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Jörg Kukies Von Goldman Sachs ins Finanzministerium: Grenzgänger im Bankenchaos

Vor einem Jahr wechselte Jörg Kukies von der US-Investmentbank in die Politik. Nun verblassen die Erfolge des umstrittenen Staatssekretärs. Schuld daran sind alte Konkurrenten.
11.04.2019 - 06:11 Uhr Kommentieren
Jörg Kukies: Grenzgänger im Bankenchaos Quelle: imago/tagesspiegel
Jörg Kukies

Die Banken müssten generell bei Fusionen die Entscheidungen selbst treffen.

(Foto: imago/tagesspiegel)

München Das Thema verfolgt ihn. Es verfolgt ihn bis in ein altes Pariser Palais in der feinen Rue Faubourg Saint-Honoré, bis hinein in einen „Finanzgipfel“ der Netz-Zeitung „Politico“ an einem Februar-Tag. „Money“ von Pink Floyd dröhnt eingangs, und nach 30 Minuten präsentiert der Moderator den Gast aus Deutschland als „einen der mächtigsten politischen Entscheider“ – um dann nach diesem verflixten Thema zu fragen, der Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank.

„Deutsche Commerz“, lächelt Jörg Kukies, „nice try“. Er könne dazu natürlich nichts sagen. Aber er sagt dann doch, dass der Bankenmarkt Europas total fragmentiert und der Marktanteil der Top 25 sehr klein sei, anders als in der Industrie. Die französische Kollegin des deutschen Finanzstaatssekretärs spricht unverblümt von „Anpassungen an die Globalisierung“ und dass man im 21. Jahrhundert ankommen müsse. Kukies lächelt dezent.

Wo immer Deutschlands bekanntester, in Finanzdingen versiertester und auch umstrittenster Staatssekretär in diesen Tagen hinkommt, ist das Thema „Deutsche Commerz“ schon da. Genau ein Jahr nach seinem spektakulären Wechsel von der Spitze der Bank Goldman Sachs Europe SE in die Bundesregierung wird Jörg Kukies bei vielen mit diesem möglichen Deal aus seinem früheren Arbeitsgebiet verbunden.

Seine Erfolge in Brüssel rund um die Bankenunion oder ungeahnte Vorstöße für eine nachhaltige Finanzpolitik („Green Finance“) stehen weniger in der Öffentlichkeit als der Fusionsfall, das Wunschprojekt seines Dienstherrn und Parteifreunds Olaf Scholz. Der Sozialdemokrat will, auch mit Industriepolitik, vom Finanzminister zum Kanzler aufsteigen. Was aber will Jörg Kukies?

I. Der Mann aus Zimmer 3251

Ortstermin im Ministerium. Berlin, Wilhelmstraße. Vor dem Gitter erläutern Touristen-Guides im Viertelstundentakt jungen Zuhörern auf Englisch, dass hier, im einstigen NS-Luftfahrtministerium, Hermann Göring den Bombenkrieg dirigierte, dass hier in der DDR das Haus der Ministerien saß und nach der Wende die Treuhandanstalt. Und dass die Flure insgesamt fast sieben Kilometer lang sind, drei Paternoster laufen und es 2 100 Räume gibt.

In Zimmer 3 251 sitzt Jörg Kukies, beamteter Staatssekretär, zuständig für Europa und Finanzmarktpolitik. Das Büro vermittelt auch nach zwölf Dienstmonaten nichts Persönliches. Verloren steht eine mit Schleifchen in Zellophan verpackte Sektflasche auf dem Schreibtisch, Relikt seines 51. Geburtstags vor einigen Wochen.

Immerhin: Zwei zeitgenössische Bilder will der Hausherr demnächst aus dem eigenen Heim in Bad Homburg v. d. Höhe mitbringen sowie ein von allen Spielern signiertes Trikot des Fußballklubs Mainz 05. Das Textil hat der Vereinspräsident dem gebürtigen Mainzer zur Hochzeit vermacht. Kukies hat vier Dauerkarten, verpasst kaum ein Heimspiel und nimmt Freunde sowie die fünfjährige Tochter mit ins Stadion.

Bilanziert man all die Gespräche mit ihm, bleibt die Erkenntnis, dass es dem Millionär jetzt angesichts von 170.000 Euro Jahreseinkommen nicht aufs Geld ankommt, sondern auf Gestaltung, auch auf Geltung. Es geht ihm um das „bigger picture“, das große Bild. „Mir ist es wichtig, den Finanzplatz Deutschland zu stärken“, sagt er und nennt Versicherungen im Rheinland, Asset-Manager in München, Fintechs in Berlin. Der Brexit eröffne die Chance, Bankgeschäfte nach Frankfurt zu holen.

Kukies‘ Wunschbild ist das eines Verantwortungsethikers mit Gesinnung. Einer, der wieder zum Homo politicus wird, aber Homo oeconomicus bleibt. „Für Fragen der Finanzmarktregulierung habe ich mich schon bei Goldman Sachs interessiert. In New York musste ich oft erklären, wie die Europäer und insbesondere die Deutschen ticken.“

In der Tat führt eine breite Überzeugungsspur durch sein Leben. In jungen Jahren Schülermitverwaltung in Mainz, Proteste gegen längeren Zivildienst und gegen Apartheid in Südafrika, 1986 SPD-Ortsverein Mainz-Altstadt, als Juso-Chef von Rheinland-Pfalz Vorgänger von Andrea Nahles. Auch später, nachdem Kukies in Mainz, Paris, Harvard und Chicago studiert hatte und 2000 zu Goldman Sachs gestoßen war, redete der Finanzmann weiter in vertrauten Runden mit Spitzengenossen.

 Im Leben des promovierten Volkswirts kommt ein konzentrischer Kreis zum anderen, er addiert Milieus, ohne Altes zu verstoßen. „Authentisch bleiben“ ist seine Devise. Er hofft, sich in zwölf Monaten Politik nicht sehr verändert zu haben, habe aber kapiert, „welche große Rolle in der Politik bei aller Professionalität auch das Persönliche spielt“. 

Dieses Spiel läuft nach seinem Motto: „Man ist entweder ,rule setter‘ oder ,rule taker‘.“ Einer wie Kukies setzt lieber Regeln, als sich über sie zu ärgern. In einem mehrstündigen Gespräch Anfang 2018 legte er mit Vizekanzler Scholz seine Agenda fest. Kukies sollte beispielsweise erreichen, dass der European Stability Mechanism (ESM) beim EU-Abwicklungsfonds Nothilfe leisten darf – das hat er bereits erreicht.

Eine weitere Aufgabe ist die Ertüchtigung der Patienten Deutsche Bank und Commerzbank – daran arbeitet er noch. Europapolitisch sei in einem Jahr einiges erreicht worden, resümiert Kukies. Rund um die Kapitalmarktunion elf Gesetze auf den Weg gebracht, die Bankenunion sowie die Wirtschafts- und Währungsunion vertieft, das ist seine Bilanz.

Deutschland werde als Mittler zwischen Frankreich und den Niederlanden nicht mehr als „Bremser“ wahrgenommen. „Das Glas ist wirklich halb voll. Und das Schöne ist: Es wird immer voller.“

II. Zwischen Fachmann und Spieler

Szenenwechsel, Berlin-Schöneberg. Einige Kilometer entfernt vom alten Göring-Bau residiert in einem Altbau, Hochparterre, Gerhard Schick, bis Ende 2018 im Bundestag finanzpolitischer Sprecher der Grünen. Heute baut er die „Bürgerbewegung Finanzwende“ auf, gegen Big Finance.

Angesprochen auf die Kukies-Bilanz, ist Schick zunächst wohlwollend. Er sieht „positive Änderungen“. In der Europapolitik sei „die Tonlage besser, partnerschaftlicher geworden“. Im letzten Augenblick setzte Kukies etwa eine neue europäische Finanzaufsicht durch. Die ganz großen Erfolge sehe man zwar nicht, „aber es entsteht eine Kultur des Vertrauens“.

Und schließlich hätten Scholz und Kukies ja auch „acht Jahre gefährliches Nichtstun unter Wolfgang Schäuble“ geerbt. Aber dann kommt, was kommen muss: „Deutsche Commerz“. So verdienstvoll es sei, Probleme anzugehen, so gefährlich sei die „angstgetriebene Richtung der Bankenrettung“.

Die Deutsche Bank müsse kleiner werden statt größer. Schick: „Hier verheiratet sich klassische Industriepolitik der SPD mit den Künsten eines Investmentbankers, der sich als Dealmaker versteht. Als Chef von Goldman Sachs in Deutschland hat er sich ja nicht nur mit Derivaten beschäftigt.“

In dieser Melodie äußern sich viele. Eckhardt Rehberg, seit 2005 für die CDU im Bundestag, lobt Kukies als einen, „der weiß, wovon er spricht“. Die großen strategischen Linien zur Zeit von CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble würden gehalten, Kukies sei auch bei schwierigen Finanzthemen immer Fachmann: „Uns bindet er immer verlässlich ein.“

Doch dann ist auch für ihn die Sache Deutsche Bank/Commerzbank „keine glückliche Konstellation“. Kukies‘ Ex-Arbeitgeber Goldman Sachs habe nun mal ein ruhendes Mandat bei der Commerzbank, der Bund ist mit 15 Prozent beteiligt. Das sorge kaum für Glaubwürdigkeit.

„Scholz hat zu viel über die Fusion geredet. Ich sehe das mit Sorgen, da es sich hier um zwei Gebilde handelt, die möglicherweise viel Kapital brauchen werden.“ Kapital, das vielleicht vom Steuerzahler kommt, denn der Bund wäre an der „Deutschen Commerz“ mit fünf Prozent beteiligt.

Noch kräftigere Töne schlägt Fabio de Masi an, finanzpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag. Er sorgte mit einer Anfrage für die Enthüllung, dass Kukies nicht nur 23-mal mit Spitzen der Deutschen Bank intensiv geredet hat, sondern auch öfter, eng getaktet, mit Goldman-Vertretern.

Kukies kommt hier als „Spieler“ rüber: „Er verwettet das Geld der Steuerzahler, damit eine Mega-Bank sich billiger finanzieren kann.“ Im Finanzausschuss des Bundestags hat aber auch er einen zugänglichen, redefreudigen Staatssekretär erlebt. „Herr Kukies ist freundlich und kompetent“, sagt de Masi noch, „aber das gehört zu einem ,Dealmaker‘ dazu.“ 

III. Es wird schon noch besser

Was macht die rhetorische Dauer-Kanonade mit einem, der stolz ist auf 33 Jahre SPD und eine Ehrennadel? Der doch nur der Gesellschaft etwas zurückgeben will? Der in den ersten Wochen per Speeddating europäische Institutionen abklapperte? Im Ministerium-Klotz erzählt Jörg Kukies von der Zeit, als die ersten Presseberichte über ihn geschrieben wurden.

Als ein Brandstifter, der nun als Feuerwehrmann eingesetzt würde, beschrieb die Presse ihn. Zu Hause fragte seine Frau, eine Psychologin: „Willst du dir das wirklich geben?“ Das lege sich wieder, lautete seine Antwort, sein Wechsel sei eben ungewöhnlich. Als die PR dann tatsächlich besser wurde, war die Gattin beeindruckt. Bis „Deutsche Commerz“ kam.

„Leiden Sie, Herr Kukies, unter der PR?“ „Dass ich etwas im Licht der Öffentlichkeit stehe, sehe ich weder als Vorteil noch als Nachteil. Es beeinflusst meine Arbeit nicht, denn in Europa spielt das keinerlei Rolle.“ Und national? (Bei Terminen ist die Journalisten-Traube vor Kukies fast so groß wie die vor Scholz.)

„Ich sehe mich als Berater. Der Minister ist an Einschätzungen interessiert. Natürlich fragt er mich, wie ich bestimmte Sachen sehe. So wie ich meine Abteilungsleiter, Referenten oder Unterabteilungsleiter in Entscheidungen einbeziehe.“ In der Bankenfrage sind Scholz und sein Consigliere einfallsreich. Vor einigen Wochen empfingen sie in der deutschen Botschaft in London die Vertreter internationaler Banken.

Wie sehen die Experten den deutschen Markt? Was hilft der Deutschen Bank? Was der Commerzbank? Die Nachfrage war so groß, dass sich der Sekretär und sein Minister aufteilen mussten. Es gäbe immer Interesse an deutschen Großbanken. Fragt sich nur, zu welchen Konditionen, sagt ein Vertrauter.

Obwohl das SPD-Tandem wohl alles für einen „nationalen Champion“ tut, betont Kukies, es gebe keinen Druck auf die beiden Geldhäuser. „Die Banken wissen selbst, was bei der Konsolidierung zu tun ist.“ Klar, BNP Paribas oder Santander werden auch für die Commerzbank gehandelt, und nach Vollendung von Europas Bankenunion erwartet Kukies mehr Deals über Staatsgrenzen hinweg – „da wir von dieser Vollendung noch sehr weit entfernt sind, macht es aber einen Unterschied, in welchem Land ein Institut seinen Hauptsitz hat“. 

Man kann das als Votum pro „Deutsche Commerz“ werten. Oder als Bestätigung der These seines Ex-Kollegen Wolfgang Fink in der Goldman-Spitze, dass sich zuerst der deutsche Bankenmarkt konsolidieren müsse und dann der europäische. Also: Was ist nun mit dem Interessenkonflikt, der sich aus aktueller und früherer Beschäftigung ergebe? „Es gibt keinen“, kontert Kukies.

Er sei bei Goldman Sachs für Wertpapiere und Handel zuständig gewesen, nicht für Fusionen. Diese Bereiche seien strikt getrennt. Und im Übrigen sei das Ministerium „nicht in die Beauftragung von Dienstleistern durch private Geldinstitute eingebunden“. Dealmaker? Also bitte, nein.

IV. Ein bisschen Botschafter

In seinen zwölf politischen Monaten hat Jörg Kukies einen Fahrplan des Fleißes abgearbeitet. 23-mal Brüssel, 19-mal an anderen Orten der EU, zweimal Washington, je einmal Peking und Tokio sowie vier weitere Reisen ins Nicht-EU-Ausland – der Mann jettet für Deutschland. Er selbst sieht sich dabei als Botschafter, der Multiplikatoren erreiche.

Nach seinen Auftritten wird er regelmäßig mit Visitenkarten bedrängt. Auch national ist Kukies alles andere als terminfaul, er zeigt sich auf SPD-Konferenzen und Fachkongressen – dort stets mit blauem Anzug, weißem Hemd, Krawatte sowie einer leicht bauchigen, schwarzen Aktentasche.

Bei der „Institutional Money“-Tagung in der Frankfurter Kongresshalle diskutiert er in Halle zwölf. Es ist dunkel wie in der TV-Serie „Berlin Babylon“, blaues Licht vom Boden illuminiert den Raum. 100 Investoren sind da und mit ihnen Milliarden von Euro, die sie anlegen. „Was macht der Kukies in der Regierung?“, fragt einer. „Wenn einer von Goldman Sachs kommt, ist das ein Abstieg! Aber ich habe gehört, er soll gut sein.“

Jörg Kukies vermittelt Zukunft. Zählt auf, was die Bundesregierung neuerdings alles fürs nachhaltige Investieren tue. Wie sehr sie Ökologie, Soziales und Politik im Finanzmarkt fördere. Die 26 Milliarden Euro aus dem Abwicklungs-Atomfonds der Industrie wolle man umweltgerecht anlegen, sagt er, die staatliche KfW-Bank mache viel und der Bund gebe bald „grüne Staatsanleihen“ aus.

Zehn Milliarden Euro hält er für sinnvoll, auch wenn noch unklar sei, welche Firmen zu begünstigen seien. „Nicht so trivial“, nennt Kukies das Genre. Genau fürs „Nicht-so-Triviale“ ist er geholt worden. Seine „Grüne Anleihen“-Ankündigung ist in Raum zehn eine kleine Sensation. Der Herr vom schwedischen Pensionsfonds lobt eiligst, Kukies antwortet eloquent auf Englisch, redet vom „Building-Block-Approach“.

Green Finance kennt Kukies aus der Finanzwelt als Normalzustand, das liege ihm am Herzen: „Mich hat es immer gestört, dass eine ethische Finanzpolitik bisher immer aus anderen Ländern kam. Jetzt bewegt sich endlich auch etwas bei uns.“ Bei diesem Thema sei Kukies „in Frankfurt unter Finanzleuten Mainstream und in Berlin, wo das Thema seit Jahren ignoriert wird, durchaus Vorreiter“, lobt Experte Schick: „An diesem Punkt kann der Transfer eines Bankers in die Politik sogar richtig segensreich sein.“

V. Faktor Goldman

Vermutlich wäre der Dauer-Knatsch um Jörg Kukies ausgeblieben, wenn nicht Goldman Sachs im Spiel wäre. Jeder kennt die Beispiele, wie die US-Finanzminister Robin Rubin, Henry Paulson oder Steve Mnuchin ihr Handwerk in der US-Investmentbank lernten oder Ex-EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso als Berater des Finanzinstituts lobbyiert. Auch Paul Achleitner von der Deutschen Bank war Deutschland-Chef von Goldman Sachs. 

„Jörg Kukies ist vorverurteilt worden, Goldman Sachs ist nicht per se böse“, sagt Grünen-Europapolitiker Sven Giegold: „Auch wenn einige Dreck am Stecken hatten, gilt das nicht für alle.“ Anruf bei Lobby-Control. Hier, bei der NGO, wirkt der Goldman-Faktor.

„Die Bank hat ein starkes politisches Netzwerk, das ist von ihr gewollt“, sagt Campaigner Timo Lange: „Die Liste von Grenzgängern zwischen Goldman und der Politik ist lang.“ Er findet, ein Gremium des Bundestags sollte solche Transfers prüfen. „Bei Kukies wäre es am besten, wenn er sich aus allem heraushält, was direkt mit seinem alten Arbeitgeber zu tun hat“, sagt Fabio de Masi. Kukies werde seine Bankfreunde nicht los, „sie bleiben wie Fliegen am Hintern“.

Der Fall Kukies ist Lehrstück und Politikum zugleich. Schon zu Beginn seiner Politkarriere hatten Beteiligungen an Berliner Fintechs für Schlagzeilen gesorgt. Dann trennte er sich von Fincompare, Onestreetfootball, Karmafant und Abatus. Seine Goldman-Aktien hat er, nach rechtlicher Genehmigung der zuständigen britischen Aufsichtsbehörden, vor einigen Monaten verkauft.

„Drehtürpolitik trägt dazu bei, Misstrauen in die demokratischen Institutionen zu nähren“, bilanziert Europa-Parlamentarier Giegold: „Sicher kann Politik dadurch schlauer werden, aber der Reputationsschaden durch die – mal wahrgenommenen, mal realen – Interessenkonflikte ist ungleich größer.“

VI. Was am Ende bleibt

Vor 20 Jahren hat ein Künstler in einer Aktion die Antworten von Leuten im Finanzministerium auf die Frage dokumentiert: „Was bleibt am Ende: Geld, Liebe, Tod oder Freiheit?“ Stellt man Kukies diese Frage, sagt er spontan: „All the above.“ Und nennt dann Liebe und Freiheit als Präferenzen.

Wird es noch etwas mit der weiteren politischen Karriere? „Ein Typus Minister ist er nicht, sondern blieb vom Habitus her Investmentbanker“, urteilt CDU-Politiker Rehberg. Gut möglich sind Anschlussverwendungen in der Bundesbank oder der Europäischen Zentralbank. Die Frage, ob der Abstieg der SPD solche Pläne behindere, beantwortet Kukies mit dem Hinweis, in der Politik gebe es immer ein Auf und Ab: „Ich plane erst mal bis zum Ende der Legislaturperiode.“

Auf dem „Finance Summit“ in Paris wird Kukies irgendwann nach der Antwort der Politik auf die Schieflage europäischer Banken gefragt. Die öffentliche NordLB aus Hannover wird genannt, ein Problem, das ihm im Ministerium jüngst Überstunden eingebracht hat. Da offenbart der Mann aus Zimmer 3251 sein Credo: Man könne sich ja über staatliche Eigentümerschaft beklagen – „aber manchmal ist sie nötig für positive Änderungen“.

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