Interview „Da habe ich erst mal schallend gelacht“ – Walter Riester hält Generationenrente für unrealistisch

Unter Gerhard Schröder war Riester von 1998 bis 2002 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Walter Riester verteidigt die nach ihm benannte Riester-Rente. „Wenn sich alle einig sind, dass der Rentenbeitrag nicht weiter steigen und auch das Rentenalter nicht angehoben werden soll, dann bleibt nur die Zusatzvorsorge“, sagte der frühere SPD-Sozialminister dem Handelsblatt. Es sei denn, es solle noch mehr Steuergeld in die Rente gesteckt werden. Die kapitalgedeckte ergänzende Rente habe also weiter ihre Bedeutung.
In ihren Programmen für die Bundestagswahl stellt sich keine Partei mehr vorbehaltlos hinter die klassische Form der dritten Säule der Alterssicherung. Die Reformpläne reichen von der Einführung eines einfachen Standardprodukts bis hin zur gänzlichen Abschaffung.
Nach Einschätzung von Riester wird die private Vorsorge nur funktionieren, wenn sie obligatorisch ist: „Die Rücklagenbildung fürs Alter konkurriert immer mit tagesaktuellen Ausgabenwünschen und Notwendigkeiten, deshalb muss man das verpflichtend machen“, sagte er. „Würden wir nur auf die Weitsicht der Menschen vertrauen, hätten wir massenweise Altersarmut.“
Bei der Unions-Idee einer „Generationenrente“, für die der Staat von Geburt eines Bürgers an Beiträge leistet, habe er erst mal „schallend gelacht“, sagte Riester. „Wir stecken heute schon mehr als 100 Milliarden Euro Steuergeld pro Jahr in die Rente, seit Einführung der Riester-Rente waren es 1,7 Billionen Euro. Woher soll da das Geld für die Einzahlung in die Generationenrente kommen?“
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Herr Riester, die Rente spielt bisher im Wahlkampf eine eher untergeordnete Rolle. Was sagen Sie dazu?
Ich sehe die Altersvorsorge vor großen Herausforderungen. Wir haben mehr Geringverdiener und mehr Teilzeitjobs als früher, und die Menschen beziehen – zum Glück – immer länger Rente. Aber Wirtschaftswachstum wird sich nicht mehr so stark in der Rentenkasse niederschlagen wie in früheren Jahren. Wenn die Babyboomer in den Ruhestand gehen, bekommen wir Probleme.
Also brauchen wir weiter die ergänzende Vorsorge?
Wenn sich alle einig sind, dass der Rentenbeitrag nicht weiter steigen und auch das Rentenalter nicht angehoben werden soll, dann bleibt nur die Zusatzvorsorge. Es sei denn, sie wollen noch mehr Steuergeld in die Rente stecken. Die kapitalgedeckte ergänzende Rente hat also weiter ihre Bedeutung.
Aber die Riester-Rente leidet unter großen Akzeptanzproblemen.
Wir haben 16 Millionen Riester-Verträge, auch wenn nicht mehr alle aktiv bedient werden. Dafür, dass es sich um eine freiwillige Zusatzvorsorge handelt, finde ich das immer noch ganz beachtlich.
Viele Parteien wollen die Bürger jetzt zu ihrem Glück zwingen und sehen eine obligatorische ergänzende Vorsorge vor. Was halten Sie davon?
Ich hatte schon damals ein Obligatorium gefordert, konnte mich damit aber politisch nicht durchsetzen. Selbst Verbraucherschützer, die mich damals bis aufs Messer bekämpft haben, fordern das jetzt.
Rücklagenbildung steht in Konkurrenz mit Wünschen
Warum muss man die Menschen zu ihrem Glück zwingen?
Die Rücklagenbildung fürs Alter konkurriert immer mit tagesaktuellen Ausgabewünschen und Notwendigkeiten, deshalb muss man das verpflichtend machen. Würden wir nur auf die Weitsicht der Menschen vertrauen, hätten wir massenweise Altersarmut. Deshalb bringen auch Opt-out-Lösungen nichts, die jetzt diskutiert werden.
Warum nicht?
Sie müssen sich doch nur anschauen, wie viele Minijobber sich von ihrem Eigenbeitrag zur Rentenversicherung befreien lassen, um netto mehr Geld in der Tasche zu haben, um zu sehen, dass Opt-out-Modelle unsere Probleme nicht lösen.
Die FDP schlägt vor, einen Teil der Rentenversicherungsbeiträge in eine Aktienrente zu stecken. Was halten Sie davon?
Die FDP hat mein Eintreten für ein Obligatorium immer bekämpft und will jetzt ausgerechnet aus der Rentenkasse, wo die Einzahlung obligatorisch ist, zwei Beitragspunkte für die Aktienrente abzwacken. Und seit Riester eingeführt wurde, ist doch die Anlage in Fonds längst möglich. Beliebtestes Produkt ist der Fondssparplan Uniglobal von Union Investment. Mehr als die Hälfte der rund 3,3 Millionen Riester-Fondssparpläne sind dort abgeschlossen.
Hat die geringe Akzeptanz der Zusatzvorsorge nicht auch mit der Niedrigzinsphase zu tun?
Ich hätte damals bei Einführung der Riester-Rente nicht gedacht, dass wir einmal eine so lange Niedrigzinsphase haben werden. Aber wenn es Sparer gibt, die davon am wenigsten betroffen sind, dann sind es doch Altersvorsorgesparer mit einem Anlagehorizont von mehreren Jahrzehnten.
Die Union will eine Generationenrente prüfen, in die der Staat für jeden Bürger ab Geburt einzahlt. Eine sinnvolle Idee?
Da habe ich erst mal schallend gelacht, als ich das gelesen habe. Wir stecken heute schon mehr als 100 Milliarden Euro Steuergeld pro Jahr in die Rente, seit Einführung der Riester-Rente waren es 1,7 Billionen Euro. Woher soll da das Geld für die Einzahlung in die Generationenrente kommen?
Mehr: Wirtschaftsweise Monika Schnitzer fordert höheres Renteneintrittsalter
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"Und seit Riester eingeführt wurde, ist doch die Anlage in Fonds längst möglich." Die Aussage ist zwar perse richtig, allerdings erfolgt bei Riesterprodukten durch die gesetzlich geforderte Kapitalgarantie die Investition hauptsächlich in Wertsicherungsfonds, deren Wertentwicklung mit der von klassischen Lebensversicherungen gleichzusetzen ist. Im aktuellen Zinsumfeld alles andere als attraktiv. Wenn die Riesterrente weiterhin bestehen soll, wäre ein Wahlrecht der Kapitalgarantie sowie eine eine gedeckelte Provision für die Versicherer sinnvoll.
ich bin der Meinung, dass alle, die auf die Riester Rente gesetzt haben, alles andere als schallend lachen werden, wenn diese sehen, was unter dem Strich übrig bleibt...
Hr. Bajohr hat schon einen richtigen Hinweis dazu gegeben
Der Herr Riester hat mit seiner " Riester -Rente" nur den Versicherungen geholfen. Ich kenne keinen der sich auf die Geschichte eingelassen hat der mit dem Ertrag froh geworden ist. Ist nun mal so, wenn Sozis es gut mit dir meinen. Meine Tochter (40+) hat auf mein Anraten hin die Verträge gekündigt und legt ihr Beiträge jetzt in ETF an. Das sieht - zumindest bisher- vernünftig aus.
Hallo, Herr Röglin: interessanter Kommentar - ob es bis jetzt die 1,7 Bill oder eine niedrigere Summe waren, kann ich nicht beurteilen; aber die gesetzliche Rentenversicherung funktioniert nicht mehr nach dem Beitragsprinzip, sondern, wie von Ihnen genannt: versicherungsfremde Leistungen! Das sind z.B. Rentner der ehemaligen DDR, die nicht in der Lage waren, ein eigenes Konto anzusparen, oder aber Dinge, wie Mutterrente usw., die sicherlich grundsätzlich sinnvoll sind. Meine Kinder, die inzwischen auch schon 40 oder älter sind, haben vor diversen Jahren Altersversorgungen abgeschlossen; da bin ich mal gespannt, wie sich diese in den nächsten Jahren noch entwickeln werden. Gestern habe ich übrigens mit einer Bekannten gesprochen, die inzwischen 83 ist; sie hat sich bei Heirat ihre Rentenbeiträge auszahlen lassen (war damals ein Betrag für einen neuen Fernsehapparat) Bei Wiedereinstieg ins Berufsleben in späteren Jahren fehlen diese Jahre natürlich.
Hallo, Herr Röglin: interessanter Kommentar - ob es bis jetzt die 1,7 Bill oder eine niedrigere Summe waren, kann ich nicht beurteilen; aber die gesetzliche Rentenversicherung funktioniert nicht mehr nach dem Beitragsprinzip, sondern, wie von Ihnen genannt: versicherungsfremde Leistungen! Das sind z.B. Rentner der ehemaligen DDR, die nicht in der Lage waren, ein eigenes Konto anzusparen, oder aber Dinge, wie Mutterrente usw., die sicherlich grundsätzlich sinnvoll sind. Meine Kinder, die inzwischen auch schon 40 oder älter sind, haben vor diversen Jahren Altersversorgungen abgeschlossen; da bin ich mal gespannt, wie sich diese in den nächsten Jahren noch entwickeln werden. Gestern habe ich übrigens mit einer Bekannten gesprochen, die inzwischen 83 ist; sie hat sich bei Heirat ihre Rentenbeiträge auszahlen lassen (war damals ein Betrag für einen neuen Fernsehapparat) Bei Wiedereinstieg ins Berufsleben in späteren Jahren fehlen diese Jahre natürlich.
„Wir stecken heute schon mehr als 100 Milliarden Euro Steuergeld pro Jahr in die Rente, seit Einführung der Riester-Rente waren es 1,7 Billionen Euro."
Das sind die Ausgleichszahlungen für versicherungsfremde Leistungen und die können auch mit einer Rieser-Rente nicht eingespart werden.