Innenpolitik Deutschland und Niederlande setzen Abschiebungen nach Afghanistan aus

Deutschland setzt Abschiebungen nach Afghanistan aus.
Berlin Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will die aktuell ausgesetzten Abschiebungen nach Afghanistan sobald möglich wieder aufnehmen. „Sobald es die Lage zulässt, werden Straftäter und Gefährder wieder nach Afghanistan abgeschoben“, erklärte Seehofer am Mittwoch.
Zugleich verteidigte er seine Entscheidung, bis auf Weiteres keine Abschiebungen in das vom Vormarsch der Taliban erschütterte Land durchzuführen. Zwar seien Abschiebungen in einem Rechtsstaat ein wichtiger Teil der Migrationspolitik. „Wer kein Aufenthaltsrecht hat, muss Deutschland wieder verlassen“, erklärte Seehofer.
„Aber ein Rechtsstaat trägt auch Verantwortung dafür, dass Abschiebungen nicht zur Gefahr für die Beteiligten werden. Die Sicherheitslage vor Ort ändert sich derzeit so rasant, dass wir dieser Verantwortung weder für die Rückzuführenden, noch für die Begleitkräfte und die Flugzeugbesatzung gerecht werden können.“
Angesichts des Vormarsches der radikal-islamischen Taliban in Afghanistan vollziehen Deutschland und die Niederlande eine Kehrtwende und setzen Abschiebungen in das Land am Hindukusch vorläufig aus. In den Niederlanden gelte der Abschiebestopp zunächst für sechs Monate, erklärte Justizministerin Ankie Broekers-Knol in einem Brief an das Parlament.
Eigentlich habe die Regierung ihre Afghanistan-Politik erst im Oktober aktualisieren wollen. „Im Lichte der sich schnell verschlechternden Lage“ sei dies nun vorgezogen worden. Nach Angaben von Seehofers Sprecher sind derzeit knapp 30.000 Afghanen in Deutschland ausreisepflichtig, was die größte Gruppe eines Herkunftslandes sei.
Auswärtiges Amt überarbeitet Lagebericht
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) nannte die Entscheidung Seehofers „notwendig und richtig“. Es sei festzustellen, das sich in Afghanistan „die Sicherheitslage in den letzten Wochen noch einmal deutlich verschlechtert hat“.
Das Auswärtige Amt ist derzeit dabei, den Lagebericht für Afghanistan zu überarbeiten. An dem Bericht orientiert sich auch das Bundesinnenministerium, wenn es um die Frage von Abschiebungen geht. Maas kündigte den Bericht für die kommenden Tage an. Bislang gab es in Deutschland nur für Syrien wegen des anhaltenden Bürgerkriegs einen Abschiebestopp.
Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl bezeichnete die Entscheidung Seehofers als „mehr als überfällig“ und forderte: „Es gibt keine sicheren Gebiete in Afghanistan, es gibt keinen internen Schutz vor der Taliban“, erklärte Geschäftsführer Günter Burkhardt.
Kritik kam von der AfD. „Wieder einmal stellt die Bundesregierung die Sicherheit der eigenen Bürger hintenan“, erklärte Co-Fraktionschefin Alice Weidel auf Twitter. „Wer in Deutschland kriminell wird, hat ohne Wenn und Aber abgeschoben zu werden.“
Vergangene Woche hatten die Innenminister von sechs EU-Staaten, darunter auch Deutschland und die Niederlande, in einem Brief an die EU-Kommission klargemacht, dass sie auf ihrem Recht auf Abschiebungen von abgelehnten afghanischen Asylbewerbern bestünden. Unterzeichner des Briefs waren zudem Österreich, Belgien, Dänemark und Griechenland.
Österreich hält an Kurs fest
Ungeachtet der Entscheidung in Berlin und Amsterdam ändert die Regierung in Wien ihren Kurs nicht. „Österreich hält an seinen Planungen für Rückführungen nach wie vor fest“, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums. „Ein faktisches Aussetzen von Abschiebungen steht derzeit für uns nicht zur Diskussion.“
Die Taliban treiben ihren Vormarsch in Afghanistan nach dem Abzug der internationalen Truppen unvermindert voran. Am Dienstag hatte ein EU-Vertreter gesagt, 65 Prozent des Landes stünden unter Kontrolle der Taliban. Die Islamisten haben wiederholt angekündigt, nach ihrer Machtübernahme einen Gottesstaat bilden zu wollen.
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