Gutachten spricht von „Stückwerk“ Rote Karte für die EEG-Reform

Ein Regierungsberater stellt der geplanten EEG-Reform ein schlechtes Zeugnis aus.
Berlin Am Dienstag will Bundeskanzlerin Angela Merkel die geplante Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) mit den Regierungschefs der Bundesländer abschließend besprechen, damit die Reform noch planmäßig vor der Sommerpause alle gesetzgeberischen Hürden nehmen kann. Grundsätzliche Kritik an dem Projekt passt der Bundesregierung daher gar nicht ins Konzept.
Doch ausgerechnet ein Regierungsberater meldet sich nun zu Wort: Die Reform sei Stückwerk und reiche „keinesfalls aus, um die Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit des Industrielandes Deutschland zu gewährleisten“, schreibt Georg Erdmann, Professor für Energiesysteme an der TU Berlin, in einem Gutachten, das dem Handelsblatt vorliegt. Erdmann gehört dem vierköpfigen Team an, das den Fortgang der Energiewende im Auftrag der Bundesregierung wissenschaftlich begleitet.
Erdmanns Urteil über die geplante EEG-Reform und die Neuausrichtung des Strommarktes: „Zunehmende staatliche Steuerung und fehlende Technologieoffenheit stehen einer kosteneffizienten, verlässlichen Energiewende, offenen Märkten und dem essenziellen Industrialisierungsprozess der erneuerbaren Energien entgegen“, schreibt Erdmann in seinem Gutachten, das der Wirtschaftsrat der CDU in Auftrag gegeben hat.
Damit zielt Erdmanns Kritik auf den Kern der geplanten EEG-Reform: Sie soll die Erneuerbaren kostengünstiger machen. Doch dieses Ziel erreicht die Reform nach Erdmanns Überzeugung allenfalls zu einem kleinen Teil. Mit seiner Kritik steht er nicht allein da. Erst am Freitag veröffentlichte das Institut der deutschen Wirtschaft eine Stellungnahme, in der es heißt, die Reform könne sogar dazu führen, „dass die Kosten weiter steigen“ statt zu sinken.
Die Kosten für die Ökostrom-Förderung klettern seit Jahren kontinuierlich. Auch die EEG-Reform 2014 konnte die Entwicklung nicht bremsen. Im Gegenteil: In den Jahren 2014 und 2015 gingen in Deutschland mehr Windräder ans Netz als je zuvor. Das EEG garantiert jedem Betreiber eines Windrades, einer Photovoltaikanlage oder eines Biomassekraftwerkes für jede produzierte Kilowattstunde Strom für zwanzig Jahre eine feste Vergütung. Die Vergütung liegt deutlich über dem Großhandelspreis für Strom. Die Differenzkosten werden per EEG-Umlage von den Stromverbrauchern getragen. Die Umlage summiert sich Jahr für Jahr auf Beträge deutlich jenseits der Grenze von 20 Milliarden Euro.
Auch die Bundesregierung hat erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Bei dem Treffen Merkels mit den Länderchefs wird es daher auch um die Frage gehen, welchen Zuwachs man den Erneuerbaren Jahr für Jahr noch zubilligen will. Das bisherige System kennt keine wirksamen Möglichkeiten zur Mengensteuerung.
Geplant ist nun ein Systemwechsel, der von der Branche heftig bekämpft wird. Bislang hatte jeder Anrecht auf die EEG-Vergütung, der eine Anlage fertigstellen konnte. Künftig sollen Jahr für Jahr nur noch exakt die gewünschten Zubaumengen ausgeschrieben werden. Diejenigen Bieter, die die Stromproduktion zu den geringsten Kosten zusagen, bekommen den Zuschlag für den Bau eines Projektes. In der Photovoltaik hat die Umstellung auf das Ausschreibungsverfahren mit einer Reihe von Pilotverfahren bereits begonnen. Dort hat die Umstellung zu gesunkenen Vergütungen je produzierter Kilowattstunde Strom geführt. Die Ausschreibungen sollen getrennt für Wind, Photovoltaik und Biomasse durchgeführt werden.
Nach Überzeugung Erdmanns müssen die Ausschreibungen aber „für die etablierten wettbewerbsfähigsten Technologien, Windkraft an Land und Photovoltaik, technologieübergreifend durchgeführt werden“. Heftige Kritik übt Erdmann auch am Referenzertragsmodell. Es regelt, dass Windräder an windarmen Standorten bevorzugt werden. Dies untergrabe die marktwirtschaftliche Ausschreibungslogik und führe zu einer deutlichen Steigerung des Förderbedarfs. Dem Wirtschaftsrat spricht er damit aus der Seele: „Wir erwarten mehr Markt im System“, sagte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates. Ausschreibungen müssten „ohne preistreibende Regionalisierungsquoten und Freigrenzen konsequent umgesetzt werden“.
Der Entwurf des neuen EEG sieht vor, dass für die Windkraft an Land künftig 2500 Megawatt (MW) pro Jahr ausgeschrieben werden. Das entspricht der Leistung von drei Kohlekraftwerksblöcken. Nach den Vorstellungen des Wirtschaftsressorts sind die 2500 MW ein Bruttowert. Die Branche will dagegen die Anlagen herausrechnen, die alte Windräder ersetzen.
Unterstützt wird die Windbranche in vielen Punkten von norddeutschen Ländern, wo die Windkraft zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden ist. Zusätzlich drängt Bayern darauf, bei der Förderung der Stromproduktion aus Biogas nachzubessern. Auch alten Anlagen, deren EEG-Förderung demnächst ausläuft, sollen eine wirtschaftliche Perspektive erhalten.
Bei einem Treffen zwischen Merkel, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in der zweiten Mai-Woche hatte es in den strittigen Fragen keine Annäherung gegeben. Die Zusammenkunft am kommenden Dienstagabend soll nur den Durchbruch bringen. Bislang ist eine Einigung allerdings noch nicht in Sicht. In der jüngsten Fassung der Beschlussvorlage, die Basis der Verhandlungen zwischen Merkel und den Ministerpräsidenten sein soll, sind viele strittige Fragen noch offen.
In einem Punkt reagiert die Bundesregierung aber bereits auf Kritik der Branche: Die geplante einmalige Kürzung der Vergütungen für Windkraftanlagen an Land, die für die Übergangszeit bis zur kompletten Umstellung auf Ausschreibungen greifen soll, soll nun nur noch fünf statt 7,5 Prozent betragen. Die Branche läuft seit Wochen insbesondere gegen das Ausschreibungsmodell Sturm. Fast täglich ruft sie zu Protestaktionen auf. Am 2. Juni ist eine Großdemo in Berlin geplant.
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