Handelsblatt CFO-Gipfel Finanzministerium: Nachfrage nach staatlichen Hilfen und Krediten flaut ab

Die Krise setzt vor allem Gastronomiebetriebe unter Druck.
Berlin Das Bundesfinanzministerium rechnet nicht mit einer Insolvenzwelle in diesem Sommer. So sagte Finanzstaatssekretär Jörg Kukies (SPD) auf dem „CFO-Summit“ des Handelsblatts, die Insolvenzahlen seien im Verlauf der Pandemie stark gesunken. „Selbst wenn die Zahlen wieder steigen und sich normalisieren, landen wir vielleicht auf einem Niveau von 2016 oder 2017.“
In der Pandemie war die Zahl der Insolvenzen stark zurückgegangen, obwohl viele Unternehmen wegen des Lockdowns lange schließen und erhebliche Einbußen verkraften mussten. Dies war unter anderem staatlichen Hilfen sowie der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht geschuldet. Experten warnten daher davor, es könnten Tausende sogenannter „Zombieunternehmen“ entstehen, die nur mit staatlicher Hilfe am Leben gehalten werden.
„Ich habe eine abgrundtiefe Abneigung gegen das Wort Zombieunternehmen, weil nur die Unternehmen staatliche Hilfen bekommen, die vor der Krise gesund waren“, sagte Kukies. Deshalb sei die ganze Formulierung irreführend. „Es gab ganz solide Auswahlkriterien.“
Kukies sieht die deutsche Wirtschaft auf einem guten Weg, aus der Krise herauszukommen. Die Nachfrage nach staatlichen Hilfen und Krediten flaue ab, was ein gutes Zeichen sei. Die bisherige Ausfallrate bei gewährten staatlichen Krediten sei niedrig.
Kukies wollte sich nicht festlegen, ob die staatlichen Rettungsprogramme noch einmal bis Jahresende verlängert werden. Dies hänge vom weiteren Verlauf der Pandemie und der wirtschaftlichen Entwicklung ab. „Wir schauen uns die Lage genau an und sind in der Lage, jederzeit kurzfristig zu handeln.“
Die Gefahr, dass sich die Unternehmen zu sehr an staatliche Hilfen gewöhnt haben, sieht Kukies nicht. „Unsere Wahrnehmung ist eher, die Unternehmen wollen entwöhnt werden und würden sofort auf Hilfen verzichten, wenn sie zu ihrer normalen Geschäftstätigkeit zurückkehren können“, sagte Kukies.
Kukies: Vergleiche mit den USA führen in die Irre
Auch der Bund verfolge das Ziel, seine Unternehmensbeteiligungen möglichst schnell wieder abzustoßen. Als Beispiel nannte Kukies die Rettung der Lufthansa. „Die Hilfe des Staates war zu dem Zeitpunkt essenziell, aber wir wollen da nicht dauerhaft drin sein. Der Tag, an dem wir unser Geld zurückgezahlt bekommen, ist ein guter Tag.“
Die Notwendigkeit eines weiteren Konjunkturprogramms sieht Kukies nicht. „Wir sind auch ohne ein weiteres Konjunkturprogramm sehr gut ausgestattet, was Hilfsprogramme angeht.“ Vergleiche mit den USA, wo die Regierung gerade ein eine Billion Dollar schweres Investitionsprogramm aufgelegt habe, führten in die Irre.

„Wir schauen uns die Lage genau an und sind in der Lage, jederzeit kurzfristig zu handeln.“
So hätten die USA später angefangen, über Fiskalpolitik die Wirtschaft zu stimulieren, so Kukies. Zudem trügen in Europa und insbesondere in Deutschland die Sozialsysteme automatisch weit mehr zur Abfederung der Krise bei als in den USA.
Kukies sagte, es gebe nach der Krise sicher die Notwendigkeit, „über Konsolidierung nachzudenken“, um von der höheren Staatsverschuldung wieder herunterzukommen. Derzeit sei es dafür aber noch zu früh. „Die Finanzkrise hat gelehrt, dass es auch schädlich sein kann, zu früh auf die Bremse zu treten.“
In der Debatte um eine mögliche heraufziehende Inflation mahnte Kukies, die Sorgen und Argumente ernst zu nehmen, auch wenn viele Effekte dem Ende der Pandemie geschuldet seien. „Wir hören Ökonomen zu.“ Die Inflationserwartungen würden derzeit höher gehandelt, als dies üblicherweise in einem Ein-Prozent-Inflationsumfeld der Fall sei. „Wenn die Inflationserwartungen steigen, muss man aufpassen“, so Kukies.
Mehr: Finanzstaatssekretär Kukies: „Es gab keine Vorzugsbehandlung für Wirecard“
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.