Grüne Kanzlerkandidatin Baerbock nimmt in Brandenburg einen neuen Anlauf für den Wahlkampf

Annalena Baerbock und Julia Schmidt beim Wahlkampfauftakt von Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg und der Enthüllung eines Großflächenplakats auf dem Goetheplatz in Wilhelmshorst.
Berlin Annalena Baerbock lächelt auf einer Wiese im brandenburgischen Örtchen Michendorf, im Hintergrund stehen Kiefern und ein Wahlplakat der Grünen, das die Kanzlerkandidatin gerade enthüllt hat. Darauf sind sie und Co-Parteichef Robert Habeck zu sehen mit der Botschaft „Unser Land kann viel, wenn man es lässt“.
Der Slogan trifft ganz gut die Stimmungslage bei den Grünen. In der Partei sah man sich noch vor einigen Wochen auf dem Weg ins Kanzleramt, das Wählerpotenzial jenseits der 20 Prozent schien abrufbar. Es war viel drin, doch dann folgten die Diskussionen über Ungenauigkeiten in Baerbocks Lebenslauf, nachgemeldete Nebeneinkünfte, abgeschriebene Textpassagen in ihrem Buch. Und plötzlich schien sich Baerbock selbst im Weg zu stehen.
Mit dem Auftritt in Michendorf will die Grünen-Kanzlerkandidatin den Wahlkampf mit Parteifreunden aus ihrem Landesverband eröffnen. Im Wahlkreis 61 (Potsdam und Umgebung) bewirbt sich Baerbock um ein Direktmandat, sie tritt dort unter anderem gegen SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz an. „Wir haben hier die Möglichkeit, im Wahlkreis 61 zum ersten Mal in unserer Geschichte ein Direktmandat in Ostdeutschland in einem Flächenland zu gewinnen“, sagte Baerbock.
Dazu müssen die Kandidatin und ihre Kampagne aber endlich Tritt fassen. Zuletzt schien es aufwärtszugehen. Die Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz richtete die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Klimapolitik, dem Kernthema der Grünen, das Baerbock in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs stellen will. Beim Umgang mit dem Hochwasser traf Baerbock den richtigen Ton. Nachdem es in den Umfragen abwärts gegangen war, festigten sich die Werte der Grünen.
Bei der persönlichen Beliebtheit schneidet Baerbock allerdings noch immer schlecht ab. Je nach Umfrage liegt sie teilweise auf dem dritten Platz hinter Armin Laschet (CDU) und Scholz. Auch wenn es bei ihrem Lebenslauf oder dem Buch eher um Nebensächlichkeiten ging: Das hat das Vertrauen in die Kandidatin beschädigt. Dazu dürfte auch der Umgang der Grünen-Kampagne mit den Fehlern beigetragen haben.
Entschuldigung Baerbocks via Twitter
Am Wochenende kam ein neuer hinzu. Bei der Diskussionsrunde „Tachles Arena“ zu Antisemitismus und Rassismus rutschte Baerbock das „N-Wort“ heraus. „Das war falsch, und das tut mir leid“, schrieb sie auf Twitter. Sie wisse um den rassistischen Ursprung des Wortes und die Verletzungen, die schwarze Menschen dadurch erführen. Die Entschuldigung ging über neun Tweets. Damit verschaffte Baerbock dem Fehler mehr Aufmerksamkeit, als er wohl sonst erfahren hätte. Schließlich wird in dem Gespräch deutlich, dass sie mit dem Wort nur auf das Problem des Rassismus hinweisen will und es nicht selbst nutzt.
Im brandenburgischen Michendorf will Baerbock sich nun endlich auf die großen Themen fokussieren. Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen schloss Baerbock Einschränkungen für Ungeimpfte nicht aus – und bezog damit eine Gegenposition zu Laschet. Das Wichtigste sei zunächst, jedem Menschen ein Impfangebot zu machen.
Als oberstes Ziel ihrer Kampagne nannte sie den Kampf gegen den Klimawandel. Als weitere Ziele nannte Baerbock Investitionen in Schulen und Kitas und in die Infrastruktur, etwa in den öffentlichen Nahverkehr und in die Internetversorgung.
Am Nachmittag trat Baerbock dann in Berlin in der Bundespressekonferenz auf. Sie kündigte an, das Klimaschutz-Sofortprogramm für die ersten 100 Tage einer neuen Bundesregierung nach den Erfahrungen der Hochwasserkatastrophe zu aktualisieren. Zudem stellte sie ein Zehn-Punkte-Papier für Verbesserungen bei der Katastrophenhilfe vor.
Der Tag wirkte wie Baerbocks Versuch eines Neustarts in den Wahlkampf. Damit er gelingt, muss Baerbock vor allem ihre Pannenserie beenden.
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