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Handelsüberschuss Das Problem der anderen

Die Kritik des „Economist“ an Deutschlands Exportstärke ist wohlfeil – denn der Überschuss in der Leistungsbilanz ist nicht gefährlich. Den anderen Nationen fehlt die Wettbewerbsfähigkeit. Eine Replik.
14.07.2017 - 15:45 Uhr 2 Kommentare
Die Exportstärke Deutschlands sorgt die internationale Konkurrenz. Quelle: Oliver Tjaden/laif
Der Hafen von Duisburg

Die Exportstärke Deutschlands sorgt die internationale Konkurrenz.

(Foto: Oliver Tjaden/laif)

Berlin Vor fast 20 Jahren bezeichnete der „Economist“ Deutschland als den „kranken Mann Europas“. Heute warnt das einflussreichste Wirtschaftsmagazin der Welt auf einmal vor der Exportstärke der deutschen Unternehmen, die die Weltwirtschaft beschädige. Dabei hat Deutschland nur das beherzigt, was ihm die Briten empfohlen hatten, um seine internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen.

Gefährlich ist nicht der schwarze Bundesadler auf gelbem Grund, der auf dem Titelcover prangt. Gefährlich ist die Realitätsverweigerung vieler unserer europäischen Nachbarn und der USA. Ihre nationalen Ökonomien leiden nicht an Deutschland, sondern an sich selbst.

Dazu gehören die vom Brexit gebeutelten Briten. Frankreich schloss 20 Jahre lang so gut wie jede Reformpolitik aus. Italien ächzt an seiner staatlichen Dauerkrise und seinen Zombie-Banken. Die USA ließen ihre Infrastruktur verrotten und strebten den sozialen Ausgleich in der Gesellschaft nie an.

Kritik am Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz.
Die Titelseite des „Economist“

Kritik am Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz.

Da man einer Nation, die sich streng an internationale Regeln hält und bei sich zu Hause die soziale Marktwirtschaft praktiziert, nur schwer Unrecht nachweisen kann, verlegt man sich jetzt auf die Kollateralschäden, die das zurzeit erfolgreiche deutsche Wirtschaftssystem den anderen Mitspielern angeblich zufügt. Dabei betreibt Deutschland keinen Merkantilismus. Es schottet seinen Markt nicht ab. Global Player wie Apple, Amazon oder McDonald‘s machen hier Milliardenumsätze, ohne viele Steuern zu zahlen.

In den Nationen selbst beginnt aber das Umdenken, wie in Frankreich und in Teilen der englischen Gesellschaft. Dass es auch anders geht, haben Portugal und Spanien bewiesen. Beide Länder gehen seit Jahren den mühsamen Reformweg und erzielen dabei beachtliche und von allen gelobte Erfolge.

Bedenklich ist deshalb vor allem die „America-First“-Politik von US-Präsident Donald Trump. Vor kurzem konnte ich am Rande des G7-Gipfels auf Sizilien mit seinem Sprecher Sean Spicer reden. Vor den Deutschen habe Trump Respekt, erzählte er. Doch die Exportüberschüsse der deutschen Wirtschaft seien, wie sein Chef es formuliert hat, eben „very bad“. Sie stellten eine Diskriminierung amerikanischer Waren dar.

Die Ironie der Geschichte: Präsidentengattin Melania Trump trug auf dem Gipfel eine Jacke des italienischen Luxusmodeherstellers Dolce & Gabbana für 50.000 Euro. Melania Trump dachte nicht daran, der Anweisung ihres Mannes, „Buy American goods“, zu folgen. Sie hätte das Gleiche auch von einer amerikanischen Marke erwerben können.

Bei internationalen Handelsfragen geht es ausschließlich um nationale Interessen. Schon Trumps Vorgänger Barack Obama versprach den Amerikanern in seiner Rede zur Lage der Nation im Januar 2010 die Verdopplung des Exports und stellte zwei Millionen zusätzliche Jobs in Aussicht. Es geht den Amerikanern nicht darum, die Ungleichgewichte in der Welt abzubauen. Sie wollen mehr vom Kuchen für sich abhaben. Es gab den berühmten Satz eines US-Finanzministers: „Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem.“ Abgewandelt würde das heute heißen: „Es ist unser Leistungsbilanzüberschuss, aber euer Problem.“

Die Gesetze des Marktes kann man auf Dauer nicht aushebeln, es sei denn, man nimmt massive Arbeitsplatz- und Wohlstandsverluste hin. Heute redet jeder Politiker außerhalb Deutschlands von Re-Industrialisierung. Vor 20 Jahren lauteten die wohlfeilen Ratschläge der Angelsachsen, auf Finanzdienstleistungen und nicht auf die Industrie zu setzen. Mehrere Finanzmarktkrisen später zeigt sich, wie falsch das war. Heute steht Deutschland blendend da und die anderen versuchen nachzuziehen. Es sind eben keine freundschaftlichen Ratschläge, Deutschland solle seine Löhne erhöhen – das schlägt sofort auf die Wettbewerbsfähigkeit durch. Es würde auch keiner auf die Idee kommen, dem 100-Meter-Sprinter Usain Bolt eine Bleiweste anzuziehen, nur damit die anderen mitkommen. Der Kampf um den Wohlstand in der Welt wird mit knallharten Bandagen geführt.

Manchmal ist es aber auch skurril. Der griechische Kurzzeit-Finanzminister Yanis Varoufakis forderte gerne höhere Löhne in Deutschland. Das hätte Griechenland aber nichts gebracht. Dort fehlt die Industriestruktur völlig. Wenn Deutschland weniger Autos verkauft, würde in Griechenland immer noch keines hergestellt. Die Griechen müssen nach Osteuropa schauen, das sich als verlängerte Werkbank Deutschlands aufgestellt hat.

Wo der „Economist“ durchaus einen Punkt hat, ist die Investitionsschwäche Deutschlands. Die deutsche Industrie produziert allerdings schon an der Kapazitätsgrenze, deshalb bringt es nichts, noch mehr Geld nur in Straßen zu stecken. Zumal die öffentlichen Investitionen nur zehn Prozent des Gesamtvolumens ausmachen, 90 Prozent sind privat. Deshalb braucht Deutschland Investitionen in Maschinen und die Digitalisierung. Nur die Konsequenzen werden den anderen Staaten wieder nicht passen. Die Industrie 4.0 macht Deutschland noch schlagkräftiger. Die komplett digitalisierte Fabrik steht dann wieder in Deutschland. Insofern sind die Ratschläge des „Economist“ gut gemeint. Doch das Problem haben die anderen.

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2 Kommentare zu "Handelsüberschuss: Das Problem der anderen"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Sehr geehrter Herr Sigmund,

    mir gefällt Ihr Artikel und alle Ihre Argumente ausgezeichnet. Herzlichen Dank. Dennoch gibt es Stoff zum diskutieren.

    Die Frage: Was machen wir denn eigentlich mit unserer hohen Wettbewerbsfähigkeit? Macht es wirklich Sinn, jedes Jahr zusätzlich ein paar Hundert Milliarden Leistungsbilanzüberschuß in Form von Devisenreserven bei der Bundesbank anzuhäufen? Ein immer größerer Schatz für schlechte Zeiten? Der von unseren Bundesbankern höchstwahrscheinlich nicht nach Renditegesichtspunkten verwaltet wird. Gibt es wirklich nichts Besseres auf dieser Welt, als zweckfrei Jahr für Jahr immer mehr schlecht verwaltetetes Geld auf die hohe Kante zu legen?

    Mal so eine Idee: Jeder weiß, dass wir in unserem Land einen Niedriglohnsektor haben. Dass es beispielsweise im Handel, der Gastronomie oder bei den staatlichen Pflegeberufen Millionen von Arbeitskräften gibt, die von ihrem Verdienst kaum leben können und nur mühsam über die Runden kommen. Millionen von "working poors" auf der einen Seite. Und jedes Jahr hohe und nutzlos angelegte Leistungsbilanzüberschüsse auf der anderen Seite. Müssen wir mit diesem Irrsinn fortfahren bis eine rot/rot/grüne Bundesregierung ihn beendet?

  • Vor den Euro-Zeiten wertete die DMark auf, so dass die sehr erfolgreichen deutschen Produkte immer teurer wurden. Heute hat man diesen einfachen Mechanismus nicht mehr. Aber es gibt da noch einen sehr viel einfacheren und wirkungsvolleren Weg: Man erhöht die Preise in den USA, dann wird weniger gekauft und die Gewinne der Unternehmen steigen.
    Da hab ich noch ein schönes Bild: Man nehme 100 smartphones eines internationalen Herstellers, diese passen in eine Schachtel. Dafür bekommt man ein schönes europäisches Luxusauto. Dann beginnt man darüber nachzudenken, wer stellt das her, welche Gewinne werden erzielt, wer zahlt wo und wieviel Steuern, und für die Wissenschaftler unter uns - wie wirkt das auf die Leistungsbilanz der Staaten? Das gleiche kann man natürlich auch mit Dienstleistungen wie zum Beispiel den sozialen Medien versuchen - nur wer ist da dann der europäische Spar­rings­part­ner?

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