Härtere Regeln für Flüchtlinge: Koalition schränkt den Familiennachzug ein
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Härtere Regeln für FlüchtlingeKoalition schränkt den Familiennachzug ein
Der Koalitionsstreit um das neue Asylpaket ist beendet. Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz sollen ihre Familien zunächst nicht mehr nach Deutschland holen können. Zudem gibt es neue „sichere Herkunftsstaaten“.
28.01.2016Update: 28.01.2016 - 23:12 Uhr
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Ein Flüchtlingskind in Hessen
Deutschland will den Familiennachzug mancher Flüchtlinge einschränken.
Berlin Nach monatelangem Streit über Details haben die Koalitionsspitzen den Weg für weitere Asylrechtsverschärfungen frei gemacht. „Das Asylpaket II, das steht jetzt, und das kann sehr schnell durchs Kabinett“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Donnerstagabend nach einem Treffen mit CDU-Chefin Angela Merkel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer.
Für Flüchtlinge mit eingeschränktem („subsidiärem“) Schutzstatus soll der Familiennachzug - wie eigentlich schon im November vereinbart - für zwei Jahre ausgesetzt werden. Allerdings sollen Angehörige, die noch in Flüchtlingscamps in der Türkei, Jordanien und dem Libanon sind, vorrangig mit Kontingenten nach Deutschland geholt werden. Solche Kontingente müssen aber noch auf EU-Ebene vereinbart werden. Diese Sonderregelung zielt vor allem auf Syrer.
Merkel, Gabriel und Seehofer hatten sich bereits vor knapp drei Monaten in den Grundzügen auf das Paket verständigt, das im Wesentlichen die Einrichtung neuer Aufnahmestellen mit Schnellverfahren für bestimmte Flüchtlingsgruppen vorsieht. Über weitere Punkte – vor allem den Familiennachzug – war danach aber großer Streit ausgebrochen.
Die wichtigsten Punkte des Asylpakets I
Albanien, Kosovo und Montenegro wurden nach drei anderen Balkan-Staaten als weitere „sichere Herkunftsländer“ eingestuft, um Asylbewerber von dort schneller in ihre Heimat zurückzuschicken.
Schutzsuchende aus diesen Ländern sollen bis zum Abschluss des Asylverfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben.
Asylbewerber sollen insgesamt länger (bis zu sechs statt bis zu drei Monate) in den Erstaufnahmestellen wohnen und dort möglichst nur Sachleistungen bekommen. Geld soll nur noch höchstens einen Monat im Voraus ausgezahlt werden.
Asylbewerber sollen insgesamt länger (bis zu sechs statt bis zu drei Monate) in den Erstaufnahmestellen wohnen und dort möglichst nur Sachleistungen bekommen. Geld soll nur noch höchstens einen Monat im Voraus ausgezahlt werden.
Asylbewerber mit guten Aussichten auf ein Bleiberecht erhalten Zugang zu Integrationskursen.
Die wichtigsten Punkte des Asylpakets II
Bestimmte Flüchtlingsgruppen - unter anderem Asylbewerber aus „sicheren Herkunftsstaaten“ - sollen künftig in neuen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden, wo ihre Asylanträge im Schnellverfahren abgearbeitet werden.
Während ihres Aufenthalts dort soll für die Flüchtlinge eine strenge Residenzpflicht gelten: Das heißt, sie dürfen den Bezirk der Ausländerbehörde, in der ihre Aufnahmeeinrichtung liegt, nicht verlassen. Tun sie das doch, werden Leistungen gestrichen, und das Asylverfahren ruht.
Für eine bestimmte Flüchtlingsgruppe soll der Familiennachzug für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt werden. Es geht um Menschen, für die nur „subsidiärer Schutz“ in Deutschland gilt. Das sind jene, die sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen können und auch keinen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen, aber dennoch nicht heimgeschickt werden, weil ihnen dort ernsthafter Schaden droht.
Wer als Asylbewerber Zugang zu Integrationskursen bekommt, soll einen Teil der Kosten dafür selbst tragen.
Abschiebungen sollen erleichtert werden - auch bei gesundheitlichen Problemen der Betroffenen. Nur schwere Erkrankungen sollen ein Hinderungsgrund sein. Auch bei der Beschaffung von Papieren für abgelehnte Asylbewerber will der Bund mehr tun. Abschiebungen scheitern bislang oft an fehlenden Ausweisdokumenten.
Die Koalitionäre verständigten sich zusätzlich darauf, in einem nächsten Gesetzesvorhaben bessere Bedingungen für junge Flüchtlinge zu schaffen, die in Deutschland eine Ausbildung machen. Sie sollen laut Gabriel nach einer erfolgreichen Lehre künftig zwei Jahre in Deutschland arbeiten dürfen.
Seehofer erklärte zu der Einigung: „Ich bin hoch zufrieden.“ Die Verzögerung habe nicht die CSU zu vertreten, die sich zu jedem Zeitpunkt an die vor drei Monaten getroffene Vereinbarung gehalten habe. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte: „Der Beschluss trägt dazu bei, unser Ziel zu erreichen: die Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber spürbar zu reduzieren.“
Union und SPD wollen außerdem in einem nächsten Schritt Marokko, Algerien und Tunesien als weitere „sichere Herkunftsstaaten“ einstufen, um Asylbewerber von dort schneller wieder in ihre Heimat zurückzuschicken. Die Zahl der Asylbewerber aus Marokko und Algerien war zuletzt deutlich gestiegen, die Zahlen aus Tunesien kaum.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat die Beschlüsse der großen Koalition scharf kritisiert. „Das sind ganz bittere Entscheidungen“, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der Nachrichtenagentur AFP. „Das ist ein gravierender Eingriff in das Grundrecht auf das Zusammenleben als Familie“, kritisierte Burkhardt. Den Betroffenen bleibe damit nur, illegale Wege zu gehen. „Das wird das Geschäft der Schleuser und Schlepper beleben.“
Der Pro-Asyl-Geschäftsführer lehnte zudem die Pläne der großen Koalition ab, Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Damit sollen Menschen aus diesen Ländern schneller abgeschoben werden können. „Weder Marokko noch Algerien sind sichere Herkunftsstaaten“, sagte Burkhardt. „Dort finden Menschenrechtsverletzungen statt. Hier wird aus politischem Interesse das Konzept auf diese Staaten zurecht gebogen.“