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Gründerszene Start-ups fürchten die Besteuerung von Vermögen, das nur auf dem Papier existiert

Bei vielen Gründern lösen die Vermögensteuer-Pläne von Grünen, SPD und Linken Sorgen aus. Anders als etablierte Unternehmen könnten sie die Abgabe kaum aus den Gewinnen bezahlen.
28.07.2021 - 16:08 Uhr 1 Kommentar
Eine Vermögensteuer würde nicht wenige Gründer aus Deutschland vertreiben. Quelle: dpa
Start-up

Eine Vermögensteuer würde nicht wenige Gründer aus Deutschland vertreiben.

(Foto: dpa)

Berlin Dominik Ewald verdient sein Geld damit, Fische zu zählen – vereinfacht gesagt jedenfalls. Sein Start-up Monitorfish, das er 2018 gemeinsam mit seinem Studienfreund Chaitanya Dhumasker gründete, überwacht die Population, die Fütterung und die Stressmuster von Fischkulturen.

Dafür kommen selbst entwickelte Kamerasysteme und Sensoren zum Einsatz, die mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet sind. „Wir sind ein Hightech-Unternehmen“, sagt Gründer Ewald stolz. Ein Unternehmen, das für ihn persönlich zur finanziellen Belastung werden könnte. Zumindest dann, wenn eintritt, was Grüne, SPD und Linke in ihren Wahlprogrammen versprechen.

„Wir wollen die Vermögensteuer wieder in Kraft setzen“, heißt es etwa bei der SPD – deren Kanzlerkandidat und derzeitiger Finanzminister Olaf Scholz einer der prominentesten Vertreter dieser Idee ist. Was für die Parteien ein Wahlkampfthema ist, um sich sozial zu profilieren, nehmen viele Start-ups als Damoklesschwert wahr, das bedrohlich über ihren Firmen hängt.

Denn bei ihnen würde, sollte es denn nach der Bundestagswahl im Herbst wirklich so kommen, etwas besteuert, das es bisher nur auf dem Papier gibt: der Wert ihres Unternehmens.

Der Bundesverband Deutsche Start-ups hat gemeinsam mit der Beratergesellschaft Rödl und Partner eine Umfrage unter 206 Start-up-Gründern und 38 Investoren in Auftrag gegeben, welche Auswirkungen die Vermögensteuer auf sie persönlich, ihr Unternehmen und die Gründerszene in Deutschland hätte.

„Gerade Start-ups wären aufgrund ihrer besonderen Finanzierungssituation hart von einer Vermögensteuer betroffen“, fasst Christoph Stresing, Geschäftsführer des Start-up-Verbandes, die Ergebnisse der Studie zusammen.

Thorsten Beduhn, der als Associate Partner aufseiten von Rödl und Partner an der Studie beteiligt war, sagt, eine Vermögensteuer berge große Unsicherheiten für Gründer und gefährde deren unternehmerischen Erfolg.

Steuern für eine unternehmerische Vision

Denn während etablierte Unternehmer solche Abgaben aus ihren Gewinnen bezahlen könnten, sind Start-ups zu Beginn oft ein Verlustgeschäft. Ihren Wert gibt es erst mal nur auf dem Papier.

Oder anders formuliert: Bei Start-ups würde eine Vision besteuert. Denn ihr vermuteter Wert ergibt sich aus der riskanten Wette, dass das Geschäftsmodell sich irgendwann rentiert. Solange das Start-up nicht profitabel arbeitet, müssten Gründer wie Dominik Ewald von Monitorfish die Besteuerung ihrer Idee aus der eigenen Tasche bezahlen – das Start-up wäre sein Betriebsvermögen.

„Dafür habe ich nicht die Kapitalrücklagen“, sagt Ewald und spricht damit für die Mehrzahl der befragten Gründer. Über 50 Prozent von ihnen geben an, dass sie nicht in der Lage wären, eine Vermögensteuer zu bezahlen. Denn die Erträge aus einem Unternehmen ergeben sich eben erst, wenn es Gewinne abwirft – oder lukrativ verkauft werden kann.

Bei der Befragung gingen die Teilnehmer von einem Steuersatz von einem Prozent aus, das entspräche dem, was Grüne und SPD in ihrem Wahlprogramm fordern. Die Linke hingegen möchte sogar bis zu fünf Prozent des Vermögens besteuern lassen.

Allerdings ging der Start-up-Verband in der Umfrage auch davon aus, dass es keinen Freibetrag gäbe. Die sind in den Wahlprogrammen der Parteien jedoch durchaus enthalten: Während die Linke Vermögen ab einer Million Euro besteuern möchte, läge die Bemessungsgrenze von SPD und Grünen mit zwei Millionen Euro noch sehr viel höher.

Doch auch diese Grenzen können Start-ups, die erfolgreich um Investorengelder werben, schnell überschreiten. Monitorfish beispielsweise hat seit seiner Gründung vor drei Jahren knapp eine Million Euro eingesammelt. Viele Start-ups, die schon länger im Geschäft sind, liegen deutlich darüber.

Auch die Investoren fürchten, dass ihre Gelder dann zur Finanzierung der Steuerlast benutzt würden, statt direkt in das Unternehmen zu fließen. Zwei Drittel der in der Studie befragten Investoren befürchten deshalb eine Verschlechterung des Investitionsklimas.

Christoph Stresing vom Start-up-Verband weist außerdem darauf hin, dass Gründer schon das allgemeine unternehmerische Risiko für ihre Firma zu tragen hätten.

Mit einer Vermögensteuer würde dieses Risiko von staatlicher Seite noch vergrößert. „Das ist das Gegenteil von Anreizen“, sagt Stresing. „Dadurch wird Gründen in Deutschland immer unattraktiver, weil es noch mal riskanter wird.“

Die große Mehrheit der befragten Start-ups glaubt deshalb, dass es mit einer Vermögensteuer zu weniger Gründungen kommen würde – wiederum 86 Prozent rechnen mit einem Investitionsrückgang.

High-Tech Entwicklung ist ein Marathon, bei dem jeder Euro zählt und in die Verwirklichung des Produktes fließen sollte. Dominik Ewald, Gründer

Die Befürchtung: Das Klima für innovative Neugründungen in Deutschland könnte sich weiter verschlechtern. Und das zu einer Zeit, in der Nachbarländer wie Frankreich massiv auf die Gründerkultur setzen und so auch um deutsche Start-ups werben. Sollte die Vermögensteuer kommen, würde jede zweite befragte Firma eine Verlagerung ins Ausland erwägen.

„Eine höhere Steuerlast führt schon dazu, dass man darüber nachdenkt“, sagt auch Gründer Ewald, denn: „High-Tech-Entwicklung ist ein Marathon, bei dem jeder Euro zählt und in die Verwirklichung des Produktes fließen sollte.“

Er habe vor zwei Jahren die Möglichkeit gehabt, mit Monitorfish in die USA zu gehen, dort hätten „mehr Geld und ganz andere Freiheiten“ gelockt, wie Ewald sagt. Doch er entschied sich für Deutschland, denn er erkennt auch die Vorteile des hiesigen Start-up-Ökosystems: Steuergelder zum Beispiel. Monitorfish ist eine Ausgründung aus einem Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts, das zu einem großen Teil mit öffentlichen Fördermitteln finanziert wird.

Um diese öffentliche Unterstützung zu refinanzieren, schlägt die Studie deshalb eine „höhere Steuerbelastung bei realisierten Gewinnen in Form eines Corona-Solidaritätszuschlags“ vor – etwa die Hälfte der befragten Start-ups wäre damit einverstanden. Laut Christoph Stresing vom Start-up-Verband zeige die Studie, dass „auch Gründer ihren Beitrag leisten wollen“.

Ausnahme für bestimmte Unternehmen

Er findet, dass sich die besondere Position der Start-ups in der Debatte um die Vermögensteuer nicht ausreichend wiederfindet. Zumindest Grüne und SPD allerdings sprechen in ihren Wahlprogrammen von Ausnahmen für bestimmte Unternehmen.

Die Grünen zum Beispiel wollen „Begünstigungen für Betriebsvermögen im gebotenen Umfang einführen“. Christoph Stresing vom Start-up-Verband kritisiert allerdings, dass nicht klar sei, wie Ausnahmen für Start-ups konkret aussehen würden.
Die Start-up-Branche hadert ohnehin mit der Steuerpolitik.

So haben Branchenvertreter in diesem Jahr massiv Druck gemacht für Verbesserungen bei der Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen – also Aktienpaketen mit Anteilen am Unternehmen. Aus Sicht der Start-ups ging die Änderung aber nicht weit genug. Die von der Großen Koalition im Frühjahr vorgenommene Neuregelung bezeichnete der Start-up-Verband als „Placebo“.

Für Gründer sind Kapitalbeteiligungen ein wichtiges Instrument, um Mitarbeiter zu gewinnen und an sich zu binden. Schließlich können sie häufig keine so hohen Gehälter zahlen wie etablierte große Konzerne. Allerdings wurden diese Beteiligungen lange steuerlich ungünstiger behandelt als in vielen anderen Ländern.

Mittlerweile haben Union und SPD beschlossen, die steuerliche Behandlung zu verbessern. So müssen Mitarbeiter ihre Beteiligung nicht mehr zu dem Zeitpunkt versteuern, zu dem sie sie erhalten. Schließlich steht die Beteiligung dann nur auf dem Papier, Geld ist noch keines geflossen. Deshalb soll die Besteuerung nun erst nach zwölf Jahren oder bei einem Wechsel des Arbeitgebers anfallen. Auch der Freibetrag wurde erhöht.

Die Erleichterungen gehen dem Start-up-Verband aber nicht weit genug. Die Branche hatte unter anderem auch einen Verzicht auf die Besteuerung bei einem Arbeitgeberwechsel gefordert. Und sie wollte noch verschiedene Beteiligungsformen einbeziehen und die Regeln insgesamt großzügiger gestalten, damit mehr Firmen profitieren.

Mitarbeit: Jan Hildebrand

Mehr: „Oh, das ist schon wenig“ – Warum sich dieser Millionär über seine Steuererklärung wundert.

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  • Das übliche Lobbygeschrei.

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