Hauptstadtflughafen Flughafengesellschaft „ist eine Blackbox“: Grüne verweigern BER weitere Finanzhilfen

Der BER wurde nach jahrelangen Verzögerungen wegen Problemen am Bau Ende Oktober 2020 eröffnet.
Berlin Die in Berlin und Brandenburg mitregierenden Grünen verweigern ihre Zustimmung zu weiteren Finanzhilfen für die hochverschuldete Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB). „Eine parlamentarische Bewilligung weiterer Haushaltsmittel sehe ich derzeit nicht“, sagte die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen für die Abgeordnetenhauswahl, Bettina Jarasch, dem Handelsblatt.
Auch die Landesvorsitzende der brandenburgischen Grünen, Julia Schmidt, betonte: „Mit uns Bündnisgrünen gibt es keinen Blankoscheck für den BER.“ Das ganze Ausmaß der finanziellen Schieflage sei viel zu undurchsichtig.
„Die FBB ist eine Blackbox“, sagte Benjamin Raschke, Fraktionschef der Grünen im Potsdamer Landtag, dem Handelsblatt. „Das Unternehmen fordert Jahr für Jahr mehr Steuergeld, doch die Abgeordneten im Bund, Brandenburg und Berlin bekommen keinen wirklichen Einblick. Damit muss endlich Schluss sein.“
Die Drohungen sind brisant. Denn die Grünen sitzen in Berlin und Brandenburg mit in der Regierung. Beide Länder halten an der Flughafengesellschaft je 37 Prozent der Anteile, der Bund hält 26 Prozent. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hatte indes der FBB als Betreiberin des Flughafens BER zuletzt schon eine sogenannte Patronatserklärung, eine Art Finanzgarantie, zugesichert.
Die Grünen knüpfen eine solche Garantie aber an Bedingungen. „Das ist politisch nur zu verantworten, wenn jetzt endlich sämtliche Informationen über die finanzielle Situation der FBB auf den Tisch kommen“, sagte Jarasch. „Dazu gehören ein Kassensturz und eine Sonderprüfung durch unabhängige Sachverständige sowie die Erarbeitung eines seriösen Sanierungskonzepts.“
FBB ist mit 4,5 Milliarden Euro verschuldet
Schmidt fordert ebenfalls „finanzielle Klarheit und Transparenz“. „Ein externes Gutachten, durchgeführt von objektiven unabhängigen Dritten, muss schnellstmöglich von den Gesellschaftern in Auftrag gegeben werden.“ Die Abgabe einer „harten“ Patronatserklärung, wie von den Wirtschaftsprüfern von EY gefordert, sei jedenfalls derzeit „völlig unverantwortlich“. Solange nicht Transparenz hergestellt sei, würden die Grünen keinen weiteren Zahlungen an den Flughafen zustimmen.
Kritik übt auch der Chefhaushälter der Grünen, Sven-Christian Kindler. „Wieder sind drei Monate um, und wieder stellt die FBB gegenüber den Gesellschaftern horrende Forderungen über Hunderte Millionen Euro, die sie angeblich zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs braucht“, so Kindler. Das Ganze basiere auf „intransparenten und nicht nachvollziehbaren Märchenprognosen“. Er vertraue den Zahlen der FBB nicht.
An diesem Freitag soll bei einem Gesellschaftertreffen der weitere Finanzbedarf beraten werden. Die Eigentümer unterstützen den Flughafen seit Jahren – doch wegen des Einbruchs des Luftverkehrs aufgrund der Coronakrise hat sich die Finanzlage weiter verschärft.
Die FBB ist mit 4,5 Milliarden Euro verschuldet. Der Finanzplan der Gesellschaft für die nächsten Jahre sieht vor, dass die öffentliche Hand dem Hauptstadtflughafen mit weiteren 1,9 Milliarden Euro unter die Arme greifen soll. Schwarze Zahlen dürfte es wegen der Coronakrise erst 2026 geben, teilte die FBB am vergangenen Freitag nach einem Treffen des Aufsichtsrats mit.
Grüne wollen externen Sanierer für den BER
Das Konzept basiert außerdem auf der Annahme, dass die Corona-Hilfen für die Jahre 2020 und 2021 analog zu der Unterstützung anderer stark betroffener Branchen vollständig in Zuschüsse umgewandelt werden.
Das Bundesfinanzministerium versicherte nach dem Treffen des Aufsichtsrats, der Bund werde seiner Verantwortung als Miteigentümer der FBB entsprechend den Beteiligungsverhältnissen im Gleichlauf mit den anderen Gesellschaftern nachkommen. Auch Brandenburg stehe zu dem Flughafen, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums in Potsdam. Man werde gemeinsam Lösungen finden.
Berlins Finanzsenator Kollatz erklärte, es gehe um „das Überbrücken einer Durststrecke, die mehrere Jahre dauern wird“. Dazu müsse man rasch eine Entscheidung im Konsens der drei Gesellschafter und ihrer Parlamente finden.
Der BER wurde nach jahrelangen Verzögerungen wegen Problemen am Bau Ende Oktober 2020 eröffnet. Die Kosten stiegen von rund 2,7 Milliarden Euro auf knapp sechs Milliarden Euro. Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hat noch einen Vertrag bis März 2022, will aber schon Ende September aufhören. Der Aufsichtsrat hat dem inzwischen zugestimmt.
Ein Nachfolger steht noch nicht fest. Im Umfeld der Eigner hieß es, man werde ausloten, ob die für Finanzen zuständige Geschäftsführerin Aletta von Massenbach für den Job infrage kommt. Die langjährige Managerin des Frankfurter Flughafen-Betreibers Fraport ist seit September 2020 an Bord.
Die Berliner Grünen lehnen von Massenbach als mögliche neue Airport-Chefin ab. Mehr Transparenz und Kontrolle in der Geschäftsführung könne nur durch einen „echten Neuanfang“ gelingen, auch in personeller Hinsicht. „Dafür braucht es einen Sanierer von außen“, sagte Jarasch. „Ich habe die Sorge, dass die nächste Regierung sonst ein noch größeres Problem erbt.“
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