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Interview Ministerpräsident Bouffier: „Armin Laschet regiert erfolgreich – und zwar nicht Legoland“

Der CDU-Vize Volker Bouffier wirft der SPD vor, sich hinter Scholz zu verstecken. In der Corona-Politik will der hessische Ministerpräsident weitere Einschränkungen für Ungeimpfte.
13.09.2021 - 18:22 Uhr Kommentieren
Der hessische Ministerpräsident ruft die Union zu einer harten Auseinandersetzung mit der SPD im Wahlkampfendspurt auf. Quelle: dpa
Volker Bouffier

Der hessische Ministerpräsident ruft die Union zu einer harten Auseinandersetzung mit der SPD im Wahlkampfendspurt auf.

(Foto: dpa)

Nach dem TV-Triell gibt es aus der Union Lob und Unterstützung für den Kanzlerkandidaten. „Armin Laschet war überzeugend, beherzt und hat gezeigt, dass der Trend für die CDU zunimmt und die Wahl noch nicht entschieden ist“, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier dem Handelsblatt. „Es wird ein beinharter Schlussspurt, keine Frage.“

Die Union versucht in den verbleibenden zwei Wochen, die Stimmung mit Attacken gegen SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zu drehen. Bouffier kritisierte die SPD, sich im Wahlkampf hinter ihrem Kanzlerkandidaten zu verstecken. „Hinter Scholz steht die SPD. Was meinen Sie, warum die gesamte Partei schweigt?“, sagte Bouffier.

Scholz verweigere die inhaltliche Debatte und tue so, als stünde er für ein Weiter-so, sagte Bouffier. „Die Parteitagsbeschlüsse der SPD weisen in eine andere Richtung.“ Den Hinweis von SPD-Chefin Saskia Esken, der Kanzler bestimme die politische Richtung und nicht die Partei, bezeichnete der dienstälteste Ministerpräsident der Republik als „Märchen“, das ihr niemand abkaufe.

Neben dem Wahlkampf treiben den hessischen Ministerpräsidenten die Corona-Pandemie und eine mögliche vierte Welle um. Bouffier plädiert dafür, die Rechte von Ungeimpften einzuschränken. Er mahnte „eine bundeseinheitliche Regelung“ an, damit in Quarantäne befindliche ungeimpfte Arbeitnehmer keine Lohnfortzahlung mehr erhalten.

„Klar ist: Es gibt nur eine Entschädigung, wenn es für den Betroffenen unvermeidbar war. So steht es bereits im Gesetz. Ich will das nicht überstürzen, aber dem Grundgedanken stimme ich zu“, sagte Bouffier. Im öffentlichen Bereich, wo ein Zugang für alle nötig ist, soll laut Bouffier ein Schnelltest nicht mehr genügen. Er gehe davon aus, dass „ein PCR-Test nötig sein wird“, sagte Bouffier.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Ministerpräsident, die Union hofft auf eine Trendwende. Dazu sollte auch das TV-Triell am Sonntagabend beitragen. Ist es aus Ihrer Sicht gut für Armin Laschet gelaufen?
Armin Laschet war sehr kämpferisch, und er hat Olaf Scholz erheblich in Bedrängnis gebracht. Dieser hat erneut versucht, sich aus der Verantwortung zu stehlen, aber Armin Laschet hat ihm das nicht durchgehen lassen. Er hat auch die richtigen Themen angesprochen, die für unsere Zukunft wichtig sind. Armin Laschet war überzeugend, beherzt und hat gezeigt, dass der Trend für die CDU zunimmt und die Wahl noch nicht entschieden ist.

Sie haben sich im April zusammen mit Wolfgang Schäuble sehr für Armin Laschet als Kanzlerkandidaten starkgemacht. Dann ging es in den Umfragen für die Union bergab. Haben Sie auf den Falschen gesetzt?
Es ist müßig, wenige Tage vor der Bundestagswahl solche Fragen zu diskutieren. Wir müssen jetzt alle zusammen kämpfen. Und damit meine ich: alle. Wir müssen den Menschen klarmachen, dass sie Parteien und deren Inhalte wählen, und dieser Wahlkampf ist bisher weitgehend am Inhalt vorbeigegangen. Armin Laschet ist der richtige Mann fürs Kanzleramt: als Politiker und als Mensch – und weil er für die richtigen Inhalte steht.

Aber die Zustimmungswerte für Herrn Laschet sind so schlecht wie vermutlich noch nie bei einem Kanzlerkandidaten der Union. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Bis Mitte Juli hatten wir eine gute Situation. Ich will nicht herumreden: Derzeit ist es sehr schwierig. Aber die Lage ist auch ungerecht: SPD-Kandidat Olaf Scholz verweigert jegliche Diskussionen. Er sagt allenfalls: „Die Bundeskanzlerin und ich ...“ Es soll kein Weiter-so geben, und doch vermittelt er, das Weiter-so zu sein. Nein, darauf fallen die Menschen nicht herein.

Offenbar trauen die Menschen Scholz mehr zu als Laschet.
Armin Laschet regiert erfolgreich – und zwar nicht Legoland, sondern das größte Bundesland Deutschlands. Deshalb: Wir bewahren Haltung und reden jetzt darüber, worum es bei dieser Wahl geht. Hinter Scholz steht die SPD. Was meinen Sie, warum die gesamte Partei schweigt? Helmut Schmidt ist nicht am Wähler gescheitert, sondern an seiner Partei. Gerhard Schröder ist gescheitert an seiner Partei.

SPD-Chefin Saskia Esken sagt, Olaf Scholz bestimme die politische Linie, nicht die Partei.
Wer bitte schön soll ihr das Märchen abkaufen? Die Parteitagsbeschlüsse der SPD weisen in eine andere Richtung. Jeder, der das Kanzleramt bezieht, muss in den Grundfragen mit seiner Partei übereinstimmen. Stimmen beide nicht überein, dann ist alles über kurz oder lang nur noch ein mühsamer Kompromiss und zum Scheitern verurteilt.

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Und nun scheitert Armin Laschet an seiner Partei?
Nein, Armin scheitert ganz und gar nicht an seiner Partei. Wir haben eine Situation, wie es sie noch nie gab: Wir haben 16 Jahre regiert, die Amtsinhaberin hört auf, und wir müssen das Kunststück schaffen, die erfolgreiche Vergangenheit zu würdigen und zugleich für einen Aufbruch zu stehen – und das alles nach zwei Jahren, in denen die Partei mühsam den Parteivorsitzenden finden musste und wir uns mit der CSU über die Kanzlerkandidatur verständigen mussten.

„Die Leute wollen keine linke Regierung“

Wie ist die Stimmung bei Ihnen an den Wahlständen?
Die Menschen trauen der Union am ehesten zu, die Probleme zu lösen. Die Leute wollen keine linke Regierung. Deswegen eiern die Kollegen von der SPD so. Es wird ein beinharter Schlussspurt, keine Frage. Aber ich bin optimistisch, dass das Ergebnis am Wahltag ein anderes sein wird als in den bisherigen Umfragen.

Nämlich welches?
Eine Union, die die meisten Stimmen auf sich vereint. Wir wollen stärkste Kraft werden.

Jetzt wird betont, dass Sie keine Steuern erhöhen wollen, Klimaschutz mit Arbeitsplätzen verbinden – und all die anderen Punkte, die Sie von einer linken Regierung unterscheiden. Womit wollen Sie dieser Tage noch punkten?
Wir müssen doch nur die Realität betrachten: Olaf Scholz hat seit Wochen eine Vorlage auf seinem Schreibtisch liegen, damit wir die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen beschützen können. Er macht einfach nichts. Das ist nur eines von vielen Beispielen.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident kämpft um die Kanzlerschaft. Quelle: imago images/Jürgen Heinrich
Armin Laschet

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident kämpft um die Kanzlerschaft.

(Foto: imago images/Jürgen Heinrich)

Wie hält es denn die Union mit der Finanz- und Steuerpolitik?
Es gelten zwei Grundsätze: Wir wollen unsere Politik des Haushalts ohne neue Schulden fortsetzen. Allein das unterscheidet uns von den anderen. Und: Wir wollen Schwerpunkte setzen. Wir wollen Familien mit Kindern entlasten und den Soli komplett abschaffen.

Ist dies angesichts der enormen Schuldenlast aus der Corona-Pandemie zu finanzieren?
Ja, das glaube ich. Die Pandemie ist nicht vorbei und hat weitreichende Folgen. Wir können jetzt den Menschen Zuversicht geben, dass wir mit Innovationen, mit Risikobereitschaft und neuen Technologien stark aus der Krise herauskommen. Oder wir erklären ihnen, dass wir jeden Erfolg nach der Krise höher besteuern und Familien belasten, indem wir das Ehegattensplitting abschaffen. Die Union hat sich eindeutig entschieden: für die erste Idee. Ich möchte daran erinnern, dass wir auch die Finanzkrise ohne Steuererhöhungen überwunden haben.

„Infrastruktur ist der Schlüssel für unsere Zukunft“

Aber die Herausforderungen werden vermutlich dieser Tage größere sein, Stichwort Energie- und Klimapolitik. Wie soll der Umstieg denn finanziert werden?
Ganz wichtig ist es, dass wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz abschaffen. Es behindert viele, die investieren wollen, macht die Energiewende unnötig teuer und ist aus ökologischer Sicht auch verfehlt.

Nicht nur bei der Energiewende geht es schleppend voran, auch im Verkehrsbereich. Woran liegt das?
Wenn wir eine Verkehrswende wollen, gleichzeitig aber 31 Jahre für ein Meter neues Gleis brauchen, dann können wir die Diskussion beenden. Wir müssen auch Strom von Nord nach Süd bringen; dazu brauchen wir Leitungen. Die Union hat den Mut, die Planungsverfahren zu beschleunigen und etwa Einsprüche nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zuzulassen, aber SPD und Grüne sagen: Nein. Dabei ist die Infrastruktur der Schlüssel für unsere Zukunft.

Laut Klimagesetz müssen die Ziele aber umgehend erreicht werden. Müssen dann die Preise für Benzin steigen?
Dann würden wir Arbeitsplätze und Wohlstand verraten. Wir müssen beides zusammenbringen. Klimaschutz ja, bei Erhalt der Arbeitsplätze und des Wohlstands. Nur so haben wir eine Chance. Die Menschen werden nicht mitmachen, wenn Sie ihnen das Autofahren oder das Fliegen verbieten. Wir müssen alle Kraft darauf verwenden, Innovationen zu fördern und beispielsweise CO2-freie Kraftstoffe zu entwickeln.

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Warum spielt in diesem Wahlkampf eigentlich die Coronakrise keine Rolle?
Corona beschäftigt die Menschen viel mehr, als es der Wahlkampf vermuten lässt. Die Krise greift in alle Lebensbereiche ein. Wir als Länder müssen nach dem Infektionsgesetz alle vier Wochen neue Verordnungen beschließen, wie es weitergeht im Altenheim, beim Friseur, in den Vereinen, in der Schule. Das sind die Themen, die die Menschen beschäftigen; sie sind nicht parteipolitisch aufgehängt.

Aber die Menschen wollen doch wissen, wie eine Partei es mit den Ungeimpften hält und wer welche Konzepte etwa für Schulen hat.
Ja, natürlich. Die 3G-Regelung muss überall dort gelten, wo der Zugang für alle nötig ist, also im öffentlichen Bereich. Ich gehe davon aus, dass der Schnelltest künftig nicht ausreichen wird, sondern ein PCR-Test nötig sein wird. Private Unternehmen können heute schon sagen: Ungeimpfte kommen nicht in mein Geschäft. Wer sich nicht impft, muss das akzeptieren. Es bleibt nur noch die Frage übrig: Wie wird das ausgestaltet? Darüber diskutieren wir.

Die Frage ist, ob er es wirklich muss. Obendrein ist nun im Gespräch, Ungeimpften in Quarantäne die Lohnfortzahlung zu verwehren. Ist das nicht Ausgrenzung?
Ich halte nichts von Stigmatisierung. Aber die eigene Freiheit endet da, wo die Freiheit anderer eingeschränkt wird.

Die Geimpften sind doch frei.
Der Staat tut gut daran, die Freiheit nur dort einzugrenzen, wo es nicht anders geht. Aber es kann uns nicht egal sein, wenn jemand andere anstecken könnte. Die Pandemie ist nicht vorbei. Wir müssen angemessen handeln. Wir stigmatisieren niemanden. Wie gesagt: Wir leben in einer freiheitlichen Gesellschaft. Der Staat vergibt keine Freiheitsrechte, die Menschen haben sie. Wenn wir solche Freiheiten einschränken, dann nur, um andere zu schützen. Das muss jeder, der sich nicht impfen lassen will, akzeptieren. Es kann nicht umgekehrt sein, dass sich alle nach seinem Gusto richten.

Und was ist mit der Lohnfortzahlung?
Was die Lohnfortzahlung angeht: Ich wünsche mir eine bundeseinheitliche Regelung. Klar ist: Es gibt nur eine Entschädigung, wenn es für den Betroffenen unvermeidbar war. So steht es bereits im Gesetz. Ich will das nicht überstürzen, aber dem Grundgedanken stimme ich zu.

Also werden wir sobald keinen „Freedom Day“ haben und wissen: Die Pandemie ist vorbei?
Die ehrliche Antwort ist: Niemand weiß, wie sich die Dinge genau entwickeln. Im Vergleich zum vergangenen Jahr haben wir aber eine viel bessere Lage: Wir haben Medikamente, Impfstoff und viele Geimpfte. Ab einer bestimmten Impfquote werden wir keine Einschränkungen mehr benötigen. Wann dies sein wird, weiß ich nicht. Corona verschwindet nicht. Deshalb kann ich hier nur zum Impfen aufrufen. Das ist das beste Mittel, um Corona einzudämmen. Aber einen Lockdown wird es nicht mehr geben.

Herr Bouffier, vielen Dank für das Interview.

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