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Kampf gegen die Pandemie Schutz gegen Corona – Wie die Gerichte mit Luftfiltern ausgestattet sind

Steigende Corona-Infektionszahlen und Ausbreitung von Mutationen – das wird auch für die Gerichte zur Herausforderung. Daten zeigen nun, wie es um den Einsatz mobiler Luftfilter steht.
31.08.2021 - 14:04 Uhr Kommentieren
Plexiglastrennwände sollen die Prozessbeteiligten in der Pandemie schützen. Quelle: dpa
Gerichtssaal in Hamburg

Plexiglastrennwände sollen die Prozessbeteiligten in der Pandemie schützen.

(Foto: dpa)

Berlin Der Einsatz von mobilen Luftfiltern zum Schutz vor Coronaviren wird für die Schulen seit dem Start der Pandemie heftig debattiert. Doch auch bei Gericht kommen viele Menschen für eine längere Zeit in einem Saal zusammen. Auch hier könnten mobile Luftfilter die Prozessbeteiligten vor Ansteckungen schützen.

Bislang wurden für die Gerichtssäle der Bundesgerichte insgesamt nur sieben mobile Luftfilter zum gesundheitlichen Schutz der Prozessbeteiligten angeschafft. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP, die dem Handelsblatt vorliegt.

Demnach wurden beim Bundesgerichtshof zwei mobile Luftfilter angeschafft, beim Bundespatentgericht fünf. Die Gesamtkosten dafür bezifferte das zuständige Bundesjustizministerium auf knapp 20.000 Euro.

Mobile Luftfilter können zwar grundsätzlich einen Beitrag dazu leisten, die Raumluftqualität zu verbessern“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. „Sie tragen dennoch nur begrenzt zur Verbesserung der Raumluftgüte bei, da sie den Frischluftanteil in der Raumluft nicht erhöhen und auch nicht überschüssige Feuchtigkeit im Raum abführen.“ Eine wirksame Virenreduktion sei maßgeblich von der konkret eingesetzten Technik und der zur Raumgröße passenden Leistungsfähigkeit der Geräte abhängig.

Auf Nachfrage des Handelsblatts ergibt sich ein differenzierteres Bild. So gibt das Bundessozialgericht (BSG) an, für den Gesundheitsschutz von Prozessbeteiligten in Sitzungs-, Beratungs- und Besprechungsräumen insgesamt 13 mobile Luftfiltergeräte beschafft zu haben. „Bei der Beschaffung ist es zu keinen Problemen gekommen“, heißt es. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Geräte sei ausreichend.

In den Gerichtssälen des BSG sind demnach „Raumlufttechnische Anlagen“ (RLT-Anlagen) im Frischluftbetrieb installiert. Der Einbau zusätzlicher Filter sei vom Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen nicht empfohlen worden, da sie den möglichen Luftaustausch reduzierten. Zusätzliche Raumluftmessgeräte kämen in allen Sälen sowie Beratungs- und Besprechungsräumen zum Einsatz.

Sitzungen zum Lüften unterbrechen

Der Bundesgerichtshof (BGH) teilte mit, zum Gesundheitsschutz der Prozessbeteiligten für die Sitzungssäle insgesamt drei mobile Luftfiltergeräte beschafft zu haben. Die anderen Sitzungssäle seien mit RLT-Anlagen ausgestattet, die durch Frischluftzufuhr von außen für einen effizienten Austausch der Raumluft sorgten, „so dass derzeit kein weiterer Bedarf besteht“.

Darüber hinaus seien drei BGH-Besprechungsräume mit mobilen Luftfilteranlagen ausgestattet. Die Luftqualität werde in allen Sitzungssälen und Besprechungsräumen mit „CO2-Ampeln“ überwacht, sodass die Sitzungen falls erforderlich zum Lüften unterbrochen werden könnten. „Nach anfänglichen Lieferschwierigkeiten der Hersteller von mobilen Luftfiltergeräten im vergangenen Jahr gibt es derzeit keine Probleme bei der Beschaffung“, teilte der BGH mit.

Die Luftqualität werde in allen Sitzungssälen und Besprechungsräumen mit „CO2-Ampeln“ überwacht. Es gibt unterschiedliche Modelle der Ampeln. Quelle: obs
CO2-Ampel

Die Luftqualität werde in allen Sitzungssälen und Besprechungsräumen mit „CO2-Ampeln“ überwacht. Es gibt unterschiedliche Modelle der Ampeln.

(Foto: obs)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nach eigenen Angaben für seine drei Gerichtssäle bisher keine mobilen Raumluftreiniger beschafft. Das betriebliche Hygienekonzept lege mit Blick auf die Pandemie für die Gerichtssäle weitreichende Infektionsschutzmaßnahmen fest:

  • individuelle Personenhöchstgrenzen mit der Orientierung von zehn Quadratmeter Raumfläche pro Person
  • Lüftungskonzepte wie regelmäßige Intervalle und freie Fensterlüftung
  • Anpassung der Möblierung zur Sicherstellung des Mindestabstands von 1,5 Metern
  • Einsatz von „Hygieneschutzwänden“ an der Richterbank und den Beteiligtenplätzen
  • Einsatz einer Konferenzsprechanlage zur Vermeidung eines erhöhten Aerosolausstoßes durch lautes Sprechen
  • Maskenpflicht mit mindestens medizinischer Gesichtsmaske und Desinfektionsmittelspender vor den Gerichtssälen zur Händedesinfektion
  • Auch beim BFH werden zudem „CO2-Ampeln“ eingesetzt

Das oberste Gericht für Steuer- und Zollsachen teilte mit, die Hausleitung sei in Anbetracht dieser Infektionsschutzmaßnahmen und in Abstimmung mit dem betriebsärztlichen Dienst und der Fachkraft für Arbeitssicherheit „auch aktuell der Auffassung, dass der ergänzende Einsatz mobiler Raumluftreiniger in den Gerichtsälen weder für den Gesundheitsschutz der Hausangehörigen noch der Beteiligten einen signifikanten Mehrwert mit sich bringt“. Die Frage unterliege allerdings „stetig einer erneuten Überprüfung“.

Das Bundesverwaltungsgericht hat ebenfalls keine mobilen Luftfilter beschafft. Die Begründung: Mündliche Verhandlungen finden momentan ausschließlich in einem der beiden größten Sitzungssäle statt, welche die Einhaltung der Mindestabstände für Prozessbeteiligte und Verhandlungsteilnehmer ermöglichen.

In den Sälen und Besprechungsräumen werde darauf geachtet, dass der Mindestabstand eingehalten werden könne. Quelle: dpa
Corona-Schutzmaßnahmen im Gerichtssaal

In den Sälen und Besprechungsräumen werde darauf geachtet, dass der Mindestabstand eingehalten werden könne.

(Foto: dpa)

Für zusätzlichen Schutz seien Plexiglastrennwände beschafft worden. Der Große Sitzungssaal verfüge über eine RLT-Anlage, der andere genutzte Sitzungssaal könne über mehrere große Fenster gelüftet werden. „Es ist davon auszugehen, dass die Größe der Räume die Leistungsfähigkeit mobiler Luftfilteranlagen übertrifft“, heißt es beim Bundesverwaltungsgericht.

Nicht unerhebliche Geräuschentwicklung

Ähnlich argumentiert das Bundesarbeitsgericht: Die Sitzungssäle seien mit Klimatechnik ausgerüstet, die eine Belüftung der Räume mit Außenluft ermögliche und die mit Filtern ausgestattet sei. Die Anlage tausche die Innenluft der Sitzungssäle ständig durch gefilterte Außenluft aus.

„Durch individuelle Steuerung der Lüftungsanlage wird ein Luftaustausch erreicht, der den Einsatz von mobilen Luftfiltern überflüssig macht“, heißt es. Dem Gesundheitsschutz der Prozessbeteiligten sei durch den dauernden Luftaustausch über die Gebäudeleittechnik, die Verpflichtung zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen und die Gewährleistung der Abstandsregelungen Rechnung getragen worden. Das Bundespatentgericht (BPatG) bestätigte die Angaben des Bundesjustizministeriums.

Das zusätzlich befragte Bundesverfassungsgericht teilte mit, ein Bedarf an mobilen Luftfiltern bestehe nicht. Sämtliche Besprechungsräume sowie das Sitzungssaalgebäude verfügten über ein eigenes Lüftungssystem mit hundertprozentiger Frischluftzufuhr, das durchgehend in Betrieb sei. Das Lüftungssystem kontrolliere und messe auch die Partikelbelastung im Raum, worauf die Belüftungsstärke jederzeit angepasst werden könne.

Bislang wurden für die Gerichtssäle der Bundesgerichte insgesamt nur sieben mobile Luftfilter zum gesundheitlichen Schutz der Prozessbeteiligten angeschafft. Quelle: dpa
Mobiler Luftfilter

Bislang wurden für die Gerichtssäle der Bundesgerichte insgesamt nur sieben mobile Luftfilter zum gesundheitlichen Schutz der Prozessbeteiligten angeschafft.

(Foto: dpa)

Das Bundesverfassungsgericht erklärte: „Unabhängig davon finden mündliche Verhandlungen und Urteilsverkündungen unter Wahrung eines strengen Hygienekonzepts statt, das insbesondere sowohl ein Abstandsgebot als auch eine Maskenpflicht vorsieht.“ Weitere Räumlichkeiten des Gerichts sind demnach mit mobilen CO2-Messgeräten ausgestattet, die Alarm schlagen, wenn ein neuer Frischluftaustausch notwendig ist.

Die FDP-Bundesfraktion wollte sich unabhängig von den Bundesgerichten auch ein Bild der Lage in den Bundesländern machen. Hier stehen für die Beschaffung der Geräte keine Bundesmittel zur Verfügung.

Die Abfrage zeigt: In Baden-Württemberg wurden bislang für die Gerichte rund 60 mobile Luftfilter angeschafft, in Hamburg 50 im Wert von 90.000 Euro, in Berlin 44, in Mecklenburg-Vorpommern 14 zu einem Beschaffungswert von knapp 30.000 Euro.

Niedersachsen investierte nach eigenen Angaben schon im vergangenen Jahr 2,4 Millionen Euro in 80 mobile Luftfilter, 60 weitere sind bereits angekündigt. In Schleswig-Holstein wurden zwei Geräte beschafft, weitere werden derzeit testweise im Sitzungsbetrieb und in den Referendararbeitsgemeinschaftsräumen bei einem Land- und Amtsgericht eingesetzt.

Nordrhein-Westfalen hat zur Finanzierung von mobilen Raumluftreinigungsgeräten bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugseinrichtungen zusätzliche Mittel in Höhe von insgesamt 1,3 Millionen Euro bereitgestellt. Was damit konkret passiert, ist jedoch unklar.

Denn die Dienststellen entscheiden eigenverantwortlich über die Beschaffung. Und das Justizministerium hat nach eigenen Angaben davon abgesehen, die Zahl und die konkrete örtliche Verwendung der Raumluftreinigungsgeräte zu erfassen. Bayern hat aus den gleichen Gründen keinen Überblick.

Brandenburg gab an, bislang keine mobilen Luftfilter für die Gerichte beschafft zu haben: „Raumfilteranlagen können nicht die regelmäßige Lüftung der Räume ersetzen und ihr Einsatz ist mit einer nicht unerheblichen Geräuschentwicklung verbunden.“

Forderung nach schneller Prüfung

Jürgen Martens, der ehemalige Justizminister von Sachsen, der nun für die FDP im Bundestag sitzt, fordert, die Frage des Einsatzes von Luftfiltern in Gerichtsgebäuden schnell zu prüfen. „Mich wundert es, dass die Justizverwaltungen der Länder diese Frage bisher nicht systematisch angehen“, sagte Martens dem Handelsblatt.

Dabei sei doch völlig klar, dass in Gerichtsgebäuden und in Gerichtssälen möglicherweise auch viele Menschen über einen längeren Zeitraum im selben Raum verweilen. „Auch gerade mit Blick auf die Gesundheit der Beschäftigten hätte man sich dieser Frage schon länger zuwenden sollen“, meint der FDP-Politiker.

Mehr: Führende Politiker schließen einen weiteren Lockdown aus

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