Impfstoffe Kritik an Alleingängen: Das sind die Reaktionen auf den geplanten Einsatz von Sputnik V

An Sputnik V scheiden sich die Geister.
Berlin, Brüssel Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat von mehreren Ministerpräsidenten Rückendeckung für seinen Vorstoß zum Ankauf des russischen Impfstoffs Sputnik V erhalten. „Das ist der richtige Weg, ich begrüße das Vorgehen des Bundes“, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) der Nachrichtenagentur Reuters. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und ihr sächsischer Kollege Michael Kretschmer (CDU) sprangen Spahn bei.
Spahn hatte am Donnerstag angekündigt, dass Deutschland einen Vertrag mit dem Hersteller des russischen Impfstoffs Sputnik V abschließen will. Eingesetzt werden soll der Impfstoff aber erst nach einer Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA.
Nach Informationen von Reuters wird die Taskforce Impfstoffproduktion der Bundesregierung nun Gespräche mit dem Hersteller des russischen Impfstoffs Sputnik V führen. Dabei gehe es auch um weitere Produktionsstätten in Deutschland, hieß es in Regierungskreisen. Der Taskforce gehören Vertreter des Gesundheits-, Wirtschafts- und Finanzministeriums an.
Sachsens Ministerpräsident Kretschmer betonte sein Vertrauen in den russischen Impfstoff. „Russland ist ein großes Land der Wissenschaft und ich habe nicht die geringsten Zweifel, dass die dortige Wissenschaft imstande ist, einen leistungsfähigen Impfstoff herzustellen“, sagte der CDU-Politiker. Er werde das Thema bei seinem Moskau-Besuch Ende des Monats ansprechen.
Allerdings gibt es auch weiter Zweifel an der Qualität des Impfstoffes. Die slowakische Arzneimittelagentur SUKL teilte am Donnerstag mit, dass die Lieferung an Impfdosen nicht dem Inhalt entspreche, der von der EMA und der Medizin-Zeitschrift „The Lancet“ analysiert worden sei. Das EU-Land hatte 200.000 Dosen bestellt und erhalten, aber noch nicht eingesetzt.
Bayern und Mecklenburg-Vorpommern machen einen Alleingang
Die EMA wird laut einem Medienbericht kommende Woche untersuchen, ob die russischen klinischen Studien wissenschaftlichen und ethischen Standards für die Entwicklung der Impfstoffe entsprochen haben. Die „Financial Times“ berichtete von Zweifeln, dass alle Standards eingehalten worden seien. Die Firma widersprach auf Twitter.
Unterdessen gibt es in Deutschland Streit um die Sonderwege einiger Bundesländer. Sowohl Bayern als auch Mecklenburg-Vorpommern haben angekündigt, sich über einen eigenen Vertrag eine Million Impfdosen von Sputnik V sichern zu wollen. „Weil bisher nicht klar war, ob der Bund sich eine Option sichert, habe ich unseren Gesundheitsminister schon vor einiger Zeit darum gebeten, eigenständig in Gespräche über Sputnik-Optionen einzutreten“, sagte Ministerpräsidentin Schwesig dazu. „Noch besser wäre natürlich, wenn der Bund das zentral für ganz Deutschland macht.“
„Ich habe immer gesagt, dass entweder die EU oder die Bundesregierung hier vorangehen sollten“, sagte wiederum Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff. In Deutschland sei der Bund für die Impfstoffbeschaffung zuständig. Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) betonte, dass der Bund die Verantwortung habe.
Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sprach sich gegen Alleingänge der Länder aus. Ramelow sehe die Bundesregierung weiterhin in der Pflicht, einen Rahmenvertrag für den Bezug des Impfstoffs für Deutschland zu schließen, erklärte Regierungssprecher Falk Neubert am Donnerstag in Erfurt auf Anfrage der dpa.
Thüringens Regierungschef hätte sich immer wieder dafür ausgesprochen, Sputnik V nach seiner Zulassung in Deutschland einzusetzen. Er habe darüber mehrfach mit Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) gesprochen, so der Regierungssprecher.
Kritik erntete vor allem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für seine Ankündigung, dass Bayern selbst einen Vertrag für die Lieferung von 2,5 Millionen Impfdosen Sputnik V für den Freistaat abschließe.
„Wir halten uns an das vereinbarten Verfahren. Dass das ausgerechnet derjenige Kollege macht, der ansonsten mit markigen Worten immer ein betont einheitliches Verhalten in der Pandemie-Bekämpfung fordert, das spricht doch für sich“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im ZDF hinzu. Auch der Vorsitzende der ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, äußert Kritik im ZDF an dem bayerischen Alleingang.
EMA-Experten wollen Produktion von Impfstoff begutachten
Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hatte Anfang März ein Prüfverfahren für Sputnik V im Rahmen einer sogenannten Rolling Review begonnen. Dabei werden Testergebnisse bereits geprüft, auch wenn noch nicht alle Daten vorliegen und noch kein Zulassungsantrag gestellt wurde. Im April wollen EMA-Experten Produktion und Lagerung des Impfstoffs in Russland begutachten. Die EU-Staaten Ungarn und Slowakei haben Sputnik bereits auf eigene Faust angeschafft, Ungarn erteilte eine Notfallzulassung.
Bislang hatte Deutschland Impfstoff ausschließlich zusammen mit den anderen EU-Staaten angeschafft. Diesen Weg hatte die Bundesregierung auch für Sputnik V gefordert – und eine Absage kassiert. Ein Sprecher der EU-Kommission betonte am Donnerstag jedoch, ein Vorgehen wie das von Deutschland bedeute nicht das Ende der europäischen Impfstoff-Strategie. Vielmehr stehe es Ländern frei, bilateral Impfstoff zu beschaffen, der nicht Bestandteil des gemeinsamen Vorgehens sei.
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, sagte im ZDF-„Morgenmagazin“, die publizierten Daten zu Sputnik V „sehen sehr gut aus“, er wisse aber nicht, was der EMA an zusätzlichen Daten vorliege. „Wenn der Impfstoff geprüft und zugelassen wird, hätte ich persönlich dagegen nichts einzuwenden.“
Der Gesundheitspolitiker und CDU-Europaabgeordnete Peter Liese forderte, man dürfe nicht aus politischen Gründen auf Sputnik verzichten. Falls die EMA das Präparat positiv bewerte und falls Russland schnell liefern könne, müsse man den Impfstoff auch aus Russland importieren. Schließlich könne es bei anderen Impfstoffen zu Lieferproblemen kommen. Jedoch sei er gegen nationale oder regionale Alleingänge; die EU-Kommission müsse handeln.
Der Impfstoff-Beauftragten der EU-Kommission, Thierry Breton, erwartet durch Sputnik V hingegen keine schnell Entlastung. Auf die Frage, ob Präparate etwa aus Russland oder China dazu beitragen könnten, bis zum Sommer 70 Prozent der Erwachsenen in der EU zu impfen, schrieb der er am Donnerstag: „Ich fürchte, die Antwort ist nein.“ Jedes Unternehmen, das einen neuen Impfstoff produzieren wolle, brauche mindestens zehn Monate. Deshalb müsse man sich auf die Produktion jener Impfstoffe konzentrieren, die in der EU bereits zugelassen oder kurz davor seien.
Zugleich zeigte Breton sich optimistisch, dass es auch ohne Impfstoffe wie Sputnik V bis Ende Juni genügend Dosen in der EU gibt, um rund 70 Prozent der Erwachsenen zu impfen. Im ersten Quartal seien 108 Millionen Dosen geliefert worden, für das zweite Quartal rechne er mit 360 Millionen weiteren.
Mehr: EU-Länder warten auf den russischen Impfstoff – doch die Hoffnung auf Sputnik V schwindet.
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In ihrer Not werfen die Politiker in Deutschland reihenweise die guten europäischen Vorsätze über Bord und wollen jetzt doch lokal ordern.
Auch wenn die zentrale Bestellung durch die EU schiefgegangen war, so war es doch der richtige Weg.
Schade das jetzt einzelne Politiker ausscheren.
Müssen die verzweifelt sein.