Interview Familienunternehmensexperte Kirchdörfer: „Einführung der Vermögensteuer wäre verantwortungslos“

„Ich halte es nicht für sinnvoll, an der Erbschaftsteuer zu drehen.“
Die Grünen, die SPD, aber auch die Linke fordern eine Vermögensteuer. Familienunternehmer würde die Abgabe hart treffen, schätzt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der „Stiftung Familienunternehmen und Politik“.
Die Grünen tagen ab Freitag und wollen ihr Wahlprogramm abschließend beraten. Dabei spielt auch die Vermögensteuer eine wichtige Rolle, sie solle ab einem Vermögen von zwei Millionen Euro greifen und ein Prozent pro Jahr betragen. Auch die SPD und die Linke planen die Einführung einer solchen Steuer. Zum Teil mit noch höheren Sätzen.
„Sie einzuführen wäre verantwortungslos“, sagte der Lobbyist vor dem digitalen Tag des deutschen Familienunternehmens im Gespräch mit dem Handelsblatt. Bereits die Ankündigung führe zu einer großen Verunsicherung. Vor allem mittlere und größere Familienbetriebe würden getroffen, auch wenn es Verschonungsmöglichkeiten gebe.
Mit der Einführung einer Vermögensteuer müssten die Unternehmen zwangsläufig Investitionen zurückschrauben und Kosten senken, wenn sie die unternehmerische Substanz schützen wollten. „Sie müssten die Steuer ja selbst dann bezahlen, wenn sie Verluste schreiben“, sagte Kirchdörfer.
Problematisch sei zudem ein weitverbreitetes Missverständnis: Ein hoher Vermögenswert bedeute nicht zwangsläufig Liquidität. „Die Werte stecken in arbeitenden Wirtschaftsgütern wie Patenten, Innovationen, Maschinen, Grundstücken. Man müsste Betriebsvermögen versilbern, um die Steuer zu zahlen.“
Im Interview erteilte der Vorstand der „Stiftung Familienunternehmen und Politik“ auch den Vorschlägen von CDU-Politiker Friedrich Merz eine klare Absage. Dieser hatte vorgeschlagen, statt einer Vermögensteuer die Erbschaftsteuer auf eine breitere Basis mit weniger Ausnahmen zu stellen und die Bemessungsgrundlage zu erweitern. „Ich halte es nicht für sinnvoll, an der Erbschaftsteuer zu drehen“, sagte Kirchdörfer. „Ich halte auch wenig von einem geringeren Steuersatz und einer breiteren Bemessungsgrundlage, die Betriebsvermögen voll einbezieht.“
Lesen Sie hier das komplette Interview:
Herr Kirchdörfer, Annalena Baerbock hat es im Interview mit dem Handelsblatt noch einmal bekräftigt: Die Grünen wollen die Vermögensteuer wieder einführen. Oberhalb eines Vermögens von zwei Millionen soll ein Prozent gezahlt werden. Betriebsvermögen sollen verschont werden. Die Unternehmer sind in Sorge, zu Recht?
Das Thema ist für alle Unternehmer und auch für einen Großteil der Bevölkerung ein rotes Tuch. Die Vermögensteuer ist eine Substanzsteuer, die vor allem Familienunternehmen hart treffen würde. International ist sie ein Auslaufmodell. Mit der Vermögensteuer würde Deutschland steuerpolitisch in die völlig falsche Richtung laufen. Sie einzuführen wäre verantwortungslos. Schon die Ankündigung der Pläne führt bei Familienunternehmen zu großer Verunsicherung.
Betriebsvermögen sollen aber verschont werden.
Frau Baerbocks Aussage, wonach Betriebsvermögen verschont wird, ist mehr als wolkig. Selbst wenn kein weiteres Privatvermögen vorhanden wäre, würde die Vermögensteuer schon bei mehr als zwei Millionen Euro Unternehmenswert greifen. Außen vor bleiben dann vielleicht kleine Handwerksbetriebe, aber schon eine größere Arztpraxis käme leicht über diese Summe. Wollte man Betriebsvermögen darüber hinaus freistellen, wäre eine besondere Betriebsvermögensfreistellung notwendig. Daran glaube ich allenfalls für kleine Betriebe. Mittlere und große Familienunternehmen würden voll getroffen.
Können Sie erklären, wo genau das Problem liegt?
Wer auf 100 Euro zwei Prozent Rendite erzielt, zahlt auf den Ertrag im Rahmen des Höchststeuersatzes schon rund 50 Prozent Einkommensteuer, dann ist das erste Prozent Rendite schon weg, mit der Vermögensteuer wäre das zweite Prozent ebenfalls weg. Das heißt, nur wenn die Rendite über zwei Prozent liegt, rechnet sich das Investment. Sonst mindert man das Vermögen, geht also an die Substanz. Die Inflation ist in diesem Beispiel noch nicht berücksichtigt. Das treibt Unternehmen und Privatleute zu Recht auf die Barrikaden. Diejenigen, die Vermögen bilden und sparsam sind, werden gegenüber denjenigen, die kurzfristig konsumieren, bestraft. Das setzt falsche Signale und verdreht alles, was mir zum Thema Sparen und Vorsorge beigebracht wurde, ins Gegenteil.
Rechnen Sie persönlich mit einer Vermögensteuer?
Wenn die Grünen oder die SPD in Koalitionsverhandlungen eingebunden sind, dann werden sie eine Vermögensteuer unter allen Umständen einführen wollen. Die Familienunternehmen erwarten von der Union, dass sie standhaft bleibt und eine Vermögensteuer ablehnt; die FDP hat dies bereits im Wahlprogramm versprochen. CDU, CSU, aber auch die FDP kennen die Gefahren der Substanzsteuern.
Glauben Sie, dass die Grünen damit durchkommen, auch wenn sie Juniorpartner sind?
Das kann ich nicht abschließend beurteilen. In Koalitionsverhandlungen ist alles möglich. Auch die SPD kam seinerzeit mit der Rente mit 63 durch…. Die Besorgnis der Familienunternehmer, gerade nach der Pandemie, ist ja, dass sie durch die Vermögensteuer in ihrem eigenen Wachstum beschnitten werden. Es wäre ja nicht ein Prozent auf den Ertrag, sondern ein Prozent auf den Wert des Unternehmens – jedes Jahr – zu entrichten. Das würde den Großteil des Ertrages eines Unternehmens auffressen.
Fürchten Sie, dass Unternehmen dadurch weniger investieren?
Kommt die Vermögensteuer, müssen die Unternehmen zwangsläufig Investitionen zurückschrauben und Kosten senken, wenn sie nicht die unternehmerische Substanz angreifen wollen. Sie müssten die Steuer ja selbst dann bezahlen, wenn sie Verluste schreiben. Hinzu kommt ein weit verbreitetes Missverständnis: Ein hoher Vermögenswert bedeutet nicht zwangsläufig Liquidität. Die Werte stecken in arbeitenden Wirtschaftsgütern wie Patenten, Innovationen, Maschinen, Grundstücken. Man müsste Betriebsvermögen versilbern, um die Steuer zu zahlen. Hinzu kommt bei Familienunternehmen noch, dass die Vermögensteuer auch die Gesellschafter trifft, also Geld für Ausschüttungen anstelle von Investitionen notwendig wird.
Inwiefern?
Die Anteilseigner verfügen in der Regel natürlich nicht über genügend liquide Mittel, um diese Steuer auf ihren Unternehmensanteil zu bezahlen. Unternehmen müssten dann mehr an die Gesellschafter ausschütten. Kennzeichen der Familienunternehmen ist aber, dass sie Gewinne im Betrieb investieren. Mit einer Vermögensteuer wird den Unternehmen also zusätzlich auf diesem Wege Geld entzogen.
Werden Familienunternehmen abwandern, wenn die Vermögensteuer kommen sollte?
Ich persönlich rechne nicht damit, dass Unternehmen sofort abwandern, aber auf der Zeitachse werden wir Verhinderungsstrategien sehen. Die Grünen, die SPD und die Linke werden jede Möglichkeit ergreifen, um dem entgegenzuwirken. Einige Ansätze hierfür finden sich schon im Wahlprogramm der Grünen. Sie sind sich dabei durchaus bewusst, was sie der Wirtschaft antun würden.
Die Unternehmen würde ja vor allem interessieren, was mit ihren Betriebsvermögen passiert.
Wir haben aus dem Erbschaftsteuerurteil des Bundesverfassungsgerichts gelernt: Wenn die Vermögensteuer kommt, ist eine generelle Befreiung von Betriebsvermögen kaum möglich. Die Grünen berufen sich schon selbst auf verfassungsrechtliche Schranken, wenn sie über Begünstigung für Betriebsvermögen im Wahlprogramm sprechen. Damit halten sie sich im Ergebnis alles offen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Betriebsvermögen in vielen Fällen belastet werden soll. Diese Idee muss vom Tisch. Wir dürfen zudem nicht übersehen, dass es bereits im Erbschaftsteuerrecht Verschärfungen gegeben hat.
Damit leben die Familienunternehmen ja schon länger, erwarten Sie dann dort Änderungen, wie sie zum Beispiel Friedrich Merz vorgeschlagen hat?
Ich halte es nicht für sinnvoll, an der Erbschaftsteuer zu drehen. Ich halte auch wenig von einem geringeren Steuersatz und einer breiteren Bemessungsgrundlage, die Betriebsvermögen voll einbezieht.
Warum nicht?
Jede Substanzsteuer ist eine falsche Steuer, sie ist nie gerecht, mit der jetzigen Erbschaftsteuer hat man sich arrangieren müssen, nichtsdestotrotz ist sie falsch.
Ist die Vermögensteuer die einzige Sorge der Familienunternehmen mit dem Parteiprogramm der Grünen?
Nein. Das Wahlprogramm atmet Dirigismus. Es geht an vielen Stellen nicht mehr nur um sinnvolle Rahmenbedingungen, sondern um geplante Eingriffe in die Soziale Marktwirtschaft. Solche Aussagen im Wahlprogramm erachte ich als problematisch. Quoten sind falsch, auch solche für Klimaprojekte. Ausgaben im Staatshaushalt für Forschung sind im Grunde zu begrüßen. Es entspricht auch unserem gewachsenen Steuerrecht, die Steuerpflicht nach der Nationalität zu bemessen. Ich würde mir auch weniger Denken in Verboten und mehr Technologieoffenheit wünschen.
Last but not least wäre wichtig, die Grünen würden zu den EU-Handelsabkommen mit Lateinamerika und Kanada stehen. Nicht zielführend ist es, diese Abkommen mit weiteren Zielen zu überfrachten. Auch die angekündigte weitere Reichensteuer und die Beibehaltung des „Rest-Soli“ deutet in die falsche Richtung.

Die Grünen fordern eine Vermögensteuer.
Viele Familienunternehmer wollen aber Teil der Lösung in der Klimafrage sein…
Das sind sie jetzt schon. Den Familienunternehmen kommt es auch nicht auf Parteipolitik an, sondern auf vernünftige Rahmenbedingungen. Sie möchten darauf vertrauen, dass es auch bei der Umsetzung von den klimapolitischen Zielen um einen Wettbewerb der Ideen geht. Wenn wir 2026 feststellen, dass wir eine andere Technologie besser weiterentwickeln können, dann muss das möglich sein.
Wie gefährdet sind die Familienunternehmen? Sind sie nicht abgesehen von besonders betroffenen Branchen besser durch die Pandemie gekommen als gedacht?
Mit Blick auf die größeren Familienunternehmen sehe ich drei Gruppen: Die einen sind diejenigen, die wirklich gewaltig unter der Krise gelitten haben. Umsatz- und ertragsmäßig. Das sind Unternehmen in den Bereichen Transport, Reisen, Veranstaltungen sowie in der Kultur- und Hotelbranche. Die brauchen Hilfe. Daneben gibt es den zweiten, größten Block. Diese Familienunternehmen haben gelitten. Aber ihnen ist es gelungen, den Umsatzrückgang etwas vom Ertragsrückgang zu entkoppeln. Sie haben sehr gut reagiert und stehen mit Kostenmaßnahmen und auch staatlichem Kurzarbeitergeld, das ja keine Subvention, sondern eine Versicherungsleistung ist, heute vernünftig da.
Und die dritte Gruppe hat profitiert.
Das sind Unternehmen, die in der Krise mehr zu tun bekamen. Nehmen Sie zum Beispiel Onlinelieferanten. Ersparnisse, die man nicht für Reisen ausgegeben hat, wurden umgeleitet. Es wurden vermehrt hochwertige Verbrauchsgüter im Garten- und Hausbereich gekauft. Insgesamt sind die deutschen Familienunternehmen deutlich besser durch die Krise gekommen, als ich es vor einem Jahr geglaubt hätte. Das ist eine gute Nachricht für unsere gesamte Volkswirtschaft.
Herr Kirchdörfer, vielen Dank für das Interview!
Mehr: Reform der Erbschaftsteuer: Das passende Angebot für eine schwarz-grüne Koalition
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