Hürden für Bauprojekte Beschränkung des Verbandsklagerechts: Wirtschaftsflügel der Union stützt Laschet

Der Kanzlerkandidat der Union hat Mitte August die Baustelle der Tesla Gigafactory in Grünheide besucht. Beim Gespräch mit Firmengründer Elon Musk ging es vor allem um bürokratische Hürden für Großprojekte.
Berlin Die Wirtschaftspolitiker der Unionsfraktion springen ihrem Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU) bei einem seiner Kernanliegen bei. „Ich begrüße es außerordentlich, dass unser Parteivorsitzender Armin Laschet eine so drängende Zukunftsfrage wie schnelles Planen und Bauen für den Standort Deutschland deutlich anspricht und für den Beginn einer Kanzlerschaft hier zügiges Handeln ankündigt“, sagte Christian von Stetten, Chef des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) dem Handelsblatt.
Laschet hatte beim Wahlkampfauftakt der Union am Wochenende betont, dass er die Planungsbeschleunigung zum Schwerpunkt seiner Arbeit in den ersten 100 Tagen einer möglichen Kanzlerschaft machen werde. „Wir müssen hier anders arbeiten, sonst wird der Kampf gegen den Klimawandel nicht gelingen“, sagte der CDU-Chef. So müsse zum Beispiel der Ausbau der Stromtrassen viel schneller gehen als bisher.
Von Stetten sagte: „Immer öfter waren es in den letzten Jahren weniger fehlende Finanzmittel, sondern stockende Verfahren und immer neue Bremsklötze, die wichtige Vorhaben aufgehalten haben.“ Das gelte für den Bau von Stromtrassen genauso wie für Schienen und Straßen.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Torsten Frei (CDU), hat das Projekt gar zur Bedingung für eine mögliche Koalition nach der Wahl gemacht: „Jeder künftige Koalitionspartner muss akzeptieren, dass wir in Deutschland schneller bauen werden, dass wir schneller genehmigen werden, dass wir kürzere Verfahren und kürzere Verwaltungsprozesse haben“, sagte Frei der Nachrichtenagentur AFP.
Und Fraktionsvize Carsten Linnemann (CDU), der auch Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion MIT ist, nannte das Vorhaben eine „zwingende Voraussetzung“ für den Erfolg bei der Energiewende und bei der Digitalisierung.
Die Unterstützung des Wirtschaftsflügels bei seinem Kernprojekt ist für Laschet auch politisch wichtig. Beim internen Kampf um die Kanzlerkandidatur hatten sich viele Wirtschaftspolitiker für CSU-Chef Markus Söder ausgesprochen, beim Rennen um den CDU-Parteivorsitz waren sie für Friedrich Merz. Mit dem Vorhaben der Planungsbeschleunigung gibt es ein gemeinsames Anliegen und auch entsprechend öffentliche Unterstützung von Wirtschaftspolitikern, die sich zuletzt zurückgehalten hatten.
Ein heikles und rechtlich schwieriges Unterfangen
Rückendeckung wird Laschet gebrauchen können, sollte er Kanzler werden und das Projekt umsetzen wollen. Denn aus Sicht des CDU-Chefs gehört auch dazu, die Klagemöglichkeiten von Verbänden einzuschränken – ein durchaus heikles Unterfangen.
Es sei für die Planungssicherheit wichtig, wenn Bedenken und Einwände weiterhin einbezogen würden, so PKM-Chef von Stetten, aber Einspruchsmöglichkeiten müssten „einen verlässlichen zeitlichen Endpunkt haben“.
Auch Fraktionsvize Frei forderte eine Beschränkung des Verbandsklagerechts, um die Umsetzung von Großbauvorhaben zu beschleunigen. Die bestehenden Klagebefugnisse würden immer wieder von Interessenvertretern zur Profilierung genutzt, so der CDU-Politiker. „Die Einspruchsmöglichkeiten gegen Großprojekte sollten sich auf den Kreis der direkt betroffenen Menschen konzentrieren.“
Dass es einen Handlungsbedarf gibt, legt auch ein Bericht der Bundesregierung nahe, der kürzlich veröffentlicht wurde. Danach haben sich die Klagen durch Umweltverbände von 140 Fällen im Zeitraum 2013 bis 2016 auf 222 Fälle im Zeitraum 2017 bis 2020 erhöht.
Das entspricht einem Gesamtzuwachs von 82 Fällen und damit einem Anstieg um etwa 60 Prozent. Eine starke Zunahme der Zahl der Fälle ist laut dem Bericht vor allem bei den Klagen gegen Windenergieanlagen und Luftreinhaltepläne festzustellen.
Der Regierungsbericht ist eine Bestandsaufnahme „über die praktischen Erfahrungen im Vollzug der Novelle zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz“. Mit dem Gesetz setzte Deutschland im Jahr 2017 sowohl die Vorgaben einer völkerrechtlichen Vereinbarung (Aarhus-Konvention) als auch die Vorgaben eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2015 um, mit dem die sogenannte materielle Präklusion aufgehoben wurde.
Kläger müssen damit Einwendungen nicht mehr bereits im Genehmigungsverfahren erheben, sondern können dies erstmals im Gerichtsverfahren tun. Zudem können Umweltvereinigungen nun alle denkbaren Rechtsverletzungen rügen. Zu Jahresbeginn hat der EuGH sein Urteil bestätigt.
Umweltverbände können in Umweltangelegenheiten umfassender klagen
Das entsprechend geänderte Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz erleichtert es Bürgern, umweltrechtliche Genehmigungen vor Gericht anzufechten. Haben Behörden etwa einer umstrittenen Straße, einer Industrieanlage oder einer Windenergieanlage die Umweltverträglichkeit attestiert, können selbst Verbände dies gerichtlich überprüfen lassen.
Weil Planungs- und Genehmigungsverfahren oft viele Jahre dauern, hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in dieser Legislaturperiode insgesamt vier Beschleunigungsgesetze auf den Weg gebracht. Aus Sicht der Union reicht das aber nicht – weshalb Laschet nun angekündigt hat, in den ersten 100 Tagen einer möglichen Kanzlerschaft weitere Maßnahmen ergreifen zu wollen.
Eine Einschränkung des Verbandsklagerechts ist allerdings schwierig. „Da das Verbandsklagerecht durch das Unionsrecht vorgegeben ist, kann auch nur die EU das Klagerecht ändern“, sagte der Speyrer Staatsrechtler Joachim Wieland. „Eine solche Änderung ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten und kann auch von Deutschland nicht durchgesetzt werden“, fügte Wieland mit Blick auf das Urteil des EuGH hinzu.
Selbst die Bundesregierung sprach in ihrem Bericht mit Blick auf die EU-Rechtsprechung von „unerwartet deutlichen“ Aussagen des EuGH. Damit sei nun klar, dass die Wiedereinführung der materiellen Präklusion bei Klagen gegen die Genehmigung von Infrastrukturprojekten und Industrieanlagen „europa- und völkerrechtswidrig“ wäre.
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