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Heimarbeit Neue Anwaltswelt: Wie Wirtschaftskanzleien mit dem Homeoffice umgehen

Durch die Pandemie erhalten in den Wirtschaftskanzleien flexible Arbeitsmodelle Auftrieb. Das zeigt eine Handelsblatt-Umfrage unter den umsatzstärksten Sozietäten.
28.09.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Durch die Coronakrise seien neue Arbeitskonzepte entstanden, die auch die Heimarbeit ermöglichen. Quelle: dpa
Homeoffice

Durch die Coronakrise seien neue Arbeitskonzepte entstanden, die auch die Heimarbeit ermöglichen.

(Foto: dpa)

Berlin Dass in Großkanzleien hohe Arbeitsbelastung und lange Arbeitszeiten herrschen, ist kein Geheimnis. Daran haben bislang auch Konzepte für mehr Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wenig geändert.

Durch die Coronakrise erhalten nun allerdings flexiblere Arbeitsmodelle mehr Auftrieb. Das zeigt eine Umfrage des Handelsblatts unter den umsatzstärksten Wirtschaftskanzleien Deutschlands.

Demnach haben fast alle Kanzleien konkrete Regelungen zum mobilen Arbeiten geschaffen, die dauerhaft gültig sein sollen. Wer die neuen Möglichkeiten nutzt, hängt nach den Angaben der Befragten nicht vom Geschlecht ab, sondern eher von anderen Umständen – etwa von der Länge der Pendelzeiten zum Arbeitsplatz oder vom Impfstatus. Und: Die neue Anwaltsarbeitswelt hat auch ihre Grenzen.

Die Kanzlei CMS Deutschland teilte mit, dass mobiles Arbeiten zwar schon immer möglich gewesen sei. Dennoch sei aus der Hochphase der Pandemie ein neues „New-Work-Konzept“ hervorgegangen: „Nun haben wir einen klar verständlichen und nachvollziehbaren generellen Rahmen für mobiles Arbeiten geschaffen.“

Konkret können Mitarbeiter entscheiden, an welchen Tagen sie wie arbeiten wollen. Dabei dürfen bis zu 50 Prozent der vertraglichen Arbeitszeit außerhalb des Büros bestritten werden.

Auf Dauer keine rein virtuelle Kanzlei

CMS setzt indes bewusst nicht vollständig auf mobiles Arbeiten: „Präsenz ist für den langfristigen Erfolg unserer Sozietät wichtig.“ Sie sei unabdingbar für die Qualität der Arbeit und die Wettbewerbsfähigkeit, aber auch für die Ausbildung.

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Hubertus Kolster, Managing Partner bei CMS Deutschland, erklärt: „So bekommen Berufsanfänger unmittelbar mit, was uns als Kanzlei ausmacht, unseren Spirit, die Identifikation mit der Sozietät, und haben den wichtigen persönlichen Austausch im Büro.“ Sie könnten direkter in die Mandatsbearbeitung einbezogen werden und dadurch größere Lern- und Erfahrungseffekte erzielen.

Bei der Kanzlei Linklaters ist Anfang September eine „Remote Working Policy“ in Kraft getreten, die nun dauerhaft gültig bleibt. Sie ermöglicht es im Regelfall jedem Mitarbeiter in Festanstellung in Deutschland, mindestens 20 Prozent der Arbeitszeit ortsunabhängig zu arbeiten. In den Teams können noch weiter gehende Regelungen individuell vereinbart werden.

Schon vor der Pandemie seien digitale Werkzeuge für mobiles Arbeiten eingeführt worden, teilte Linklaters auf Anfrage mit. In der Coronakrise selbst hätten dann alle „hautnah“ erlebt, dass mobiles Arbeiten auch in einer Extremsituation funktioniere.

Kristina Klaaßen-Kaiser, Partnerin und Vorsitzende des globalen People Committee, sieht Homeoffice als Bereicherung „bei gleichbleibend hoher Qualität der Beratungsleistung für unsere Mandanten“.

Linklaters stellt jedoch auch klar, dass die Büros auch in Zukunft das Zentrum der Zusammenarbeit bleiben: „Sie sind das Herz der Sozietät, in dem unsere Kultur geprägt und das für uns alle wertvolle Netzwerk aufgebaut wird.“ Deshalb hält es die Kanzlei für „essenziell“, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen „entscheidenden Teil“ der Arbeitszeit im Büro verbringen.

Ebenfalls seit September läuft bei der Kanzlei Taylor Wessing ein neues Modell für eine flexiblere Gestaltung des Arbeitsablaufs. Alle Mitarbeiter haben nun die Möglichkeit, ihre Tätigkeit bei einer Fünf-Tage-Woche an bis zu zwei Tagen in der Woche oder bis zu acht Tagen im Monat ortsunabhängig zu erbringen.

Die Arbeit im Homeoffice ist allerdings freiwillig und wird nicht von der Sozietät erwartet. Auch der persönliche Austausch sei wichtig, bekräftigt Olaf Kranz, Managing Partner von Taylor Wessing Deutschland: „Eine hybride Arbeitswelt ist für uns die optimale Lösung.“

Dauerhafte Leitlinien

Die Wirtschaftskanzlei Noerr will in Kürze Leitlinien zum mobilen Arbeiten verabschieden, die dann dauerhaft gelten sollen. Die Coronakrise sei mit einer „Lernkurve“ verknüpft gewesen, „die uns die Möglichkeit noch größerer Flexibilität gezeigt hat, die wir nun ausgewogen in die Nach-Corona-Zeit überführen wollen“, teilte die Kanzlei auf Anfrage mit.

Co-Sprecher Alexander Ritvay verweist jedoch auf das wichtige Miteinander im Büro: „Denn eine Topkanzlei funktioniert nicht auf Dauer als virtuelle Kanzlei.“ Und Co-Sprecher Torsten Fett ergänzt, das Einarbeiten von neuen Mitarbeitern sei in den vergangenen Monaten nicht ideal gewesen: „Es gab nicht wie sonst üblich ein Kennenlernprogramm, sondern wir mussten den neuen Kolleginnen und Kollegen einen Laptop in die Hand drücken und sie bitten, nach Hause zu gehen.“

Um die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu erfahren, führte Noerr eine interne Umfrage durch. Der Befund: Eine Mehrheit wünscht sich, „einige Tage pro Woche“ außerhalb des Büros zu arbeiten.

Auch die Kanzlei Hogan Lovells machte eine interne Umfrage. Hier gaben die meisten Beschäftigten an, den Großteil ihrer Arbeitszeit im Büro verbringen zu wollen und bis zu zwei Tage im Homeoffice zu bleiben. „Wir wissen, dass Teamgeist, Ideen und Produktentwicklungen am einfachsten durch soziale Interaktion entstehen“, erklärt Stefan Schuppert, Managing Partner Hogan Lovells Germany. „Das funktioniert bei physischer Präsenz besser als im Call.“

Bereits bestehende Regelungen der Kanzlei zum mobilen Arbeiten waren während der Coronakrise flexibilisiert worden. Bei Bedarf können nun individuelle Lösungen gefunden werden: „Je nach Team sind die Ausgestaltung und die notwendige Anwesenheitsquote unterschiedlich, wenn beispielsweise eine Tätigkeit aus Vertraulichkeitsgründen nur aus dem Büro ausgeübt werden kann“, teilte Hogan Lovells mit. Derzeit beträgt die Anwesenheitsquote demnach 50 bis 60 Prozent.

Dass Teamarbeit, Qualität und Produktivität nicht an dauerhafte Anwesenheit im Büro geknüpft sind, diese Bilanz zieht die Wirtschaftskanzlei Hengeler Mueller angesichts der Coronakrise. „Wir sehen daher zukünftig deutlich größere Freiheitsgrade im Vergleich zu vor der Pandemie bei der Frage, von wo aus wir arbeiten“, heißt es.

Feste Präsenzzeiten oder feste Quoten für die Aufteilung der Arbeit zwischen Anwesenheit im Büro oder mobilem Arbeiten gibt es allerdings nicht. Die Mitarbeiter regeln die Balance „eigenverantwortlich, flexibel und in enger Abstimmung im Team“. Das persönliche Miteinander im Büro werde wichtig bleiben: „Die komplexen Mandate, an denen wir arbeiten, brauchen intensiven Austausch, gegenseitige Inspiration und auch fundierte Ausbildung.“

Keine Ausbildung über Teams oder Zoom

Freshfields Bruckhaus Deringer hat seinen Mitarbeitern eine „Agile Working Guidance“ an die Hand gegeben, darin sind für die Standorte in Deutschland aber keine festen Vorgaben gemacht, welchen Anteil die Arbeit aus dem Büro – etwa an einer Arbeitswoche – haben soll.

Die Kanzlei teilte mit, wie schon vor der Pandemie sei klar, dass es kein „One size fits all“-Modell für agiles Arbeiten gebe, da die Bedürfnisse der Mandanten und die Erfordernisse der Mandatsbearbeitung, die Art der Tätigkeit jedes Einzelnen, die Zusammensetzung der Teams, aber auch die persönlichen Lebensumstände und Präferenzen sehr unterschiedlich seien.

„Direkter persönlicher Austausch stimuliert gerade in schwierigen Situationen die Kreativität, die es manchmal braucht, um die richtige Lösung für ein komplexes Problem zu finden“, erklärt Mario Hüther, der für Personalfragen zuständige Partner in Deutschland. Das Büro werde also als Ort der Begegnung gebraucht.

Die Kanzlei Gleiss Lutz hat im Zuge der Pandemie ein Homeoffice-Konzept umgesetzt, das darauf abzielt, die „erprobte Flexibilität“ zu erhalten und die Vorteile des Arbeitens im Büro sowie des mobilen Arbeitens von zu Hause zu verbinden. Dabei würden die konkreten Anforderungen an die Arbeit und die individuellen Lebenssituationen der Mitarbeiter berücksichtigt.

Als Knackpunkt gilt auch hier die Integration neuer Mitarbeiter: „Eine gute Ausbildung kann nicht nur über Teams-Meetings oder Zoom-Konferenzen erfolgen, sondern lebt vom direkten Austausch“, sagt Alexander Schwarz, Co-Managing-Partner bei Gleiss Lutz. „Gerade bei Berufseinsteigern und jungen Associates sehen wir, dass sie nicht nur isoliert im Homeoffice arbeiten möchten, sondern sich sowohl für ihre fachliche als auch persönliche Ausbildung die Interaktion in unseren Büros wünschen.“

Eine Ausbildung lebe vom direkten Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Quelle: imago images/Westend61
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Eine Ausbildung lebe vom direkten Austausch mit Kolleginnen und Kollegen.

(Foto: imago images/Westend61)

Bei Clifford Chance soll seit September wieder „die persönliche Zusammenarbeit im Büro und das in allen Bereichen lange vermisste Miteinander“ stärker ermöglicht werden. Es gelten lediglich die Homeoffice-Regelungen der Vorkrisenzeit.

Dazu gehört „Flex Work“, also die Möglichkeit, spontan, unregelmäßig und vorübergehend außerhalb des Büros zu arbeiten. Peter Dieners, Regional Managing-Partner von Clifford Chance in Deutschland meint, der Anwaltsmarkt sei hart umkämpft und die Zukunft digital und divers. „Um auch künftig die besten Talente an uns zu binden, brauchen wir unter anderem ein klares Bekenntnis zu agilem und flexibel individuellen Erfordernissen angepasstem Arbeiten für alle“, erklärte er.

Die Wirtschaftskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek arbeitet nach eigenen Angaben nun „wieder überwiegend aus unseren Büros vor Ort“. Durch die Pandemie seien keine neuen und generellen Homeoffice-Regelungen geschaffen worden: „Die Entscheidungen sind individuell und werden auf Partnerebene getroffen.“

Mehr: „Ich habe keine Lust, ins Büro zurückzukehren, aber mein Chef verlangt das: Was soll ich tun?“

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