Industrie- und Handelskammern Reform des DIHK beschlossen: Der Kammer wird der Maulkorb abgenommen

Der Neue an der DIHK-Spitze hat sich bisher mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten. Grund ist ein Gerichtsurteil aus dem vergangenen Jahr.
Berlin Fast könnte es den Anschein haben, als sollte da etwas in einer Nacht-und-Nebel-Aktion beschlossen werden. Schließlich war die Reform des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) auch innerhalb der Regierungskoalition durchaus umstritten.
Doch dass das Gesetz erst tief in der Nacht zum Freitag auf der Tagesordnung des Bundestags stand, hat nichts mit Geheimniskrämerei zu tun, sondern mit dem Zeitdruck angesichts der nahenden Sommerpause des Parlaments.
Union und SPD ziehen die Konsequenzen aus dem „Maulkorb-Urteil“ des Bundesverwaltungsgerichts vom Oktober vergangenen Jahres und machen aus dem eingetragenen Verein DIHK bis Ende 2024 eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Während sich die Industrie- und Handelskammern (IHK) bisher freiwillig der Spitzenorganisation anschließen können, sind sie künftig dann zur Mitgliedschaft im DIHK verpflichtet. Dies soll auch schon für die Übergangsphase bis zur Etablierung der Bundeskammer gelten.
Fliehkräften in der Kammerorganisation entgegenwirken
Die Regierungskoalition versucht so, den Fliehkräften in der Kammerorganisation entgegenzuwirken. Das Bundesverwaltungsgericht hatte einem Kammerkritiker aus dem Münsterland recht gegeben und dessen IHK Nord Westfalen zum Austritt aus dem DIHK verdonnert.
Der Spitzenverband könne nicht so tun, als spräche er bei Themen wie der Energiewende für die gesamte Wirtschaft, weil es viele abweichende Meinungen gebe, argumentierte der klagende Windkraftunternehmer. Als Zwangsmitglied einer IHK wolle er sich von solchen Äußerungen nicht vereinnahmen lassen – und die Satzung des DIHK lasse sie auch nicht zu.
Alarmiert von weiteren Klagen und weil sie die Funktionsfähigkeit des nach dem Urteil öffentlich weitgehend verstummten DIHK in Gefahr sahen, entschlossen sich Union und SPD zur Änderung des IHK-Gesetzes. Die Rechtsaufsicht über den DIHK soll künftig beim Bundeswirtschaftsministerium liegen.
Um die Reform wurde lange gerungen. Die SPD lehnte eine Kompetenzausweitung des DIHK ab und kritisierte, dass der Spitzenverband sich häufig gegen sozialdemokratische oder gewerkschaftliche Standpunkte positioniert hatte. Außerdem habe Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zunächst versucht, das Recht an das rechtswidrige Verhalten des DIHK anzupassen.
Kammern müssen auf abweichende Meinungen von Mitgliedern hinweisen
IHKs und der DIHK sind bei Positionierungen gehalten, das Gesamtinteresse ihrer Mitglieder zu ermitteln. Künftig müssen sie in ihrer Kommunikation nach außen aber darauf hinweisen, wenn es abweichende Meinungen gibt. Klargestellt wurde im Gesetz zuletzt noch, dass dabei nicht jede Einzelmeinung aufgeführt werden muss.
Außerdem legt das Gesetz fest, dass die Kammern und ihr Spitzenverband zwar kein allgemeinpolitisches Mandat haben, sich aber zu allen Themen äußern können, die für die gewerbliche Wirtschaft von Relevanz sind.
Der DIHK kann sich also beispielsweise zu Grenzschließungen äußern, wenn dadurch Lieferketten bedroht sind. Ausdrücklich umfasst das Äußerungsrecht auch „Ziele einer nachhaltigen Entwicklung“, also beispielsweise Umwelt- oder Klimafragen.
Aus allen Fragen, die Arbeitgeber und Gewerkschaften unter sich regeln, haben sich die Kammern herauszuhalten. Erlässt aber der Gesetzgeber für alle Unternehmen geltende Regelungen wie beispielsweise die Homeoffice-Pflicht, sollen sie sich äußern dürfen. Neue Kompetenzen in der Berufsbildung erhält der DIHK nicht.
Die künftige Bundeskammer wird verpflichtet, per Satzung ein Beschwerdeverfahren mit einem Beschwerdeausschuss einzurichten für den Fall, dass Mitglieder Kompetenzverstöße monieren.
Kritik von Opposition, Gewerkschaften und einer Kammer
Opposition, Gewerkschaften und einzelne Kammern üben Kritik an dem Gesetz: „Das Thema Transparenz in den Kammern wurde bei dieser Novelle leider ganz klein geschrieben“, sagt die mittelstandspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Claudia Müller. Auch bei der Aufsicht müsse noch mehr passieren, um schon den Anschein von Interessenkonflikten auszuschließen.
Doch nach der Reform bleibe das zentrale Problem bestehen, dass in den IHKs – anders als in den Handwerkskammern – ausschließlich Unternehmensinteressen repräsentiert seien, kritisiert Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).
„Auch wenn die Rechte von Minderheiten innerhalb der Unternehmerschaft in den Kammern gestärkt sind, ein Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft müsste natürlich ebenso die Interessen der Beschäftigten abbilden.“ Hier sei eine Chance vertan worden, sagt Körzell.
Auch in der Kammerorganisation sind nicht alle glücklich mit der nun wiedergestärkten Rolle des DIHK: „Wir haben uns als IHK so sehr verändert, dass der DIHK nicht mehr zu uns passt“, sagt Eric Weik, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet.
Sie hat als bisher einzige Kammer angekündigt, ihre Mitgliedschaft im DIHK für Ende 2021 zu kündigen, wenn sich an der Arbeit des Vereins nichts verändert. „Wir orientieren unser Handeln ausschließlich daran, was unseren Mitgliedsunternehmen nutzt“, sagt Weik.
Mehr: Wie Peter Adrian die Fliehkräfte im Wirtschaftsverband bekämpfen will
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Die Groko hat auf die Schnelle eine Superkammer DIHK über den Einzel-IHKs geschaffen, mit Zwangsmitgliedschaft der IHKs und in Fortsetzung der althergebrachten Zunftordnungen.
Diese DIHK kann sich der unangenehmen rechtlichen Prüfung Ihrer Tätigkeit (Lobby, Partialinteressen, Pensionsansprüche) weitgehend entziehen und muss sich allenfalls mit dem Berliner Wirtschaftsministerium ins Benehmen setzen. Am Ende wird diese "Körperschaft" die nichts anderes als eine Industriemeinungsbehörde sein, die Kammerkritik provoziert.