritisiert der FDP-Verkehrspolitiker Torsten Herbst die aktuelle Situation. Mitverantwortlich seien die langwierigen Planungsverfahren und zahlreiche Klagen gegen Planungsbeschlüsse. „Es geht schneller“, so Herbst.

Ginge es nach den Liberalen, dann sollen in Zukunft Bauprojekte von nationaler Bedeutung direkt per Einzelfallgesetz vom Bundestag beschlossen und dann umgesetzt werden. Diese Projekte würden allein politisch entschieden. Klagen dagegen wären nur vor dem Bundesverfassungsgericht möglich.

Momentan läuft es anders: Das Bundesverkehrsministerium erstellt alle 15 Jahre einen Bundesverkehrswegeplan, in dem Bauprojekte im Fernstraßenbau zusammengefasst werden. Der Bundestag beschließt auf dieser Basis Ausbaugesetze, danach beginnen in den Bundesländern die Genehmigungsverfahren; im besten Fall wird im Anschluss gebaut.

Doch das ist längst nicht immer der Fall. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion zeigt die Problematik. Von 2010 bis 2019 wurden 64 Autobahnprojekte mit einem Volumen von mehr als 75 Millionen Euro realisiert. Bei 36 Projekten wurde der Planfeststellungsbeschluss beklagt.

Offenkundig ging es in der Mehrheit der Fälle um Grundstücksrechte und andere Fragen. Jedenfalls stammten nur 8,4 Prozent der Klagen von Umweltverbänden. Bei Projekten mit mehr als 50 Millionen Euro Auftragsvolumen waren es sogar nur 4,3 Prozent. Von den 31 Projekten mit der geringeren Bausumme wurden sogar vier von fünf Beschlüssen beklagt und davon nur jeder fünfte als unbegründet abgewiesen. Bei den Projekten mit mehr als 75 Millionen Euro Bauvolumen war gut ein Viertel der Klagen unbegründet.

Die FDP legt in ihrem Gesetzesentwurf einen Kriterienkatalog für die infrage kommenden Projekte fest, für die künftig das klassische Genehmigungsverfahren nicht mehr gelten soll: Dazu zählen als vordringlich eingestufte Projekte aus dem Verkehrswegeplan, wenn seit „mehr als zehn Jahren das Planfeststellungsverfahren eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen ist“.

Auch sollen Ersatzbrücken, die neu gebaut und erweitert werden, unter das Gesetz fallen. Dies betreffe rund ein Drittel der Brücken. Die Planungszeit belaufe sich derzeit „im günstigen Fall zwischen fünf und acht Jahren“, weil bei Erweiterungen neue Genehmigungsverfahren erforderlich seien, wie es in der Gesetzesbegründung heißt.

Betroffene Bürger sowie Umwelt- und Wirtschaftsverbände sollen vor Bundestagsbeschluss Gehör finden

Weitere Projekte, die privilegiert behandelt werden sollen, sind transeuropäische Verkehrsnetze sowie die noch nicht abgeschlossenen Verkehrsprojekte Deutsche Einheit. Dazu gehört etwa die A44 von Kassel nach Eisenach. Das Projekt, für das 2008 das Anhörungsverfahren eingeleitet worden war, hatte der Autor des Gesetzesentwurfs, der ehemalige hessische Verkehrsminister Dieter Posch (FDP), lange Zeit hautnah erlebt. Entsprechend heißt es in der Begründung, ein derartig langer Planungszeitraum sei „nicht hinnehmbar“.

Ebenfalls sollen neue Projekte beschleunigt umgesetzt werden können, wenn diese helfen, Engpässe im Fernstraßennetz zu beseitigen und damit „eine Verbesserung des Klimaschutzes erreicht werden kann“.

Bevor aber der Bundestag etwas beschließt, sollen die betroffenen Bürger, aber auch Umwelt- oder Wirtschaftsverbände Gehör finden. So sieht der Entwurf eine ergebnisoffene Diskussion zur Planung vor. Dabei können Einwendungen durchaus zu „Änderungen in den endgültigen Planunterlagen führen“, wie es in Paragraf vier heißt. Nach Prüfung der Experten im Bundesverkehrsministerium liegt dem Bundestag ein Vorschlag vor. Es folgt ein zweites Anhörungsverfahren, bevor dann das Maßnahmengesetz endgültig beschlossen und verkündet wird.

Der Entwurf räume dem Bundestag „ein Dispensrecht ein, aufgrund dessen der Gesetzgeber im Einzelfall von Vorschriften des materiellen Rechts abweichen darf und unbegrenzte Alternativuntersuchungen entbehrlich werden“, heißt es in der Begründung. „Der Bundestag wird zum Vorhabenträger und zur Genehmigungsbehörde“, sagte Herbst. Damit schaffe der Bundestag „Baurecht per Gesetz ohne das Verwaltungsverfahren“.

Der Bundestag hatte im März ein solches Gesetz für den Bau von Bahnstrecken und Bundeswasserstraßen beschlossen. „Eine entsprechende Regelung für die Bundesfernstraßen gibt es bislang nicht“, wie es in der Begründung für den Gesetzentwurf heißt. Darin definieren die Liberalen Gründe, die es rechtfertigen, dass nicht in einem herkömmlichen Planfeststellungsverfahren, sondern per Gesetz Baurecht geschaffen wird.

„Wir müssen die Diskussion führen, ob nicht auch eine parlamentarische Exekutive nötig ist, um die Projekte zu beschleunigen“, sagte der Verwaltungsexperte Posch. Die Coronakrise habe gezeigt, das Regieren per Verordnung unter Ausschluss des Parlaments stattfinde. Entsprechend sei ein Gegengewicht nötig. „Wenn eine Demokratie schnell reagieren muss, geht es entweder zulasten der Legislative oder dauert ewig.“

Scheuer hat zu Beginn der Legislaturperiode anvisiert, die Planung von Bauvorhaben zu beschleunigen

Der „Entwurf eines Gesetzes zum Verfahren für ein Maßnahmengesetz für Bundesfernstraßen“ umfasst nur neun Paragraphen. Ihn wollen die Liberalen nach der Sommerpause im Bundestag diskutieren. Vermutlich fällt er in die Debatte über das Investitionsbeschleunigungsgesetz, das Verkehrsminister Scheuer eigentlich bereits Mitte Juli durchs Kabinett bringen wollte. Doch hatte er das Umweltministerium nicht ausreichend beteiligt. Inzwischen, so heißt es, sei der Streit bis auf einen Punkt ausgeräumt, sodass das Vorhaben bald ins parlamentarische Verfahren gehen könne.

Das Gesetz sieht Regelungen für den Bau von Häfen, Wasserkraftwerken und Schienenwegen vor. Auch werden wieder Klagewege beschnitten. So sollen etwa künftig als erste Instanz nicht die Verwaltungs-, sondern gleich die Oberverwaltungsgerichte oder der Verwaltungsgerichtshof zuständig sein. Auch ist eine „Soll-Vorschrift“ für die Gerichte vorgesehen, wonach sie die mündliche Verhandlung „so früh wie möglich stattfinden“ lassen sollen.

Doch die Hoffnung, über den Instanzenweg Zeit zu sparen, kritisiert FDP-Experte Posch. „Es muss darum gehen, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen“, sagte er. Wichtige Großprojekte würden eh vom Bundesverwaltungsgericht entschieden. „Die Probleme liegen nicht in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren.“

Scheuer hatte sich zu Beginn der Legislaturperiode das Ziel gesetzt, die Planung von Bauvorhaben zu beschleunigen. Angesichts fehlender planfestgestellter Bauprojekte besteht seit Jahren das Problem, dass das viele vorhandene Geld nicht verbuddelt werden kann. Drei Gesetze hat er bereits umgesetzt.

Das erste Vorhaben, das er 2018 vorgelegt hatte, sah vor, die Planung von Straßen- und Schienenprojekten zu beschleunigen. Klagefristen wurden verkürzt und etwa bei bereits laufenden Planfeststellungsverfahren die Möglichkeit geschaffen, vorbereitende Maßnahmen oder Teilmaßnahmen zum Ausbau oder Neubau zu genehmigen.

In diesem Jahr dann folgten bereits zwei weitere Gesetze: Das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz sieht vor, dass sieben Schienen- und fünf Wasserstraßenprojekte beschleunigt geplant und vorbereitet werden sollen, bevor sie dann per Gesetzgebungsverfahren genehmigt werden. Dazu soll vorab die Öffentlichkeit frühzeitig einbezogen werden. Auch soll es weiter einen Erörterungstermin wie im Planfeststellungsverfahren geben.

Mit dem dritten Gesetz sollen die Planungsverfahren für Ersatzneubauten verschlankt werden. Mit ihm wird zum Beispiel der Neubau einer in die Jahre gekommenen Brücke von der Genehmigungspflicht befreit.

Mehr: Verkehrspolitik: Warum ein Baustopp auf den Autobahnen droht.

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