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Inflation Gewerkschaften geben ihre Bescheidenheit auf – Führen höhere Löhne dann zu höheren Preisen?

Mit ihrer Fünf-Prozent-Forderung für die Beschäftigten der Länder läuten die Gewerkschaften das Ende der pandemiebedingten Lohnzurückhaltung ein. Ökonomen diskutieren mögliche Folgen.
26.08.2021 - 13:35 Uhr Kommentieren
In den Tarifverhandlungen 2019 hatten die Gewerkschaften noch sechs Prozent mehr Geld verlangt. Quelle: dpa
Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke (l.) und Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach

In den Tarifverhandlungen 2019 hatten die Gewerkschaften noch sechs Prozent mehr Geld verlangt.

(Foto: dpa)

Berlin Im nüchternen Sitzungssaal eines Berliner Hotels verkünden der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke und Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach am Donnerstag das Ende der Bescheidenheit. Fünf Prozent mehr Geld fordern die Gewerkschaften für die etwa 1,1 Millionen Tarifbeschäftigten der Länder, mindestens aber 150 Euro – und das bei einer Laufzeit von einem Jahr.

Sollte aus der Forderung ein Abschluss werden, der am Ende auf die mehr als zwei Millionen Beamten und Versorgungsempfänger der Länder und Kommunen übertragen wird, würde das 7,5 Milliarden Euro Mehrkosten bedeuten. So rechneten es die in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) zusammengeschlossenen Arbeitgeber vor.

Man habe über das Forderungsvolumen lange diskutiert, sagte Verdi-Chef Werneke. Schließlich hat die Pandemie auch die Länderhaushalte stark belastet. In der Länderrunde 2019 hatten die Gewerkschaften noch sechs Prozent mehr Geld verlangt. Doch müsse man auch auf die anziehende Inflation reagieren. Die Beschäftigten hätten reale Einkommenssteigerungen verdient, betonte Werneke.

In den zurückliegenden Tarifrunden war es angesichts der pandemiebedingt schwierigen Wirtschaftslage zu relativ moderaten Abschlüssen gekommen, was sich auch in der Entwicklung der Tarifverdienste widerspiegelt.

Sie sind nach Daten des Statistischen Bundesamts im ersten Quartal dieses Jahres um 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gestiegen. Im gleichen Zeitraum legten die Verbraucherpreise ebenfalls um 1,3 Prozent zu. Die Folge: Unter dem Strich bleibt keine Reallohnerhöhung übrig.

Im Juli kletterten die Verbraucherpreise um 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat

Zuletzt haben die Verbraucherpreise deutlich angezogen. Das Plus von 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, das im Juli verzeichnet wurde, war das höchste seit Dezember 1993. Entsprechend erwarten die Gewerkschaften jetzt kräftige Einkommenssteigerungen.

Auch IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sagte dem Handelsblatt, die nächste Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie im Herbst 2022 werde „sicher stark vom Thema Entgelterhöhung geprägt werden“. Droht jetzt eine Lohn-Preis-Spirale, in der sich Verbraucherpreise und Löhne gegenseitig hochschaukeln?

Christoph Schröder forscht am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zur Einkommenspolitik. Er warnt davor, die zuletzt stark gestiegenen Preise zum Maßstab für Tarifverhandlungen zu nehmen. Ein wichtiger Faktor für den Preissprung im Juli seien die gestiegenen Ölpreise. Ohne Energie seien die Verbraucherpreise im Juli nur um 2,9 Prozent gestiegen.

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Zudem werde die Preissteigerung in der zweiten Jahreshälfte durch einen Sondereffekt beeinflusst, weil die Mehrwertsteuer im zweiten Halbjahr 2020 wegen der Coronakrise abgesenkt worden war. Deshalb sind nach Einschätzung der Bundesbank zum Ende dieses Jahres sogar vorübergehend Inflationsraten von mehr als vier Prozent möglich.

Die aktuell hohe Preissteigerung sei also vor allem auf gestiegene Rohstoffpreise und fiskalische Effekte zurückzuführen, betont Schröder. „Sie ist daher kein Ausweis gestiegener Gewinne, die man umverteilen könnte.“ Sollten die Gewerkschaften jetzt Lohnerhöhungen durchsetzen, die im Bereich der aktuellen Inflation oder höher liegen, führe dies zu erheblichem Preisdruck auf die Unternehmen. Das könnte dann tatsächlich eine Lohn-Preis-Spirale auslösen.

Lohnentwicklung wird sich beschleunigen

Im Augenblick kann der Präsident des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, dafür noch keine Anzeichen erkennen. Die Lohnentwicklung werde sich nun sicherlich beschleunigen. „Aber damit es zu einer inflationären Lohn-Preis-Spirale kommt, müssten die Löhne deutlich schneller steigen, als es in den letzten Jahren auch bei besserer Wirtschaftslage der Fall war“, sagt Fuest. „Damit rechne ich nicht.“

Von den Löhnen gehe keine Inflationsgefahr aus, sofern sie sich regelmäßig an der Summe aus der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem trendmäßigen Produktivitätswachstum orientierten, sagt Sebastian Dullien. Er ist Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). In Deutschland würde dies ein Lohnwachstum von etwa drei Prozent pro Jahr bedeuten.

„Solange sich die Lohnabschlüsse kontinuierlich auf diesem Trend bewegen, sollten kurzfristige Ausschläge der Inflation nach oben oder unten möglichst keinen Eingang in die Lohnentwicklung finden“, sagt Dullien. Wenn allerdings in den Vorjahren von dieser Formel abgewichen worden sei, könne in den Jahren danach ein Zu- oder Abschlag sinnvoll sein. So könne man auf den langfristigen, stabilitätsorientierten Lohnpfad zurückkommen.

Die Tarifabschlüsse der vergangenen 18 Monate hätten spürbar unterhalb der gesamtwirtschaftlichen Lohnleitlinie gelegen. So bleibe Spielraum nach oben, ohne Inflationsgefahren zu schüren.

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Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält ein Ende der Lohnzurückhaltung für angebracht: „Gerade jetzt nach der Pandemie wären deutliche Lohnerhöhungen willkommen, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die wirtschaftliche Zukunft wieder zu stärken.“

Höhere Löhne und eine höhere Lohnquote seien wichtig für die wirtschaftliche Dynamik, da sie den privaten Konsum und damit die Nachfrage bei Unternehmen stützten, sagt Fratzscher. Der DIW-Chef gibt allerdings auch zu bedenken, dass derzeit nur gut die Hälfte der Beschäftigten durch Tarifverträge geschützt ist. „Und die andere Hälfte hat damit letztlich kaum Verhandlungsmacht gegenüber den Arbeitgebern.“

Verdi-Chef Werneke erhofft sich nach Abschluss der Verhandlungen im öffentlichen Dienst einen Tarifvertrag mit möglichst kurzer Laufzeit. So könne man am besten auf kurzfristige Veränderungen der Preise reagieren.

Mehr: Verbraucherpreise auf einem 30-Jahres-Hoch: Warum die Ökonomen die massive Steigerung nicht erwartet haben

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