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Interview Staatsrechtler Degenhart: „Halte eine allgemeine Impfpflicht für zwingend“

Die Alternative zur allgemeinen Impfpflicht wäre der Totallockdown, meint der Staatsrechtler Christoph Degenhart. Der müsse aber das allerletzte Mittel sein.
24.11.2021 - 12:02 Uhr 2 Kommentare
Der Leipziger Staatsrechtler plädiert für eine allgemeine Corona-Impfpflicht. Quelle: Nicola Quarz
Christoph Degenhart

Der Leipziger Staatsrechtler plädiert für eine allgemeine Corona-Impfpflicht.

(Foto: Nicola Quarz)

Berlin Der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart hat die Forderungen mehrerer Bundesländer nach einer allgemeinen Impfpflicht begrüßt. „Angesichts der Entwicklung der vergangenen Wochen, der Entwicklung der vierten Welle und des Verhaltens der Impfgegner halte ich eine allgemeine Impfpflicht unter den gegebenen Bedingungen für verhältnismäßig“, sagte Degenhart dem Handelsblatt.

Die berufsbezogene Impfpflicht, auf die sich Bund und Länder auf ihrem Coronagipfel am vergangenen Donnerstag geeinigt hatten, könne nur der „erste Schritt“ sein. „Damit stellen sich allerdings auch Fragen, die die Maßnahme angreifbar machen“, sagte Degenhart. So kämen ältere Menschen in ihrem Alltag ja nicht nur mit medizinischem Personal in Kontakt, sondern auch mit Verkäufern oder Mitfahrern im öffentlichen Nahverkehr. „Im Sinne der Gleichbehandlung und der Effektivität halte ich deswegen eine allgemeine Impfpflicht für zwingend“, sagte der Staatsrechtler.

Die Maßnahme mit körperlichem Zwang durchzusetzen hält er allerdings für verfassungswidrig. Auch Kinder sollten vorerst nicht unter die Impfpflicht fallen, wenn die Impfung für Menschen ab fünf Jahren in den kommenden Wochen zugelassen werde.

Lesen Sie hier das ganze Interview:

Herr Degenhart, halten Sie eine allgemeine Impfpflicht für verhältnismäßig?
Ich war mir zunächst nicht sicher, ob eine allgemeine Impfpflicht verfassungskonform wäre, insbesondere verhältnismäßig. Angesichts der Entwicklung der vergangenen Wochen, der Entwicklung der vierten Welle und des Verhaltens der Impfgegner halte ich eine allgemeine Impfpflicht unter den gegebenen Bedingungen für verhältnismäßig.

Kritiker verweisen darauf, dass die allgemeine Impfpflicht nicht mit den Grund- und Freiheitsrechten vereinbar sei.
Der Grundrechtseingriff ist dann gerechtfertigt, wenn er verhältnismäßig ist und der Zweck nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann. Diese milderen Mittel haben sich ja offensichtlich nicht als wirksam erwiesen. Nun bedeutet die geringe Impfquote aber eine so drastische Gefährdung, dass ich den Eingriff für verhältnismäßig halte. Eine allgemeine Impfpflicht ist auch verhältnismäßiger als ein Totallockdown, der die Alternative darstellen würde. Der muss wirklich das letzte Mittel sein.

Bund und Länder haben sich immerhin zu einer berufsbezogenen Impfpflicht durchgerungen, die nun die Ampel umsetzen muss. Reicht das nicht?
Die berufsbezogenen Impfpflicht ist ein sinnvoller erster Schritt. Damit stellen sich allerdings auch Fragen, die die Maßnahme angreifbar machen. Der Zuschnitt auf medizinische Berufe mag auf den ersten Blick einleuchten, um besonders ältere und gefährdete Menschen zu schützen. Aber wo zieht man die Grenze? Ältere Menschen kommen in ihrem Alltag ja nicht nur mit medizinischem Personal in Kontakt, sondern auch mit Verkäufern oder Mitfahrern im öffentlichen Nahverkehr. Im Sinne der Gleichbehandlung und der Effektivität halte ich deswegen eine allgemeine Impfpflicht für zwingend.

Kritiker der allgemeinen Impfpflicht weisen auch darauf hin, dass die Maßnahme nur schwer zu kontrollieren sei.
Die allgemeine Impfpflicht mit körperlichem Zwang durchzusetzen wäre verfassungswidrig. Polizeilicher Zwang wie etwa bei einer Blutprobe von Autofahrern wäre ein zu starken Eingriff in den persönlichen Bereich. Wer sich allerdings nicht an die Impfpflicht hält, muss Nachteile erfahren. Nehmen wir den einfachen Fall eines Lehrers oder Krankenpflegers, der sich partout nicht impfen lassen will. Er dürfte bei einer bestehenden Impfpflicht seinen Beruf nicht mehr ausüben. Das Gleiche gilt in weiteren Branchen. Eine Impfpflicht würde schlicht Rechtssicherheit schaffen, was den Status der Ungeimpften betrifft.

Sollte die Impfpflicht auch für Kinder gelten, sobald der Impfstoff ab fünf Jahren zugelassen und von der Stiko empfohlen wird?
Das ist eine schwierige Frage. Einerseits gibt es bereits eine Impfpflicht für Kinder, nämlich bei den Masern. Die dürfen ungeimpft nicht in die Kita. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es für die Wirkungen bei Kindern schon genügend gesicherte Erkenntnisse gibt. Insofern plädiere ich dafür, die allgemeine Impfpflicht nur für Erwachsene umzusetzen, die für sich selbst verantwortlich sind.

Wie ließe sich die allgemeine Impfpflicht rechtlich umsetzen?
Der Bundestag müsste dies durch Gesetz regeln, etwa durch eine Änderungen am Infektionsschutzgesetz. Dies müsste kurzfristig erfolgen. Ich halte es für wichtig, dass wir die Debatte jetzt führen. Denn es dauert nicht nur, bis die Maßnahme umgesetzt wird, sondern auch, bis sie ihre Wirkung entfaltet.

Mehr: Ist eine Impfpflicht rechtlich zulässig?

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2 Kommentare zu "Interview: Staatsrechtler Degenhart: „Halte eine allgemeine Impfpflicht für zwingend“"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Die Verschwörungstheoretiker machen jetzt noch ein paar Rückzugsgefechte, aber die Richtung ist klar.

    Es wird eine allgemeine Impflicht geben, um einen Totallockdown (der mit Polizei und Militär durchgesetzt wird, wie in Portugal Ende 2020) verhindert wird.

  • Natürlich.

    Erst der Poltiker, dann die Medien - jetzt kriechen die vermeintlich legitimierenden "Experten" aus den Löchern und wollen uns ein "schon easy machbar" vermitteln.

    Nix da.

    Zwang und Pflicht für eine verordnete Verletzung der körperlichen Unversertheit wurde nach 1945 ganz bewusst mit dem Nürnberger Kodex für die Welt und für alle Zeit verbannt!

    Und wir als Gesellschaft müssen hier aufpassen, dass die machtversessenen Söders dieser Welt dann auch ihr NIX DA hören. Weil diese Gestalten letztlich in ihrem egomanischen Rausch uferlos geiern wollen nach Macht, Macht, Macht, Macht, Macht...

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