Hochwasserkatastrophe Von der Flut betroffene Unternehmen sollen vorerst keinen Insolvenzantrag stellen müssen

Die Bundesregierung will Unternehmern wie dem Gastronomen Wolfgang Ewerts nach der Katastrophe helfen.
Berlin Die Bundesregierung will nach der Hochwasserkatastrophe vor allem im Westen Deutschlands eine Pleitewelle verhindern. Unternehmen, die wegen der verheerenden Flut im Juli in Schieflage geraten sind, sollen bis Ende Oktober keinen Insolvenzantrag stellen müssen. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch eine entsprechende Formulierungshilfe des Justizministeriums gebilligt. Die Koalitionsfraktionen müssen noch zustimmen.
„Durch den Starkregen und das Hochwasser sind auch Unternehmen unverschuldet in finanzielle Not geraten, die an sich tragfähige und erfolgreiche Geschäftsmodelle haben“, sagte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). Diesen seien bereits Hilfen in Aussicht gestellt worden. „Wir müssen aber verhindern, dass Unternehmen nur deshalb zum Insolvenzgericht gehen müssen, weil Unterstützungsleistungen nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen.“
Die Insolvenzantragspflicht soll für betroffene Betriebe rückwirkend ab dem 10. Juli bis Ende Oktober 2021 ausgesetzt werden. Die Formulierungshilfe sieht vor, dass die Regelung bis Ende März 2022 verlängert werden könnte.
Die Not in den betroffenen Gebieten in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern sei groß, erklärte Lambrecht. „Betriebe, Fahrzeuge und Geräte wurden zerstört oder stark beschädigt.“ Für Firmen sei oft gar nicht daran zu denken, den Betrieb weiterzuführen.
„Es ist allerdings Voraussetzung, dass die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung des Unternehmens darauf beruht“, betonte Lambrecht mit Blick auf die Flutkatastrophe. Sie gehe davon aus, dass die zugesagten Hilfen schnell fließen und Insolvenzen verhindern würden. Firmen hätten auf jeden Fall Rechtssicherheit, egal, wann der Bundestag die Pläne beschließe, weil die Regelung rückwirkend sei.
Nach Informationen aus Koalitionskreisen soll es noch im August eine Sondersitzung des Bundestages geben. Neben der Aussetzung der Insolvenzpflicht soll dann auch ein milliardenschwerer Wiederaufbaufonds beschlossen werden.
Ökonomen begrüßten die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. „Als Ad-hoc-Maßnahme“ sei dies „durchaus sinnvoll“, sagte Klaus-Heiner Röhl, Experte für Unternehmen und Insolvenzen beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Die Befristung bis Ende Oktober sei sinnvoll, um den Unternehmen Zeit für den Neustart zu geben. „Viel länger sollte die Maßnahme aber nicht laufen, um Zombie-Unternehmen nicht noch zu fördern – zumal es coronabedingt bereits eine längere Aussetzung der Antragspflicht gab“, sagte Röhl.
Auch Klaus Wohlrabe vom Ifo-Institut sieht die Maßnahme positiv. „Diese Regelung ist vor allem ein politisches Signal vor der Wahl, und das ist auch gut so“, sagte er. Es sei sicherlich auch hilfreich für die betroffenen Firmen. Die Politik stehe immer vor dem Dilemma, auf der einen Seite schnell und unbürokratisch zu handeln, und auf der anderen Seite. genau zu prüfen, wer die Hilfen denn wirklich benötigt, vor allem langfristig.
Furcht vor Zombie-Unternehmen unbegründet
Zur Diskussion um Zombie-Unternehmen sagte Wohlrabe, es sei schwer abzuschätzen, wie viele Unternehmen durch die Hilfen künstlich am Leben erhalten werden, obwohl sie vorher schon kein tragfähiges Geschäftsmodell hatten. Diese Fälle werde es geben. „Mit Blick auf die Gesamtwirtschaft würde ich das aber nicht als problematisch einstufen“, sagte Wohlrabe. Es sei zunächst nur eine Verschiebung, mögliche Insolvenzen fänden dann später statt. Es sei auch kein Domino-Effekt zu befürchten, wenn jetzt zu viele Firmen künstlich am Leben gehalten würden.
Hochwasser: Geschädigte Unternehmen sollen keine Insolvenz anmelden müssen
Der Berufsverband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) hatte sich zuletzt ebenfalls für eine vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ausgesprochen. „Das Letzte, was Unternehmen und Unternehmer jetzt gebrauchen können, ist eine Diskussion um bestehende Insolvenzantragspflichten. Daher sollte der Gesetzgeber trotz der parlamentarischen Sommerpause die Insolvenzantragspflicht so schnell wie möglich aussetzen“, sagte Christoph Niering, Vorsitzender des VID.
Grundsätzlich gilt: Betriebe, die zahlungsunfähig sind, müssen innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag stellen – Firmen, die überschuldet sind, spätestens nach sechs Wochen. Das soll dem Schutz von Vertragspartnern dienen, die sonst in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Auch in der Coronakrise war die Insolvenzantragspflicht für belastete Firmen ausgesetzt worden, um Pleiten von eigentlich gesunden Betrieben zu verhindern.
Wie hoch die Schäden bei den Unternehmen in den Flutregionen sind, ist noch unklar. „Was man sagen kann: Es sind Tausende von Unternehmen in allen Größenordnungen direkt oder indirekt durch Schäden an der Infrastruktur betroffen“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Peter Adrian, vor Kurzem. „Der Schaden geht insgesamt sicher in die Milliarden.“
Mehr: Jetzt offenbart sich Laschets Schwäche – ein Kommentar.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Solange die Regierung für die Forderungsausfälle haftet, ist doch alles in Ordnung.