Hochschulen HRK-Präsident Peter-André Alt: „Heute interessiert sich jeder vierte Student für ein Start-up“

Gute Ideen von Professoren und Studenten gebe es genug, so Alt.
Berlin
Der Präsident der Hochschulrektoren, Peter-André Alt, wirbt dafür, den Transfer neuer Ideen aus der Wissenschaft in die Wirtschaft künftig mit einer nationalen Organisation zu fördern: „Das könnte das Innovationsgeschehen enorm beflügeln“, sagte er im Gespräch mit dem Handelsblatt. Neben mehr Finanzhilfe für Start-ups gehe es vor allem darum, die Vielzahl der heutigen Förderprogramme von Bund und Ländern zusammenzulegen.
Der soeben im Amt bestätigte Rektorenpräsident begrüßt daher das Konzept „D.Innova“ der Grünen, das sich an Vorbildern in Großbritannien, der Schweiz und Schweden orientiert. Es wäre „für alle Hochschultypen geeignet und würde auch der Agentur für Sprunginnovationen (Sprind) keine Konkurrenz machen“, so Alt. Auch die FDP-Idee einer deutschen Transfergesellschaft weist in diese Richtung.
Alt warnt jedoch vor großen Beharrungskräften: Alle Programme zusammenzubinden „verlangt viel Mut und Geschick, denn die Bundesländer legen vor dem Hintergrund ihrer regionalen Verantwortung Wert auf dezentrale Programme und wollen das natürlich nicht abgeben – ganz zu schweigen von den bestehenden Organisationen, die um ihre Existenz kämpfen werden“.
Gute Ideen von Professoren und Studenten gebe es genug, auch ein zunehmend förderliches Gründungsklima: „Es gibt heute schon Gründungskurse für Studierende und viele Wettbewerbe – mittlerweile interessiert sich jeder vierte Studierende für ein Start-up.“
Enorm hinderlich seien jedoch die Genehmigungsverfahren: „Da geht es uns wie den Unternehmen – bis hin zu Tesla in Brandenburg: Die Prozesse sind viel zu kompliziert. Das schreckt dann einen Professor, der ja ein festes Gehalt hat, noch eher ab als Unternehmer.“
Sprind-Chef Rafael Laguna hatte dazu einheitliche Musterverträge für Ausgründungen vorgeschlagen. „All das könnte natürlich von einer zentralen Agentur wunderbar effektiv gemanagt werden – sie darf allerdings auf keinen Fall bürokratisch arbeiten“, so Alt.
Für die Hochschulen selbst fordern die Rektoren eine „Digitalisierungspauschale“: „Wir erarbeiten gerade ein detailliertes Konzept, was wo gebraucht wird“, so Alt, „aber die Größenordnung dürfte rund 270 Millionen Euro jährlich betragen.“ Die Expertenkommission für Forschung und Innovation hatte den Bedarf schon 2019 auf rund 92 Euro pro Student und Jahr beziffert.
„Für digitales Lernen und Lehren sollten etwa offen zugängliche Hightech-Werkstätten mit Zugang zu aktuellen Maschinen, Werkzeugen und Software eingerichtet werden. Wir brauchen eine flächendeckende lokale WLAN-Versorgung, die Bandbreiten müssen erhöht, die Server- und Speicherinfrastruktur sollte ständig optimiert werden. Und auch die Weiterqualifizierung für die digitale Lehre kostet“, so Alt.
In der Pandemie läuft die digitale Lehre aktuell – ganz anders als in den Schulen – relativ reibungslos. Gearbeitet werde jedoch oft mit provisorischen Lösungen. Mittelfristig brauchten die Hochschulen jedoch große Summen für Lizenzen, die digitale Aufrüstung der Verwaltungen – „und wenn wir die Digitalisierung wirklich ernst nehmen, natürlich auch für Kameras und Studios, Reallabore und Cloud-Service und vor allem für qualifiziertes Personal“.
All das würde auch in Zukunft viele digitale und hybride Formen erlauben. „Denn nach Corona sollten die großen Vorlesungen auch weiterhin von zu Hause und zeitversetzt verfolgt werden können“, verspricht der Rektorenpräsident.
In die Weiterbildung einsteigen
Die Digitalisierung eröffne den Hochschulen die Möglichkeit, „mehr in die Weiterbildung einzusteigen, wenn sich dafür die Rahmenbedingungen verbessern“, meint Alt. Denn „wir können ja digitale Aufzeichnungen mehrfach verwenden oder Berufspraktiker dazuschalten, weil es online keinen Unterschied macht, ob 50 oder 300 zusehen“.
Gerade die Hochschulen für angewandte Wissenschaften könnten für ihre Wirtschaftspartner mehr Weiterbildung anbieten, da sie die meisten IT-Professuren hätten, sagt Alt. Wichtig sei ihm, „dass wir die Lehrerfortbildung endlich in die Hochschulen holen“. Politik und Wirtschaft fordern seit Langem, die Hochschulen müssten auch Weiterbildung betreiben. Bisher trugen sie hier aber maximal fünf Prozent bei, beklagt etwa das Handelsblatt Research Institut in einer neuen Studie.
Doch trotz aller Synergieeffekte durch die Digitalisierung „funktioniert mehr Weiterbildung natürlich nicht ohne mehr Personal“, stellt der HRK-Präsident klar. „Wenn Professorinnen und Professoren sich hier engagieren, müssen sie anderswo entlastet werden.“
Generell funktioniere aber digitale Lehre nur dann flächendeckend, „wenn der Staat seine Hausaufgaben bei der Infrastruktur macht“, mahnt Alt. Es gebe aktuell durchaus Fälle, „wo Studierende – so absurd es klingt – in die Hochschule kommen müssen, um an digitalen Vorlesungen teilzunehmen, weil es eben gerade an ein paar ‚Milchkannen‘ nur eine miserable Internetanbindung gibt, unter der ja auch Mittelständler leiden“.
Doch noch läuft die Pandemie, und die Hochschulen müssen wohl im Sommer wieder Onlineprüfungen abnehmen. Bisher hätten aber noch nicht alle Länder die nötigen Regeln erlassen. „Am schnellsten war Bayern – die übrigen müssen schnell nachlegen, damit wir Rechtssicherheit haben“, so Alt.
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