IT-Ausstattung Coronakrise sorgt für Digitalisierungsschub in den Bundesministerien

Der Innenminister mit Smartphone: Für die einzelnen Bundesministerien wurden im Corona-Jahr 2020 deutlich mehr mobile internetfähige Geräte angeschafft, als im Vorjahr.
Berlin Deutschland gehört bislang nicht zu den Vorreitern bei der Umstellung auf digitale Technologien. Mit der Corona-Pandemie hat sich das geändert. In fast allen Lebensbereichen gab es einen Digitalisierungsschub. Selbst die Bundesregierung hat digital aufgerüstet.
Das zeigt eine Übersicht des Bundesinnenministeriums zur Anschaffung mobiler internetfähiger Geräte wie Notebooks, Tablets oder Smartphones für einzelne Bundesministerien. Laut dem Dokument, das dem Handelsblatt vorliegt, wurden für die Ministerien im vergangenen Jahr 20.825 Geräte angeschafft. Dies entspricht einem deutlichen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr von 86 Prozent.
Den stärksten Zuwachs verzeichnet mit 1332 Geräten das Umweltministerium (ein Plus von 505 Prozent im Vergleich zu 2019), gefolgt vom Gesundheitsministerium mit 1094 Geräten (ein Plus von 350 Prozent im Vergleich zu 2019) und dem Finanzministerium mit 1672 Geräten (ein Plus von 319 Prozent im Vergleich zu 2019).
Nahezu gleich fällt der prozentuale Anstieg der Anschaffungen im Vergleich zum Vorjahr (plus 200 Prozent) beim Auswärtigen Amt, dem Arbeits- und dem Verkehrsministerium aus. Einen vergleichsweise geringen Zuwachs an Geräten (plus 41 Prozent) gab es im Justizministerium. Zurück gingen dagegen die Investitionen in IT-Ausstattung im Familienministerium (minus 68 Prozent), im Verteidigungsministerium (minus 67 Prozent) und im Innenministerium (minus 27 Prozent).
Der FDP-Gesundheitspolitiker Wieland Schinnenburg, der die Übersicht angefordert hat, wertet die Zahlen als Beleg für die Defizite bei der Digitalisierung von Bundesministerien. „Insbesondere Gesundheitsminister Spahn, der für sich selbst in Anspruch nimmt, die Digitalisierung im Gesundheitsbereich voranzutreiben, hatte in seinem Ministerium fast den größten Nachholbedarf“, sagte Schinnenburg dem Handelsblatt. „Ich fordere die Bundesregierung auf, die Digitalisierung endlich auch in den Ministerien umzusetzen, damit die Regierung bei Krisen handlungsfähig bleibt.“
Viele Ministeriumsmitarbeiter arbeiten im Homeoffice
Immerhin geht die Bundesregierung beim Arbeiten im Homeoffice mit gutem Beispiel voran. In vielen Ministerien in Berlin sind in den Gebäuden kaum noch Beamte oder Angestellte anzutreffen. Entsprechend hoch ist die Homeoffice-Quote.
„Von den 24.000 Beschäftigten in den 14 Bundesministerien arbeiten zum aktuellen Zeitpunkt zwischen 70 Prozent und 95 Prozent im Homeoffice“, teilte kürzlich Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Johannes Vogel mit. Das mobile Arbeiten sei fester Bestandteil der Arbeitsstrukturen in den Bundesministerien und werde den Beschäftigten, deren Aufgaben es zulassen, in verschiedenen Modellen ermöglicht.
Im Umweltministerium von Svenja Schulze (SPD) gilt aktuell „eine maximale Präsenzreduzierung“, wie ein Sprecher sagte. Von den 1187 Beschäftigten könnten mehr als 80 Prozent von zu Hause aus arbeiten. Vor der Pandemie seien es maximal 15 Prozent gewesen. Ähnlich sieht es in anderen Häusern aus.
Einem Bericht der „Welt am Sonntag“ zufolge ist die Homeoffice-Quote in Stadtverwaltungen und auch bei anderen Bundesbehörden deutlich schlechter. Eine Umfrage bei 14 großen Städten und 16 Bundesbehörden habe ergeben, „dass dort teilweise weniger als die Hälfte der Mitarbeiter im Innendienst von zu Hause aus arbeiten kann“, berichtete die Zeitung.
Wirtschaft fordert mehr Tempo bei der Digitalisierung in Behörden
Die befragten Bundesbehörden seien dabei insgesamt etwas besser aufgestellt, doch auch dort gebe es Ausreißer. Konkret genannt wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, „wo 45 Prozent der Mitarbeiter derzeit von zu Hause arbeiten können“.
Als Gründe für die Umsetzungsprobleme gaben die Verwaltungen und Behörden laut der Zeitung überwiegend an, erst kürzlich Arbeitsgeräte wie Laptops und Server bestellt zu haben und nun vor Lieferengpässen zu stehen. Zudem seien viele Akten nach wie vor nicht digitalisiert.
Die deutsche Industrie verlangte deutlich mehr Tempo bei der Digitalisierung in Behörden. Es müsse einen „radikalen Wandel in der deutschen Amtsstube“ geben, heißt es in einem am Montag vorgelegten Positionspapier des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).
Die Corona-Pandemie habe die bestehenden großen Defizite mehr als deutlich werden lassen. „Behörden waren nur unzureichend vorbereitet und in weiten Teilen völlig ungenügend digital fit.“ Deutschland sei mit Blick auf seine digitale Verwaltung im EU-Vergleich weit abgeschlagen.
„Die Politik muss die Weichen schnellstmöglich stellen und Hindernisse aus dem Weg räumen“, mahnte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Dies betreffe jede Art von Verwaltungsprozessen, von Schulen über das Meldewesen bis zu Terminvergaben und Impfpässen.
Konsequentes E-Government sei Voraussetzung für einen wettbewerbsfähigen Standort im 21. Jahrhundert. Die zunehmende Kluft zwischen öffentlicher und privater digitaler Ausstattung werde zum ernsthaften Standortproblem. Auch für die Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung sei das eine Zumutung.
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