Interview Familienunternehmer-Präsident Reinhold von Eben-Worlée: „Der Streit dürfte hilfreich für die Union gewesen sein“

Der Präsident des Familienunternehmer-Verbands gilt als „wortgewaltig“.
Berlin Der Verband der Familienunternehmen warnt Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet vor planwirtschaftlicher Wirtschaftspolitik. „Er wird sicherlich nicht den gleichen Fehler wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier mit seiner Industriestrategie machen. Dieser planwirtschaftliche und protektionistische Irrweg des Bundeswirtschaftsministers hätte die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands vermutlich mehr geschädigt, als er der Wirtschaft genutzt hätte“, sagte der Verbandspräsident Reinhold von Eben-Worlée dem Handelsblatt.
„Herr Laschet weiß, dass Ostwestfalen oder das Sauerland nur durch pfiffige, innovative Familienunternehmer ihre große Bedeutung erlangt haben. Und er weiß hoffentlich, welche Politik die benötigen“, sagte er weiter. Den gescheiterten Kandidaten für den CDU-Vorsitz Friedrich Merz sieht er im Team Laschet für den Wirtschaftsbereich nicht gesetzt. „Armin Laschet kennt Friedrich Merz besser als ich. Das muss er entscheiden“.
Es gebe aber auch andere CDU-Frauen und -Männer, die wirtschaftspolitische Kenntnisse mitbringen, aber nie in die erste Reihe vorgelassen oder aus dieser verdrängt wurden, sagte von Eben-Worlée. Armin Laschet habe in der letzten Woche jedenfalls enorme Steherqualitäten bewiesen. „Besonders in der Wirtschaftspolitik ist diese Hartnäckigkeit wichtig“.
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Herr von Eben-Worlée, sind Sie zufrieden mit der Entscheidung der CDU, Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten zu küren?
Armin Laschet hat in der letzten Woche jedenfalls enorme Steherqualitäten bewiesen. Besonders in der Wirtschaftspolitik ist diese Hartnäckigkeit wichtig. Laschet ist Chef des Bundeslandes, das einige der größten Industriecluster und komplexe Lieferketten aufweist. Er weiß, wie wichtig die weltweite Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wirtschaft ist, um in Deutschland gut bezahlte Arbeitsplätze zu erhalten.
Markus Söder wäre also nicht der bessere Kandidat gewesen?
Markus Söder wäre eventuell eine gute Wahl gewesen, aber man darf sich nie ausschließlich von Wahlprognosen leiten lassen, selbst wenn diese über einen längeren Zeitraum stabil sind, sondern immer von der zentralen Frage, wer langfristig der Bessere für das Land wäre.
Geht die Union durch den erbitterten Streit zwischen den beiden geschwächt in den Wahlkampf?
Wettbewerb belebt. Das gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Parteien. Für Herrn Laschet war das hilfreich, um eine ungeschminkte Stärken-Schwächen-Analyse zu bekommen. Daraus muss er wie ein Unternehmer die richtige Strategie ableiten. Dieser Streit gleich am Anfang dürfte sehr hilfreich gewesen sein, damit die Union als Ganzes sich besser aufstellt. Die Union muss jetzt aber zusammenstehen und programmatisch punkten.
Was erwarten Sie sich nun von Armin Laschet?
Er muss die Zeichen der Zeit lesen. Alle diejenigen, die für Markus Söder waren, wollen einen Politikwechsel in der CDU: Nicht länger immer nur die eigenen Positionen aufgeben, nur um so den politischen Gegnern Themen wegzunehmen, sondern für eigene Überzeugungen kämpfen. Viele wollen eine klare Ausrichtung auf die Zukunftsfähigkeit des Landes und nicht länger ein Verwalten des Status quo. Deshalb sollte Laschet nun sehr zügig ein Schattenkabinett berufen, dessen Mitglieder diesen Politikwechsel verkörpern.
Laschet ist als NRW-Ministerpräsident traditionell industriepolitisch aktiv. Befürchten Sie, dass die Familienunternehmer durch den Rost fallen?
Er wird sicherlich nicht den gleichen Fehler wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier mit seiner Industriestrategie machen. Dieser planwirtschaftliche und protektionistische Irrweg des Bundeswirtschaftsministers hätte der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands vermutlich mehr geschädigt, als er der Wirtschaft genutzt hätte. Herr Laschet weiß, dass Ostwestfalen oder das Sauerland nur durch pfiffige, innovative Familienunternehmer ihre große Bedeutung erlangt haben. Und er weiß hoffentlich, welche Politik die benötigen.
Sollte Laschet den Sauerländer Friedrich Merz als den Mann für die Wirtschaft ins Boot holen?
Armin Laschet kennt Friedrich Merz besser als ich. Das muss er entscheiden. Es gibt aber auch andere CDU-Frauen und -Männer, die wirtschaftspolitische Kenntnisse mitbringen, aber nie in die erste Reihe vorgelassen wurden – oder aus dieser verdrängt wurden.
Er hat ein Modernisierungsprogramm angekündigt. Nehmen Sie das nach 16 Jahren CDU-Regierung ernst?
Fakt ist: Am Ende der Ära Merkel ist die Reformdividende von Schröders „Agenda 2010“ zumindest aufgezehrt. Daher ist unser Land derzeitig für die Zukunft nicht gut aufgestellt. Herr Laschet führt in Nordrhein-Westfalen ein wirtschaftsstarkes Bundesland, das von Rot-Grün völlig runtergewirtschaftet war. Er weiß, wie man eine Volkswirtschaft auf Zukunftsfähigkeit ausrichten muss. Und nach dem Söder-Sturm weiß er auch, dass er mit dieser Zukunftspolitik nicht warten darf.
Was müsste in dem Programm stehen und vor allem umgesetzt werden?
Corona macht uns zwar allen zu schaffen, und wir hadern mit dem bisherigen Krisenmanagement der Regierenden. Aber dieses Virus siedelt nur auf der sichtbaren Spitze des Eisbergs. Die Krise unseres Landes geht viel tiefer. Deutschland verliert seit Jahren an Wettbewerbsfähigkeit. Gar nicht erst reden will ich von der mangelhaften Digitalisierung des öffentlichen Dienstes, von dem erbärmlichen Tempo beim Ausbau der Stromnetze oder vom Runterwirtschaften der Sozialversicherungen. Das sind zum Beispiel Themen, die das Programm der Union aufgreifen muss.
Welchen Markenkern der Union muss der Kanzlerkandidat herausarbeiten?
Armin Laschet muss die Wirtschaftskompetenz der Union wieder stärken, die einmal einer der wichtigsten Markenkerne der Partei war und erneuert werden muss. CDU/CSU und Wirtschaftspolitik, das gehörte einfach zusammen. Das war nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung so, sondern es spiegelt ziemlich zutreffend auch das frühere Selbstverständnis der Unternehmer wider, von denen sich viele bei der Union zu Hause gefühlt haben. Außerdem hat die Union in Europa ihren Kurs verloren und viel zu leichtfertig einen dauerhaften gemeinschaftlichen Schuldenmechanismus aus der Taufe gehoben.
Also auch keine Steuererhöhungen und keine Änderungen an der Schuldenbremse?
Steuererhöhungen passen absolut nicht in diese Zeit, in der viele Betriebe um ihr Fortbestehen bangen und Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze fürchten. Die Union muss sich klar gegen Steuererhöhungen positionieren. Da erhoffe ich mir auf unseren Familienunternehmer-Tagen klare Aussagen von der Kanzlerin sowie vom Kanzlerkandidaten der Union und dem CSU-Vorsitzenden.
Die Grünen haben Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin gemacht. Trauen Sie ihr das Kanzleramt zu?
Annalena Baerbock ist auf einzelnen Politikfeldern erkennbar sachkundig, sie versucht auch, in volkswirtschaftlichen und geopolitischen Kategorien zu denken. Sie nimmt immer wieder auch einen internationalen Blickwinkel ein, was so weit für sie spricht. Doch hinter der moderat auftretenden Kandidatin steckt nicht unbedingt ein moderates Programm.
Wie sehen Sie das Wahlprogramm der Grünen?
Das ist durchzogen von neosozialistischen und eigentumsfeindlichen Ansätzen und atmet weiter den Geist der Staatsgläubigkeit. So beabsichtigen die Grünen, eine Vermögensteuer einzuführen und die Einkommensteuer zu erhöhen. Beides würde die Familienbetriebe und ihre Mitarbeiter direkt treffen, von denen die allermeisten als Personengesellschaften geführt werden. Barvermögen und betriebliches Vermögen sind jedoch sehr unterschiedliche Dinge. Auf betrieblich gebundenes Vermögen kann der Fiskus nicht zugreifen, ohne zugleich die Unternehmen in ihrer Substanz und damit in ihrer Investitionsfähigkeit zu schwächen, beispielsweise auch in Bezug auf CO2-sparende Technologie. Das müssen die Grünen mitdenken.
Eine schwarz-grüne Koalition mit Laschet sehen Sie also skeptisch?
Die Wahl ist erst Ende September. Bis dahin kann noch viel passieren. Genauso wie Schwarz-Grün wäre auch eine Jamaika-Koalition möglich. Beide Koalitionsvarianten wären interessant, weil es sie so noch nie auf Bundesebene gab. Und natürlich noch das eigentumsfeindliche Grün-Rot-Rot, das viele Unternehmer Schlimmeres befürchten lässt. Bei den Grünen ist insgesamt zu bedenken: Die Partei ist innerlich zerrissener, als es öffentlich analysiert wird. Der Spalt verläuft vor allem zwischen Bundesvorstand und Parteibasis. Das hat der Parteitag deutlich gezeigt und ist alles im Kern des sehr linken Grundsatzprogramms drin.
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