Interview Hausärzte-Chef Weigeldt: „Haben mit deutlich mehr Impfstoff von Biontech gerechnet“

„Wir sind mit den 35.000 Praxen sehr effizient und sehr schnell gestartet.“
Berlin Der Impfstart in den Hausarztpraxen hat zu einem sprunghaften Anstieg der Zahl der Impfungen geführt. Ulrich Weigeldt, Chef des Hausärzteverbands, spricht von einem „schnellen und effizienten“ Start – sagt aber auch: „Der bürokratische Aufwand muss geringer werden.“ Die mehrseitigen Aufklärungsbögen brauche es nicht.
Für Kritik sorgt die Verteilung der Impfstoffe auf die Praxen. In den ersten zwei Wochen werden sie mit dem Impfstoff von Biontech beliefert. Ab Mitte April gibt es etwa je zur Hälfte das Vakzin von Biontech und das Astra-Zeneca-Mittel, kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag an.
„Die Praxen haben mit deutlich mehr Impfstoff von Biontech gerechnet“, sagt Weigeldt. „Auf diesen Erwartungen haben einige bereits Impftermine bis in den Mai hinein vergeben.“ Dass Länder „nun scheinbar darauf pochen, Lieferengpässe vor allem den Hausarztpraxen aufzulasten“, sei unverantwortlich.
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Herr Weigeldt, seit rund einer Woche verabreichen auch Hausärzte das Corona-Vakzin. Sind wir beim Impfen nun auf einem guten Weg?
Wir sind mit den 35.000 Praxen sehr effizient und sehr schnell gestartet. Die Hausärzte haben am Mittwoch und Donnerstag bereits sehr deutlich gemacht, was möglich wäre – und das mit noch sehr geringen Mengen Impfstoff. Es gab einen wahren Ansturm auf die Praxen, die Belastung für die Mitarbeitenden war extrem hoch. Was den Stress aufgewogen hat, waren die vielen glücklichen Patienten.
Einige Hausärzte klagen über zu viel Bürokratie beim Impfen. Was muss besser laufen?
Der bürokratische Aufwand für jede Impfung muss tatsächlich geringer werden. Hier muss dringend nachgebessert werden. Es sollte zum Beispiel keine mehrseitigen Aufklärungsbögen brauchen – die Aufklärung passiert in den Praxen sowieso. So ist es auch bei anderen Impfungen. Ich halte es für notwendig, dass das Bundesgesundheitsministerium hier entsprechend nachbessert.

Impfung bei der Hausärztin: „Wir brauchen alle zugelassenen Impfstofftypen in den Praxen!“
Ab Mitte April sollen die Hausarztpraxen jeweils zur Hälfte den Impfstoff von Astra-Zeneca und Biontech erhalten. Hat Sie diese Ankündigung überrascht?
Die Praxen haben mit deutlich mehr Impfstoff von Biontech gerechnet. Auf diesen Erwartungen haben einige bereits Impftermine bis in den Mai hinein vergeben. Dass Länder nun scheinbar darauf pochen, Lieferengpässe vor allem den Hausarztpraxen aufzulasten, halte ich für unverantwortlich. Die Impfzentren sind ohnehin privilegiert, da sie bei geringen Impfstoffmengen mehr Impfstoff erhalten.
Hinzu kommt, dass Patienten aufgrund der wechselnden Stiko-Empfehlungen viel intensiver über Astra-Zeneca beraten werden müssen. Sie sind maximal verunsichert. Klar kann das ein anonymes Impfzentrum kaum auffangen. Dennoch darf es nicht passieren, dass zukünftig der erhöhte Beratungsbedarf allein den Hausarztpraxen aufgebürdet wird. Dafür habe ich kein Verständnis mehr. Wir brauchen alle zugelassenen Impfstofftypen in den Praxen!
Braucht es die Impfzentren gar nicht?
Doch, diese Einrichtungen können beispielsweise auch über die Feiertage impfen. Das haben wir über Ostern gesehen. Ich gehe aber davon aus, dass sie nach und nach nicht mehr gebraucht werden. Die Patienten werden eine Impfung bei ihrem Hausarzt bevorzugen. Es ist deswegen auch höchste Zeit, dass die Praxen mehr Impfstoff erhalten als bislang geplant.
Einige Bundesländer haben sich den russischen Impfstoff Sputnik V bereits gesichert. Kann er die Impfkampagne voranbringen?
Wenn der Impfstoff von der europäischen Arzneimittelbehörde Ema zugelassen wird, dann werden wir Sputnik V selbstverständlich auch in den Arztpraxen verimpfen. Das oberste Ziel ist, möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit zu immunisieren, statt ständig neue Lockdowns zu beschließen. Sputnik V würde uns deswegen – wie jeder zugelassene Impfstoff – voranbringen.
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