Kanzlerkandidatur Schlagabtausch vor Unionsfraktion: Söder lockt, Laschet beschwichtigt

Die Politiker ringen um die Kanzlerkandidatur der Union.
Berlin Im unionsinternen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur werben der CDU-Vorsitzende Armin Laschet und sein Rivale, CSU-Chef Markus Söder, an diesem Dienstagnachmittag in der Unionsfraktion um Zustimmung. Beide hätten sich darauf geeinigt, an der regulären Sitzung der gut 250 Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU teilzunehmen.
Und Söder machte deutlich, dass er nicht so leicht aufgeben wird. Der Franke betonte in der Sitzung, dass die Abgeordneten letztlich die Verantwortung in der Kanzlerkandidatur haben sollten. Ohne die Fraktion sei kein Wahlkampf zu machen. Die einzige Frage sei: „Wollen wir gewinnen?“, sagte Söder laut Teilnehmerangaben.
Bayerns Ministerpräsident betont erneut die Bedeutung der Umfragen, die für die Union nicht nach oben wiesen. Fernsehen und Social Media würden den Wahlkampf bestimmen, sagt er nach Teilnehmerangaben in der CDU/CSU-Fraktion. Man müsse Basis und Bevölkerung begeistern, fordert er. CDU und CSU dürften nicht Juniorpartner in einer neuen Regierung werden.
Laschet gab sich zuvor zahmer und erklärte die schlechten Umfragewerte der Union mit schwer verständlichem Regierungshandeln in der Corona-Krise und den Vorwürfen von Korruption. Sobald das Management besser werde, würden auch die Umfragen wieder steigen. Zugleich betont er, dass seit seinem Antritt als CDU-Chef die Breite der Union in der Führung wiederzufinden sei. Damit wollte er Söders Argument zur Einbindung der Fraktion bereits im Vorfeld entkräften.
Mit Blick auf Söders angekündigte „Klima-Allianz“ mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) mahnte Laschet, dass das Hauptthema der Union der Wirtschaftsaufschwung sei. CDU und CSU dürften nicht ihre Substanz verlieren.
Zumindest am Dienstag wird trotz des Schlagabtausches wohl keine Entscheidung fallen. Diese solle in „wenigen Tagen“ getroffen werden, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Die Vorstellung beider Kandidaten in der Fraktion sei Teil des Prozesses – genauso wie die anschließende Diskussion in einer Gruppe beider Parteien, die Söder vorgeschlagen habe.
Laschet rief die Unionsparteien vor seinem Auftritt mit Söder am Nachmittag zur Einigkeit der Unionsparteien auf. „Es ist wichtig, dass CDU und CSU gemeinsam und geeint als Union in die Wahl gehen“, sagte er.
„Unstimmigkeiten zwischen CDU und CSU haben uns noch nie geholfen.“ Zugleich betonte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident: „Wer als Kanzlerkandidat der Union in die Bundestagswahl geht, sollte zügig geklärt werden.“
Söder setzt darauf, dass in der Unionsfraktion der Rückhalt für den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten nicht so einhellig ist wie am Montag in den CDU-Parteigremien. Bayerns Ministerpräsident will so das Meinungsbild noch zu seinen Gunsten drehen.
Unmut über Verfahren in der Koalition
In der Unionsfraktion gibt es offenbar Kritik am Verfahren von CDU und CSU: Bei einem Online-Treffen der sogenannten Gruppe 17 in der Unionsfraktion – jener Abgeordneten, die nach der Bundestagswahl 2017 ins Parlament eingezogen sind – wurde nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur von Teilnehmern am Dienstagmorgen bemängelt, dass sich die jeweiligen Präsidien nicht im Vorfeld auf einen Kandidaten geeinigt hätten.
Beide Seiten hätten schon in den vergangenen Wochen ein geeignetes Verfahren festlegen sollen. Das Thema solle nun in der Fraktion intensiv besprochen werden. Bei dem Treffen der 35 Abgeordneten von CDU und CSU habe Einigkeit bestanden, dass beide Kandidaten geeignet für die Kanzlerkandidatur seien, hieß es laut dpa weiter.
Auch beim Koalitionspartner SPD herrscht offenbar Unmut über den Vorgang: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat die Union wegen des Streits über die Kanzlerkandidatur scharf angegriffen. „Die Union kümmert sich zurzeit (...) mehr um sich selbst als um das Wohl unseres Landes und insbesondere auch des Gesundheitsschutzes“, sagte Mützenich am Dienstag vor Beratungen der SPD-Bundestagsabgeordneten.
„Unter dieser Maßgabe kann ich nur sagen, dass die Union überhaupt nicht regierungstauglich ist.“ Die Union habe offensichtlich anderes zu tun, als sich mit der Pandemiebekämpfung zu befassen. „Ich weiß gar nicht, ob das ein Rennen ist“, sagte Mützenich zum Streit über die Kanzlerkandidatur zwischen CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder. „Dieses Schattenboxen nervt mich letztlich.“ Die Zusammenarbeit in der Koalition werde dadurch belastet.
CDU-Wirtschaftspolitiker Christian von Stetten sieht in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mehr Unterstützung für Söder als Kanzlerkandidaten der Union. „Heute morgen haben wir ein völlig neues Stimmungsbild“, sagte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) am Dienstag im Deutschlandfunk mit Blick auf die Voten von CDU-Präsidium und Bundesvorstand für Parteichef Laschet.
In den Landesgruppensitzungen habe es am Montagabend deutlich mehr Wortmeldungen für Söder als für Laschet gegeben, sagte der baden-württembergische Parlamentarier. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters aus Teilnehmerkreisen sprach sich etwa in der Landesgruppe Niedersachsen eine deutliche Mehrheit für Söder aus. Dagegen sei die Stimmung in der NRW-Landesgruppe „einhellig pro Laschet“ gewesen, erfuhren Reuters und die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen.
CSU-Generalsekretär Blume rät von unmittelbarer Festlegung ab
Söder hatte bei „Bild live“ am Montagabend gesagt, für Abgeordnete gehe es um den „Gewinn oder Verlust des Wahlkreises“. Wenn man auf aktuelle Umfragedaten schaue, sehe man, dass früher sichere schwarze Wahlkreise „jetzt grün im Süden, rot im Westen und blau im Osten“ seien. Zu einem Auftritt bei der Fraktionssitzung sagte er: „Wenn der Wunsch besteht, bin ich gerne dort.“ Laschet hatte zuvor mitgeteilt, eine Teilnahme nicht geplant zu haben. Wenn es aber eine Absprache mit Söder gebe, sei er dazu bereit.
Den Hinweis von Söder auf die Umfragewerte beider Kontrahenten wies CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak am Montagabend zurück. „Umfragen spielen natürlich immer eine Rolle, aber nicht die ausschließliche“, sagte Ziemiak im ZDF-„heute journal“. „Sondern es geht auch noch um andere Fähigkeiten, wenn man später eine Regierung führen will und eine Partei zusammenhalten möchte. Und diese Fähigkeiten bringt Armin Laschet mit.“

Laut Ziemiak könne Laschet in den Umfragen noch aufholen.
Ziemiak bejahte die Frage, ob Laschet in den Umfragen noch aufholen könne. „Denn Armin Laschet hat in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass er – weil er bei seinen Themen bleibt, weil er glaubwürdig ist, weil er neugierig ist, ein Mann der Ideen ist –, dass er immer wieder auch in schwierigen Wahlkämpfen die Union, die Partei zum Sieg führen kann.“
Von einer unmittelbaren Festlegung auf einen Kandidaten riet CSU-Generalsekretär Markus Blume ab. „Am Ende geht es darum, dass wir eine Entscheidung treffen, hinter der sich beide Parteien vollumfänglich versammeln können. Da sind zwei, drei, vier, fünf Tage Beratungen nicht zuviel verlangt“, sagte Blume am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. Bei der Entscheidungsfindung seien zwar auch die Stimmen aus der Politik wichtig, etwa die aus der heutigen Fraktionssitzung von CDU und CSU im Bundestag.
Es gebe aber auch eine deutliche Mehrheitsmeinung der deutschen Bevölkerung, wer das Erbe von Bundeskanzlerin Angela Merkel antreten sollte, und diese setze auf Söder. Das müsse berücksichtigt werden.
Anders als Söder und Blume drängte wie Laschet auch sein Generalsekretär Ziemiak auf eine schnelle Entscheidung. Dies entspreche den Rückmeldungen, die er von der CDU-Basis erhalte, sagte Ziemiak und spielte damit auf Söders neue Forderung an, auch den Willen der Parteimitglieder zur berücksichtigen. „Es kommt jetzt nicht auf einen Tag an, aber es wird sehr zügig sein“, sagte er.
Söder sieht noch „Diskussionsbedarf“ nach Entscheidung des CDU-Präsidiums
Mit Blick auf die Unterstützung der CDU-Spitzen am Montag für Laschet und Söders Ankündigung vom Sonntag, bereitzustehen, wenn die CDU in ihrer Breite ihn ruft, sagte Ziemiak, man werde „im Lichte der Entscheidung von heute, auch der Worte von gestern“ darüber entscheiden.
Laschet appelliert an die Geschlossenheit der Union
Laschet appellierte bereits bei der Sitzung der NRW-Landesgruppe am Montagabend an die Geschlossenheit der Union. „Ein gutes, faires Miteinander ist gerade jetzt zentral. Ich setzte auf Geschlossenheit“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur von Teilnehmern in der Sitzung der einflussreichen Landesgruppe der CDU-Abgeordneten aus NRW in Berlin.
Der Rückhalt in der heimischen Landesgruppe dürfte für Laschet auch angesichts der Nervosität unter den Bundestagsabgeordneten wegen der schlechten Umfragewerte für die Union und für ihn persönlich wichtig sein. Die 42 NRW-Abgeordneten bilden die stärkste Landesgruppe unter den insgesamt 245 Unionsabgeordneten.
Laschet sagte nach diesen Informationen, die potenziellen Wähler erwarteten besonders von der Union, dass sie auch im Lösen der Personalfragen einen fairen Umgang miteinander habe. Er selbst sei bereit, sich jederzeit über die künftige Aufstellung der Union auch in der Bundestagsfraktion auszutauschen. Er bleibe aber dabei, dass dies miteinander abgestimmt werden müsse, zumal in dieser Lage.
Mehrere Mitglieder der Landesgruppe hätten darauf hingewiesen, dass Söder seine mögliche Kandidatur an eine breite Unterstützung durch die CDU geknüpft habe. Die CDU-Führung habe sich nun geschlossen hinter Laschet gestellt.
Landesgruppenchef Günter Krings sagte, es wäre gut, wenn Söder dieses klare Stimmungsbild respektiere und einen Beitrag zur Geschlossenheit biete. Krings wurde mit den Worten zitiert, Söder habe deutlich gemacht, „dass eine Kanzlerkandidatur für ihn nur in Frage komme, wenn die CDU ihn ruft.
Ich würde gerade in so schwierigen Zeiten davon abraten, diese Regeln kurzfristig zu verändern.“ Es wäre „sehr problematisch“, wenn dem CDU-Vorstand die Legitimation abgesprochen würde, für die Mitglieder zu sprechen.
Auch Bildungsministerin Anja Karliczek und der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, sprachen sich für Laschet aus. Karliczek sagte laut Teilnehmern: „Wir brauchen in Berlin jemanden, der nicht nur Wahlkampf führen kann, sondern auch moderieren kann.“
Mehr: Armin Laschet kontert Markus Söder nach allen Regeln des Machtspiels aus. Ein Kommentar.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Die einzige Frage sei: „Wollen wir gewinnen?“ - Das ist die entscheidende Frage, ähnlich wie die Frage "Wollen wir möglichst viele Leben retten?" Wurden beide Fragen aus meiner Sicht von der Bundesregierung nicht mit JA beantwortet - irgendwelche politische, ideologische oder chaotische Gedanken standen im Vordergrund.
@Herr Checker Joe: Herr Söder ist ein Pragmatiker: In der Corona Krise hat Bayern sehr schnell kostenlose Tests für Reiserückkehrer ermöglicht. Bayern wurde massiv kritisiert..... heute sind Tests für die Allgemeinheit immer noch eine Seltenheit. Dass ein gelernter Journalist gut mit den Medien umgehen kann, sollte man nicht als "alles Show" oder "Selbstinszenierung" bezeichnen. Schließlich ist es von Vorteil, wenn auch über Medien sinnvolle Maßnahmen kommuniziert und schnell umgesetzt werden.
@Herr Francis von Hagen: Lieber schlechte Anzüge als schlechte Entscheidungen!
Der Söder hat Qualitäten - aber wie destruktiv und grausam kann das werden, wenn er diese Talente gegen seine Mandantschaft, seine Wähler einsetzt?
Der Söder zeigt im ganzen Pandemie-Verfahren eine machtpolitische Skrupelosigkeit, die vor lauter IchIchIch einen feuchten Deucht auf's Gemeinwohl setzt - alles Show, alles Selbstinszenierung, völlig wurscht, was er an Leiden in die Kinderseelen und den Menschen allgemein aufbürdet.
Die Zeit solcher Proll's ist mehr und mehr vorbei - und die charakterliche Reife für einen idealistischen Lagerwechsel "ins Reich des Guten" kann ich bei ihm nicht erkennen.
Nach 16 Jahren rum moderieren sollte nicht der nächste Moderator an die Regierung kommen. So meistert man keine nationalen und internationalen Krisen. Wir haben auf
vielen Gebieten den Anschluß verloren und das Land droht drittklassig zu werden.
Herr Laschet hatte die Gelegenheit als Ministerpräsident in NRW Führungskompetenz zu
beweisen, leider hingt das Bundesland in vielen Punkten weiterhin hinter Bayern, Baden
Württemberg und Hessen hinterher.
Laschet hat, im Vergleich zu Söder, auf jeden Fall den besseren Schneider.
Haben alle schon vergessen, daß Söder bis vor Kurzem, noch Zielscheibe für Hohn und Spott war.
Die schlecht sitzenden Anzüge, der schlurige Gang. "Bundeskanzler Söder", das muß man nur ein paarmal vor sich hin murmeln, dann weiß man: "Völlig absurd."
Sollte her Laschet Kanzlerkandidat werden ist ein Absturz der CDU bei Landtagswahlen und der Bundestagswahl vorprogrammiert und in den östlichen Bundesländern wird die AFD enormen Auftrieb erhalten.
Selbst im eigenen Bundesland NRW ist die Zustimmung für Herrn Laschet nicht gerade schmeichelhaft.
Das Votum von ein paar Parteigranden der CDU hat wenig mit Demokratie und Realitätsnähe zur Stimmung in der Bevölkerung zu tun.
Für viele Wähler aus dem Süden würde Laschet als Affront gegen den umfragestarken Söder gesehen. Dass man Umfragen zur Seite schiebt, kommt bei den Wählern nicht gut an, schließlich hat Merkel damals beim Fukushima Debakel sich für einen Grün - Ruck entschieden wegen den Demoskopen und Deutschland hohe Strompreise und eine unglückliche Energiewende gebracht.
Wenn nun diese unglückliche Seilschaft um Merkel ihre eigenen Mitglieder und Umfragen als unwichtig erachten, dann ist es eine Verhöhnung des besseren Kandidaten und des wichtigen, leistungswilligen Bundeslandes Bayern und dessen Ministerpräsidenten.
Als konservativer Wähler würde ich dann wohl entweder Grün oder Gelb wählen - aber wohl nicht den Möchte-Gern + Seilschaft Kanzlerkandidat Laschet.
- Leider zum Schaden der CSU aber auch zum Schaden der CDU -