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Kanzlerkandidatur „Es geht um die Frage: Wollen wir gewinnen?“ Die Union ist tief gespalten

Armin Laschet und Markus Söder kündigen eine Einigung in der K-Frage noch für diese Woche an. Doch es herrscht Ratlosigkeit, wie diese möglich sein soll. Die Stimmung ist „katastrophal“.
13.04.2021 - 19:55 Uhr 4 Kommentare
Die beiden Rivalen werben energisch für sich – und teilen dabei auch gegeneinander aus. Quelle: dpa
Armin Laschet (li.), Markus Söder

Die beiden Rivalen werben energisch für sich – und teilen dabei auch gegeneinander aus.

(Foto: dpa)

Berlin Die beiden Kontrahenten trennen drei Stühle. Armin Laschet und Markus Söder haben im Plenarsaal des Bundestags Platz genommen. Dorthin hatte die Unionsfraktion wegen des Corona-Abstandsgebots ihre Fraktionssitzung verlegt, zu der sich die beiden Parteichefs von CDU und CSU eingeladen hatten.

Die beiden müssen hier vor den Abgeordneten, die teilweise per Video zugeschaltet sind, einen der wichtigsten Auftritte in ihrer Politikerkarriere absolvieren. In der Unionsfraktion setzte sich am Dienstnachmittag der Machtkampf um die Kanzlerkandidatur fort, der einen Tag zuvor öffentlich ausgebrochen war.

Am Montag hatten sich die obersten Führungsgremien von CDU und CSU jeweils hinter ihren Parteivorsitzenden gestellt. Bei den Unionsabgeordneten ist die Stimmungslage hingegen unübersichtlich. Umso energischer warben die beiden Rivalen für sich – und teilten dabei auch gegeneinander aus.

Nach einer fast sechsstündigen Debatte in der Fraktion kündigten beide am Dienstagabend an, dass eine Entscheidung noch in dieser Woche fallen solle. „Armin und ich haben vereinbart, dass wir uns in dieser Woche auch abschließend dann besprechen werden, wie es weitergehen wird“, sagte Söder.

Laschet versicherte nach den fast vierstündigen Beratungen: „Es geht keiner gestärkt und geschwächt daraus hervor.“ Es bleibe dabei, dass beide Parteivorsitzenden einen gemeinsamen Vorschlag vorlegen wollten. Eine Entscheidung in der Fraktion lehnte er ab.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hatte unmittelbar vor Beginn der Sitzung Geschlossenheit angemahnt. Man müsse das „einvernehmlich hinkriegen“, sagte er, schließlich müssten „hinterher alle zusammenarbeiten“. „Es geht um eine Teamlösung“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Er sprach von einem „Prozess der Teamfindung“.

Doch trotz aller Appelle an Geschlossenheit und der ständigen Beschwörung von Laschet und Söder, dass sie die K-Frage „freundschaftlich“ klären wollen, ist die Stimmung in der Union „katastrophal“, wie ein Abgeordneter es beschreibt. Im Laschet-Lager sei man „stinksauer“ auf Söder. Vor allem aber herrsche bei allen Beteiligten „Ratlosigkeit“, wie der Machtkampf nun gütlich gelöst werden könne.

„Wir brauchen keine One-Man-Show“

Schon in der Fraktionssitzung klang jedenfalls keiner der beiden Kontrahenten nach Rückzug. Zuerst war Laschet an der Reihe, er sprach im Stehen, während Söder neben ihm einen Papierstapel studierte. „Wir brauchen keine One-Man-Show“, war laut Teilnehmern einer von Laschets Schlüsselsätzen.

Das war eine Kritik an Söder, dem der Ruf vorauseilt, als bayerischer Ministerpräsident viel im Alleingang zu machen und kaum Platz für seine Minister zu lassen. Laschet versteht sich hingegen eher als Teamspieler. Die Skepsis gegenüber Söder war wohl ein Grund, warum sich das CDU-Parteipräsidium und der Bundesvorstand am Montag einmütig hinter Laschet als Kanzlerkandidaten stellten.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident betonte in der Fraktion, wie wichtig ihm diese Unterstützung sei. Sie ist sein Trumpf: Sollte Söder Laschet die Kanzlerkandidatur noch entreißen, wäre das auch eine Desavouierung des obersten CDU-Führungsgremiums.

Laschet versuchte in der Fraktion erneut, seine schwachen Umfragewerte herunterzuspielen. Die Union werde aus ihrem Umfragetief nur herauskommen, wenn man in der Bekämpfung der Pandemie besser werde, betonte der CDU-Chef nach Angaben von Teilnehmern.

„Wir brauchen ein gutes Team, aber Spitze ist auch entscheidend“

Offensiv ging er Söder demnach wegen dessen Vorschlag einer Klimaallianz gemeinsam mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) an. Dies könne man auf Länderebene machen, es sei aber auch gefährlich. „Am Ende wählen die Leute dann die Grünen“, warnte Laschet. „Wir müssen unsere Themen setzen.“

Die Umfragewerte sind Laschets große Schwäche – und Söders bestes Werbeargument für sich. In den CDU-Führungsgremien hat man sie als Momentaufnahme abgetan. Doch bei den Unionsabgeordneten sieht man das nicht ganz so locker, schließlich entscheidet das Wahlergebnis auch über die eigene Zukunft als Parlamentarier. Söder betonte in der Fraktionssitzung, die Union müsse „alles unternehmen, um so stark wie möglich zu sein und um so viele Abgeordnete wie möglich in den Bundestag zu bekommen“.

Für einen Wahlsieg brauche die Union die „maximal beste Aufstellung, um erfolgreich zu sein – nicht nur die angenehmste“, sagte Söder laut Teilnehmern. Eine Spitze gegen Laschet. Die CDU-Führung wolle den NRW-Ministerpräsidenten als Kanzlerkandidaten aufstellen, um ihren neuen Parteivorsitzenden nicht gleich zu beschädigen, lautet auch die Lesart von Laschet-Kritikern in der Unionsfraktion. „Es ist aber schon erklärungsbedürftig, wenn man den Schwächsten zum Kanzlerkandidaten macht und nicht den Stärksten“, sagt einer.

Für mich gehört es zur Selbstverständlichkeit, dass Abgeordnete gehört werden, und deswegen bin ich heute da. CSU-Chef Markus Söder

So sieht das auch Söder. „Wir brauchen ein gutes Team, aber Spitze ist auch entscheidend“, sagte er in der Fraktion. „Es geht um die Frage: Wollen wir gewinnen.“

Der bayerische Ministerpräsident kann darauf verweisen, dass er in Umfragen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu den beliebtesten Politikern zählt. Laschet landet bei den persönlichen Beliebtheitswerten stets auf den hinteren Plätzen. „Wenn Umfragen lange Zeit stabil sind, dann darf man sie nicht ignorieren“, sagte Söder.

Seit die CDU-Spitze sich hinter Laschet gestellt hat, betont der CSU-Chef, man müsse auch auf die Stimmungslage der Basis hören. In den Umfragen unter CDU-Anhängern schlägt Söder Laschet ebenfalls mit großem Abstand. Die Stimmung an der Parteibasis ist ein Hebel für Söder – die Fraktion ist der andere.

„Es gibt nur ein Gremium, das gemeinsam tagt und als gemeinsames Gremium wahrgenommen wird“, sagte Söder. „Für mich gehört es zur Selbstverständlichkeit, dass Abgeordnete gehört werden, und deswegen bin ich heute da“, schmeichelte er den CDU/CSU-Parlamentariern.

„Neues Stimmungsbild“ für Söder?

Eigentlich war das Rennen um die Kanzlerkandidatur mit der klaren Positionierung der CDU-Spitze entschieden – zumal Söder betont hatte, dass er nur antreten wolle, wenn die große Schwesterpartei ihn bittet. Doch nun wird im Söder-Lager betont, dass die Stimmung in der Fraktion eine ganz andere sei als im Präsidium und im Bundesvorstand der CDU.

Darauf weist etwa der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten, hin. „Nach allem, was man hört, sind dort in den Landesgruppen von Schleswig-Holstein bis Baden-Württemberg über Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen, Thüringen dann doch die Wortmeldungen deutlich stärker gewesen für Markus Söder“, so von Stetten. Der Söder-Unterstützer spricht von einem „neuen Stimmungsbild“.

In der Fraktion kursieren Zahlen, die das offenbar untermauern sollen. In der Landesgruppe Schleswig-Holstein habe es zehn Wortmeldungen gegeben: neun für Söder und eine für Laschet. In Rheinland-Pfalz sei das Verhältnis fünf zu zwei, in Sachsen-Anhalt sieben zu zwei. In Baden-Württemberg 14 Wortmeldungen für Söder, sechs für Laschet. Einzig in der NRW-Landesgruppe habe der CDU-Chef eine klare Mehrheit gehabt.

All die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. So könnte es sein, das sich unter dem Eindruck der gestrigen Positionierung der CDU-Spitze vor allem die unzufriedenen CDU-Abgeordneten gemeldet haben, die Söder unterstützen. Eines aber steht fest: So eindeutig, wie es im Präsidium und im Bundesvorstand der CDU war, ist die Stimmungslage in der Unionsfraktion lange nicht.

Die Stimmungslage ist angespannt bis „deprimert“

Ob Laschet oder Söder die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich hätte, sei schwer zu sagen, meinte ein Fraktionsmitglied. Es wäre vermutlich ein knappes Ergebnis.

Auch das ist ein Grund, warum Brinkhaus und Dobrindt eine Abstimmung unbedingt verhindern wollten. Denn auch der Sieger wäre danach beschädigt, müsste mit dem Makel in den Wahlkampf ziehen, dass er selbst in der eigenen Bundestagsfraktion keine überwältigende Mehrheit hinter sich hat.

Entsprechend angespannt ist die Stimmungslage in der Union. „Verfahren“, nennt einer die Lage, „deprimiert“, fasst ein anderer die Stimmung zusammen. Der Streit um die Kanzlerkandidatur macht deutlich, dass die Union und auch die CDU weiter gespalten sind.

Nach seiner Wahl zum CDU-Chef hatte Laschet viel unternommen, um den unterlegenen Flügel, der zu Friedrich Merz hielt, einzubinden. Offenbar ohne Erfolg. Zumindest sind es nun viele Merz-Unterstützer, die sich gegen Laschet und für Söder positionieren.

Nach seiner Wahl zum CDU-Chef hatte Laschet viel unternommen, um den unterlegenen Flügel, der zu Friedrich Merz hielt, einzubinden. Quelle: dpa
Friedrich Merz

Nach seiner Wahl zum CDU-Chef hatte Laschet viel unternommen, um den unterlegenen Flügel, der zu Friedrich Merz hielt, einzubinden.

(Foto: dpa)

Dabei hat sich Merz selbst längst auf die Seite Laschets gestellt. „Die CSU stellt das Votum des höchsten Führungsgremiums der CDU infrage“, schreibt Merz in einem Brief an die CDU-Mitglieder in seinem Wahlkreis Hochsauerlandkreis.

Dann geht Merz Söder frontal an: „Bei allem Verständnis für die CSU und ihren Vorsitzenden: Macht sich die CSU klar, was es bedeutet, innerhalb von wenigen Wochen den nächsten Parteivorsitzenden der CDU zu demontieren?“ Ausgerechnet Merz, der in den vergangenen Jahren von einigen in der CDU als Unruhestifter kritisiert wurde, stellt nun diese Frage. Der Vorgang macht deutlich, wie es um die Stimmung in der Union bestellt ist.

Mehr: K-Frage: Wer tritt die Nachfolge von Angela Merkel an?

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4 Kommentare zu "Kanzlerkandidatur: „Es geht um die Frage: Wollen wir gewinnen?“ Die Union ist tief gespalten"

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  • Jetzt könnte sich rächen, dass es kein „geordnetes“ Koordinierungsverfahren von CDU und CSU gibt, um einen Kandidaten gemeinsam festzulegen. Fast scheint es, als ob die CDU daran bislang auch kein gesteigertes Interesse gehabt hätte. Für sie schien der Machtanspruch vollkommen auszureichen: Wir sind größer, unsere Gremien bestimmen den Kandidaten, basta.
    Nun ist die CSU zwar in der Tat die kleinere Schwester, aber sie ist deshalb nicht weniger selbstbewusst als die CDU. Und das im Übrigen auch aus einem guten Grund: Gäbe es in ganz Deutschland CSU-Ergebnisse, läge die Union bei weit über 40 Prozent!
    Im Übrigen könnte der Kontrast kaum größer sein als zwischen einem „Quasi-Machtmonopol“ und einem funktionsfähigen politischen Wettbewerb um beste Lösungen und Personen. Wettbewerbsdefizite führen in der Wirtschaft zu verkrusteten Strukturen und auf lange Sicht tendenziell zu einem Niedergang. Ist das in der Politik wirklich völlig anders?

  • Unbegreiflich für mich (und journalistisch m. E. höchst fragwürdig) ist die Art und Weise, wie der bayerische Kanzlerkandidat und Ministerpräsident in dem Beitrag abgemeiert wir. Ist da die "Hand Schäubles" im Spiel?

  • Wie immer bei Personalquerelen hält sich die Kanzlerin im Hintergrund und kann im Zweifelsfall die lachende Dritte sein. Ich halte es immer noch für möglich, dass sie Söder und Laschet gegeneinander ausspielt, bis beide unmöglich werden und die Union sie anbettelt, doch noch ein letztes Mal anzutreten.

  • Für mich schwer zu verstehen ist, warum das Handelsblatt so eifrig gegen Markus Söder anschreibt.
    Als mittelständischer Unternehmer aus Bayern habe ich sehr gute Erfahrungen mit der bayerischen Wirtschaftspolitik gemacht. Die High-Tech Agenden mit Milliardeninvestitionen in die Zukunft sind beispielhaft! Söder hat in der Pandemie eine klare Linie vertreten, ganz anders als Herr Laschet, der nun ins Lager der Hardliner gewechselt ist. Um seine Umfragewerte zu verbessern? Auch Laschets Fähigkeiten als Teambuilder scheinen mir nicht so überlegen zu sein: sein Gesundheitsminister drängte zwar in die Talkshows, hat sich da aber zumindest bei mir disqualifiziert (Stichwort "Insolvenza"). Sicher ist der Coup dieser Woche mit der "schnellen Entscheidung", am besten sofort, machtpolitisch zu bewundern, aber überzeugt werden muss letztendlich der Wähler! Bei Markus Söder scheinen die Wähler wie auch die Handelsblatt-Leser zu wissen, was sie erwarten können, und würden sich gemäß der stabilen Umfragewerte für ihn entscheiden. Auch ich bin über den harten Corona-Kurs in Bayern nicht begeistert, aber wir alle haben uns COVID nicht gewünscht. Ich kenne Markus Söder als jemanden, der sich akribisch in Sachverhalte einarbeitet, ob Wirtschaftsthemen, Quantencomputing (ich bin selbst promovierter Physiker) oder eben Pandemiebekämpfung. Auf dieser Basis dann Führungsstärke zeigt, auch bei unpopulären Entscheidungen. Dabei aber die Bodenhaftung behält. Und die Bedeutung einer wirtschaftsfreundlichen Politik nicht vergessen hat.

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