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Gas-Kompressorstation in Russland

Methan-Emissionen entlang der Erdgasinfrastruktur verhageln der Branche die Klimabilanz.

(Foto: imago images/ITAR-TASS)

Klimaneutralität Die Gasbranche steckt in der Methan-Falle

Klimaschützer lassen nicht locker: Sie fürchten wachsende Schäden durch Methanlecks in der Gasinfrastruktur. Eine Studie gibt ihnen recht. Die EU-Kommission reagiert mit neuen Regeln.
14.12.2021 - 04:00 Uhr 1 Kommentar

Berlin Die Erdgasbranche ist in den Fokus von Klimaschützern geraten. Längst gibt es Forderungen, dem Kohleausstieg einen Gasausstieg folgen zu lassen. Eines der Hauptargumente der Erdgaskritiker sind die Methanemissionen. Das Internationale Institut für Nachhaltigkeitsanalysen und -strategien (IINAS) liefert ihnen nun neue Argumente.

Das IINAS kommt in einer Studie für das Beratungsunternehmen DWR eco zu dem Ergebnis, dass die spezifischen Methanemissionen des deutschen Erdgasmixes bis 2030 weiter steigen, wenn nicht rasch gegengesteuert wird. Hauptgrund ist der den meisten Prognosen zufolge wachsende Anteil russischer Gaslieferungen. Gaslieferungen aus Russland sind mit einem überdurchschnittlich hohen Methananteil aus der Vorkette belastet. Das liegt an den langen Pipeline-Transportrouten.

Methan ist um ein Vielfaches klimaschädlicher als CO2. Es wird durch Leckagen in der Erdgasinfrastruktur frei. Der Anteil grüner Gase wie Wasserstoff wird der IINAS-Studie zufolge bis 2030 noch sehr gering sein und daher kaum zu einem verbesserten Emissionsprofil beitragen. Ein hoher Primärenergieanteil von Erdgas sei daher nicht mit dem im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP formulierten Ziel der Klimaneutralität bis 2045 vereinbar, so die Schlussfolgerung der IINAS-Studie.

„Mit Blick auf die Methanemissionen der Erdgas-Wertschöpfungskette stehen wir erst am Anfang des Erkenntnisprozesses“, sagt Jakob Medick von DWR eco. „Stringente Standards und Berichtspflichten müssen erst noch entwickelt werden.“ Man könne daher davon ausgehen, dass die tatsächlichen Methanemissionen derzeit eher höher seien als angenommen. Insbesondere bei Gaslieferungen aus Russland. Das Emissionsprofil von Erdgas müsse sich dringend ändern, fordert er. Gerade im Gebäudesektor könnten der Einsatz elektrischer Wärmepumpen und ein Verzicht auf neue Gas- und Ölkessel wesentliche Beiträge zur Emissionsreduktion leisten.

Die Erdgasbranche hat das Methanproblem erkannt. So haben beispielsweise die Betreiber der Gasfernleitungen kürzlich zugesagt, die Methanemissionen im Vergleich zu 2015 bis 2025 halbieren zu wollen. Die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB Gas), in der sich die großen überregionalen und grenzüberschreitenden deutschen Gastransportunternehmen zusammengeschlossen haben, hat im September ein Pilotprojekt zur Erfassung der Methanemissionen abgeschlossen.

EU-Kommission will regulieren

Die FNB Gas hat nach eigenen Angaben an rund 43.000 potenziellen Emissionsquellen – etwa an Ventilen oder Schiebern – im deutschen Gasfernleitungsnetz Untersuchungen vorgenommen. Es handelt sich laut FNB Gas um die „bislang umfangreichste koordinierte Messung“ dieser Art. Aus einer Hochrechnung der Messergebnisse ergibt sich nach Angaben von FNB Gas ein Anteil der Mitgliedsunternehmen „von etwa 0,06 Prozent an den Gesamttreibhausgasemissionen in Deutschland“. Das Ergebnis zeige, dass man die bisher angenommenen Methanemissionswerte „deutlich nach unten“ korrigieren könne. Doch Klimaschützer wollen sich damit nicht zufriedengeben.

Spätestens mit der Glasgower Weltklimakonferenz im November hat das Methanthema die internationale Bühne erreicht. Die EU hatte sich in Glasgow gemeinsam mit Dutzenden anderen Ländern dazu verpflichtet, die Methanemissionen bis 2030 um mindestens 30 Prozent gegenüber 2020 zu senken.
Erreichen will die EU-Kommission das mit Regulierungen. Die Pläne dazu legt sie am Dienstag vor. Sie sind Bestandteil eines großen Regulierungspakets für den Gassektor. Nach dem bislang bekannt gewordenen Entwurf sollen Anlagenbetreiber aus der EU verpflichtet werden, Methanemissionen aus ihren Anlagen regelmäßig zu messen, Berichte darüber einzureichen und die erforderlichen Reparaturen zu veranlassen.

Der Entwurf sieht zwar keine Kontrollen für Produzenten außerhalb der EU vor, die Kommission will dafür aber eine „Methan-Transparenz-Datenbank“ über die Emissionen durch Importe aufbauen. Sogenannte Super-Emittenten sollen durch Satellitenbilder erkannt werden, und die Brüsseler Behörde könnte bilaterale Gespräche mit betroffenen Ländern aufnehmen.

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Aus Sicht von Klimaschützern ist das ein guter Anfang. „Die Regeln für die Energiewirtschaft innerhalb der EU sind gar nicht schlecht. Das muss sich allerdings noch im finalen Entwurf bestätigen“, sagt Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Die DUH verfolgt das Thema seit geraumer Zeit und hat vor einigen Monaten eigene Messungen von Methanleckagen in der deutschen Erdgasinfrastruktur vorgenommen. Die DUH hat nach eigenen Angaben die zuständigen Landesumweltämter mit ihren Messergebnissen konfrontiert. „Die Antworten zeigen totales Chaos: In keinem Fall wusste eines der Ämter von den Leckagen, viele Ämter fühlen sich gar nicht zuständig, die Ämter verweisen auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen, keines der Ämter hat zusätzliche Auflagen angeordnet“, sagt Zerger.

Die auf Umweltrecht spezialisierte Anwältin Cornelia Ziehm kommt in einer rechtlichen Bewertung der Messergebnisse und der Reaktion der zuständigen Behörden im Auftrag der DUH zu dem Ergebnis, es bedürfe „verbindlicher und anhand objektiver Kriterien festgelegter technischer Überprüfungsanforderungen seitens des Gesetz- und Verordnungsgebers im Energiewirtschaftsgesetz und in der Gashochdruckleitungsverordnung“ zur Erfassung von Methanemissionen.

Das bisherige Regelungssystem setze im Wesentlichen auf eine „technische Selbstverwaltung“ der Branche, was nach Ziehms Überzeugung Methanemissionen nicht ausreichend verhindert und zudem „zu unvollständigen Meldungen im Nationalen Inventarbericht unter der Klimarahmenkonvention“ führe. Als Vertragsstaat der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) ist Deutschland seit 1994 dazu verpflichtet, detaillierte und vollständige Angaben zu nationalen Treibhausgasemissionen zu erstellen, zu veröffentlichen und regelmäßig fortzuschreiben.

Mehr: Warum die Ziele aus dem Koalitionsvertrag kaum zu meistern sind

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1 Kommentar zu "Klimaneutralität: Die Gasbranche steckt in der Methan-Falle"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Gut, dass wir eine neue Pipeline Nord Stream 2 haben, darüber können wir Erdgas bestimmt mit deutlich weniger Methanabgabe transportieren als mit den alten Pipelines!
    Von Frau Bärbock erwarte ich, dass sie genau dieses Argument klar auf die Seite der Nord Stream 2 Befürworter zieht:
    1. Russlands Erdgas ist notwendig, um die Kohlekraftwerke abzuschalten. Diese stoßen 6 mal mehr CO2 aus als Erdgas Kraftwerke
    2. Russlands Erdgas ist eine Brückentechnologie, damit man in Zukunft grünen Wasserstoff in die Gasnetze einspeisen kann.
    3. Nord Stream 2 verursacht deutlich weniger Methanemissionen als "alte" Pipelines.

    Aus meiner Sicht ist der Artikel allerdings geschrieben, um Erdgas in Misskredit zu bringen. Um Methan zu reduzieren ist es deutlich sinnvoller den Fleischkonsum zu reduzieren, das Pfurzen der Kühe ist der größte Methan - Umwelt - Schaden.
    Methan an den Ventilen zu sammeln und sicher zu entsorgen ist wohl keine große technische Meisterleistung und wird den Betreibern selbst von "alten" Pipelines gelingen!

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