Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Interview FDP-Fraktionschef Christian Dürr: „Ich bin unschlüssig bei der Impfpflicht“

Der neue FDP-Fraktionschef spricht über den Vorstoß von Parteikollege Wolfgang Kubicki gegen die Impfpflicht, seinen Lernprozess bei Omikron und die Unionsklage gegen den Nachtragshaushalt.
17.12.2021 - 04:25 Uhr 3 Kommentare
FDP-Chef Christian Lindner tendiert zur Impfpflicht, die Mehrheit der Bevölkerung ist dafür. Parteikollege Christian Dürr zögert in der Frage noch. Quelle: dpa
Dürr, Lindner

FDP-Chef Christian Lindner tendiert zur Impfpflicht, die Mehrheit der Bevölkerung ist dafür. Parteikollege Christian Dürr zögert in der Frage noch.

(Foto: dpa)

Berlin FDP-Fraktionschef Christian Dürr sieht als Voraussetzung für eine Impfpflicht, dass auch genügend Impfstoff vorhanden ist. „Wenn wir nicht genügend Impfstoff haben, kann der Bund von niemandem verlangen, sich impfen zu lassen“, sagte der Politiker im Interview mit dem Handelsblatt.

Das betreffe die allgemeine wie einrichtungsbezogene Impfpflicht gleichermaßen. Dürr zeigte sich deshalb verärgert über das Versäumnis des früheren Gesundheitsministers Jens Spahn. „Denn wir haben eine gut laufende Impfkampagne. Es sind in der vergangenen Woche so viele Menschen geimpft worden wie noch nie“, sagte er.

Den jetzt eingereichten Antrag von FDP-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki gegen eine Impfpflicht kann Dürr gut nachvollziehen. „Dass Abgeordnete auch aus unserer Fraktion die allgemeine Impfpflicht ablehnen, ist aus meiner Sicht völlig legitim. Viele in der FDP zögern in der Frage noch“, sagte Dürr.

Er selbst sei in der Frage auch noch unschlüssig. Hier fehlten ihm noch Antworten auf dringende Fragen.

Lesen Sie hier das ganze Interview:

Herr Dürr, im kommenden Jahr droht ein Impfstoffmangel. Wie optimistisch sind Sie, dass der Gesundheitsminister die zusätzlichen Impfstoffdosen, die er angekündigt hat, rechtzeitig erhält?
Mich hat die Meldung sehr überrascht, dass die alte Bundesregierung nicht ausreichend Impfstoff beschafft hat, um die Boosterkampagne nach vorn zu bringen. Ich bin Gesundheitsminister Lauterbach dankbar, dass er sich dessen nun annimmt. Und ich bin zuversichtlich, dass er den Mangel beseitigen wird. Wir wollen, dass das Impftempo nicht abreißt.

Sollte der Mangel weiter bestehen, hat sich dann auch eine mögliche allgemeine Impfpflicht erledigt?
Die Voraussetzung für eine Impfpflicht ist genügend Impfstoff. Das betrifft die allgemeine wie einrichtungsbezogene Impfpflicht gleichermaßen. Wenn wir nicht genügend Impfstoff haben, kann der Bund von niemandem verlangen, sich impfen zu lassen. Umso mehr ärgert mich das Versäumnis des früheren Gesundheitsministers. Denn wir haben eine gut laufende Impfkampagne. Es sind in der vergangenen Woche so viele Menschen geimpft worden wie noch nie.

Wie blicken Sie persönlich auf die allgemeine Impfpflicht? Die FDP ist hier uneinig.
Ich habe mich in dieser Frage noch nicht entschieden. Ich schaue mir auch Gruppenanträge aus allen Fraktionen dazu an. Noch vor einem halben Jahr haben alle Parteien gesagt, dass eine Impfpflicht nicht ansteht. Ja, die Impfung ist das zentrale Instrument. Und deswegen müssen wir uns anschauen, welche Wege es gibt.

FDP-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki hat mit 20 weiteren Abgeordneten einen Antrag gegen die Impfpflicht eingebracht. Haben Sie davon gewusst?
Ja, wir sprechen uns in dieser Frage natürlich ab. Dass Abgeordnete auch aus unserer Fraktion die allgemeine Impfpflicht ablehnen, ist aus meiner Sicht völlig legitim. Viele in der FDP zögern in der Frage noch. Es ist deswegen wichtig, dass wir im Parlament dazu eine transparente Debatte führen, die auch die Öffentlichkeit nachvollziehen kann. Dieses Vorgehen war schon bei anderen medizinethischen Themen wie der Organspende und Sterbehilfe erfolgreich. Da verbietet sich Parteipolitik. Hier muss jeder Abgeordnete nach seinem Gewissen entscheiden.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hat mit 20 weiteren Abgeordneten einen Antrag gegen die Impfpflicht eingebracht. Quelle: imago images/Political-Moments
Wolfgang Kubicki

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hat mit 20 weiteren Abgeordneten einen Antrag gegen die Impfpflicht eingebracht.

(Foto: imago images/Political-Moments)

Die Debatte wird allerdings schon eine Weile geführt. Erlaubt die Dringlichkeit der Coronakrise die Zeit, die sich die Ampelparteien für die Entscheidung nehmen?
Ja. Impfpflichten bringen keinen kurzfristigen, sondern einen mittelfristigen Effekt bei der Pandemiebekämpfung. Deswegen gehe ich davon aus, dass wir im Januar intensiv in die Entscheidungsfindung gehen. Dann beginnen auch die Expertenanhörungen, die für die Debatte sehr wichtig sind. Wann die Entscheidung schlussendlich fallen wird, ist aus meiner Sicht allerdings noch nicht klar.

Experten melden sich allerdings seit Monaten dazu zu Wort. Auch FDP-Chef Lindner tendiert zur Impfpflicht, die Mehrheit der Bevölkerung ist dafür. Wo sind Sie unschlüssig?
Unschlüssig bin ich etwa bei der Frage, wie oft nachgeimpft werden muss – und ob wir irgendwann in eine Situation kommen, in der ein Impfstoff einen dauerhaften Schutz ermöglicht. Reden wir von einer einmaligen Impfpflicht – oder einer mehrfachen? Und ab welchem Alter gilt sie? Diese – auch medizinischen – Fragen bilden die Grundlage für die politische Entscheidung. Und hier fehlen mir noch Antworten.

Kommt das Land Ihrer Meinung nach denn ohne Impfpflicht durch die Pandemie – auch mit Blick auf die neue Omikron-Variante?
Das kann man zurzeit schlicht nicht abschließend sagen. Auch hier brauchen wir mehr Erkenntnisse. Bei Omikron kommen die ja gerade. Am Anfang war die neue Variante eine hohe Gesundheitsgefahr, nun wird eher eine höhere Ansteckung befürchtet. Wir sind noch mitten im Lernprozess.

Grafik

Am Donnerstag stellte Finanzminister Lindner den Nachtragshaushalt in Höhe von 60 Milliarden Euro vor, er hat dafür Kreditermächtigungen für die Coronakrise in den Klima- und Transformationsfonds geschoben. Was halten Sie von solch kreativer Buchführung?
Solange wir im Notfallmechanismus der Schuldenbremse sind, muss das Ziel sein, diesen möglichst schnell zu beenden. Wir wollen 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten und die Haushaltsnotlage beenden. Und die Maßnahmen, die wir mit den Krediten finanzieren wollen, zahlen genau darauf ein – nämlich indem sie die Wirtschaft wieder in Gang bringen.

Die Unionsfraktion hat immerhin eine Verfassungsklage gegen die Pläne des Finanzministers angekündigt. Wie sehen Sie die Erfolgschancen?
Die Union müsste sich eigentlich selbst verklagen. Denn im letzten Jahr hat sie wie gesagt sogar zusätzlich Schulden aufgenommen, um diese dann in ein Sondervermögen zu stecken. Ich rate auch davon ab, die Schuldenbremse zu schleifen, um die Investitionen zu finanzieren, wie es die Union vorschlägt. Es wäre extrem schwer, das wieder rückgängig zu machen. Generell müssen unsere Maßnahmen darauf ausgerichtet sein, auf Wachstum zu setzen, um aus dem Schuldenmachen rauszukommen und den Steuerzahler nicht zusätzlich belasten zu müssen.

Weil Sie die Belastung ansprechen: Wird die Ampelkoalition die 40-Prozent-Garantie bei den Sozialversicherungsbeiträgen aufrechterhalten?
Hier kommt es ganz maßgeblich auf einen Faktor an: nämlich auf eine gezielte Einwanderungspolitik in den Arbeitsmarkt. Wir laufen auf eine dramatische demografische Situation zu, in der die Babyboomer in Rente gehen. Ohne eine deutliche Einwanderung von 400.000 Arbeitskräften pro Jahr werden wir die Sozialversicherungssysteme nicht stabilisieren können. Dann werden auch die Sozialversicherungsbeiträge wesentlich steigen. Das gilt es zu verhindern.

Eine Garantie aber wollen Sie nicht abgeben?
Wir wollen, dass die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbelastungen nicht weiter steigen. Das ist das Ziel. Und daran können Sie die Ampelregierung messen.

Mehr: Warum die Ampel in der EU-Finanzpolitik auf einen Balanceakt zusteuert

Startseite
Mehr zu: Interview - FDP-Fraktionschef Christian Dürr: „Ich bin unschlüssig bei der Impfpflicht“
3 Kommentare zu "Interview: FDP-Fraktionschef Christian Dürr: „Ich bin unschlüssig bei der Impfpflicht“"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Ob eine Impfpflicht wirklich eine Dauerlösung darstellt sollte im Parlament debattiert werden. Schließlich ist das Coronavirus ein RNA-Virus welches mehrfach pro Jahr mutiert. Die Polizei und Ordnungshüter sind jetzt schon maßlos überlastet, wie sollen sie das kontrollieren? Wer soll das bezahlen?

    Würde eine Impfempfehlung für Risikogruppen über die Wintermonate (wie es bei der Grippe der Fall ist) nicht auch ausreichen? Schließlich hatten über 70% der Corona-Toten die durchschnittliche Lebenserwartung bereits überschritten. Und warum wird bis heute eigentlich noch nicht unterschieden ob man mit oder an Corona gestorben ist? Oder anders gesagt, wie viele Personen haben sich im Krankenhaus bzw. Pflegeeinrichtungen angesteckt?


    Wie ist der langfristige Plan der Regierung? Sind die Maßnahmen noch verhältnismäßig? Oder werden die Statistiken bewusst verzerrt um politische Interessen durchzudrücken?

  • ...ist doch gut, wenn dies im Parlament debattiert wird und nicht in den Talkshows. Insofern alles gut...

  • Wenn man den Kubicki hört, kann man nur hoffen, dass die FDP bei den nächsten Wahlen an der 5%-Hürde scheitert. Der Freiheitsbegriff ist schon schräg, erinnert irgendwie an Trump. Meine Freiheit wird eher durch Quer-Dumpfer und Impfverweigerer eingeschränkt, als durch eine sinnvolle Impfpflicht. Schade um die FDP, eigentlich bräuchte Deutschland nichts dringlicher als eine vernehmbare liberale Stimme.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%