Klimaneutralität „Voraussichtlich nicht wettbewerbsfähig“: Grüner Wasserstoff schneidet schlechter ab als blauer

Die Potenziale zur Herstellung von grünem Wasserstoff sind in Deutschland begrenzt.
Berlin Auf dem Weg zur Klimaneutralität ist Wasserstoff der Hoffnungsträger für die Stahl- und die Chemiebranche, für den Schwerlast- und Flugverkehr. Überall dort, wo der direkte Einsatz von Strom nicht möglich ist, ist Wasserstoff gefragt. Im Idealfall wird grüner Wasserstoff eingesetzt, doch der trägt eine hohe Kostenlast.
„Grüner, auf Basis von Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugter Wasserstoff wird in großskaligen Mengen mittelfristig voraussichtlich nicht wettbewerbsfähig sein“, heißt es in einer Analyse des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI), die dem Handelsblatt vorliegt.
Blauer Wasserstoff werde bis 2030 günstiger sein, schreiben die Autoren. Allenfalls langfristig „könnte grüner Wasserstoff mit blauem Wasserstoff konkurrieren“. Dies treffe insbesondere auf Regionen mit guten Photovoltaik-Potenzialen wie Südspanien zu, hänge aber maßgeblich von der weiteren Kostendegression bei erneuerbaren Energien und Elektrolyseuren ab.
Bundesregierung hat sich auf grünen Wasserstoff festgelegt
Der Kostenvergleich rührt an einen neuralgischen Punkt: Die Bundesregierung hat den Fokus ihrer im Juni beschlossenen Nationalen Wasserstoffstrategie ganz auf grünen Wasserstoff gerichtet. Blauer Wasserstoff spielt in den Überlegungen der Bundesregierung dagegen nur eine untergeordnete Rolle.
Blauer Wasserstoff entsteht durch Dampfreformierung auf Erdgasbasis in Kombination mit der Abscheidung und Speicherung des dabei frei werdenden Kohlendioxids (Carbon Capture and Storage, kurz CCS). Dieses Verfahren ist umstritten.
Greenpeace Energy etwa kritisiert, blauer Wasserstoff sei mit einem „erheblichen CO2-Fußabdruck belastet“. Laut Greenpeace Energy werden je Kilogramm blauen Wasserstoffs fünf bis sieben Kilogramm CO2 frei. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) lehnen ihn als Alternative zu grünem Wasserstoff ab.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hält blauen Wasserstoff in einer Übergangsphase für unverzichtbar. Er konnte sich in der Debatte um die Nationale Wasserstoffstrategie mit dieser Position aber nicht durchsetzen.
Blauer Wasserstoff wird allerdings bis weit in die Reihen von Klimaschützern als wichtiger Baustein angesehen. Er sei „in der nächsten Dekade die einzige kostenseitig halbwegs vertretbare Quelle für Mengenanwendungen sowie für den Markthochlauf in den Bereichen, in denen Wasserstoff eine hohe strategische Bedeutung“ hat“, sagt etwa Felix Matthes vom Öko-Institut.
Das EWI hat für seine Analyse einen umfassenden Kostencheck vorgenommen. Um eine Abschätzung über die Kosten für Wasserstoffimporte im Vergleich zur Herstellung in Deutschland vornehmen zu können, wurde die Bereitstellungskosten für CO2-armen Wasserstoff für 89 Länder untersucht.
Für grünen Wasserstoff berechnete das EWI die Gestehungskosten auf der Basis von eigens für die Wasserstoffproduktion errichteten Anlagen, also etwa Photovoltaik- oder Windkraft-Anlagen, plus Elektrolyseur.
Neben der Dampfreformierung in Kombination mit CCS haben die EWI-Forscher auch versucht, die Kosten für die dritte Wasserstoff-Variante zu ermitteln, für den sogenannten türkisen Wasserstoff, der durch Methanpyrolyse auf Erdgasbasis entsteht.
Vorteil des türkisen Wasserstoffs ist, dass das Verfahren festen Kohlenstoff als Nebenprodukt abwirft, der deponiert oder weiterverarbeitet werden kann. Allerdings geht die Analyse davon aus, dass türkiser Wasserstoff wegen des geringen technischen Reifegrades erst nach 2030 in größerem Maßstab zur Verfügung steht.
Wasserstofftransport per Schiff noch auf Jahrzehnte unwirtschaftlich
Die EWI-Berechnungen ergeben, dass die Gestehungskosten von in Deutschland durch Elektrolyse mit Strom aus Offshore-Windanlagen erzeugtem Wasserstoff bis 2030 auf 3,5 Euro je Kilogramm Wasserstoff fallen könnten, unter besonders günstigen Umständen seien sogar Kosten von „unter drei Euro in Reichweite“. Zur Einordnung: Konventionell hergestellter Wasserstoff ist für rund 1,50 Euro je Kilogramm zu haben.
Die Einfuhr von mittels Photovoltaik-Strom erzeugtem grünem Wasserstoff über umgewidmete Erdgaspipelines würde laut EWI rund 2,7 Euro je Kilogramm kosten. Damit stelle der Import aus Spanien die für Deutschland kostengünstigste Option dar, Wasserstoff zu importieren, so das Resümee des EWI.
Teuer wird es dagegen, wenn der Wasserstoff per Schiff importiert wird. Die EWI-Experten verdeutlichen das am Beispiel Algerien: „Trotz der niedrigen Wasserstoffgestehungskosten im Exportland treibt vor allem der Energieaufwand für die Verflüssigung die Kosten nach oben“, schreiben sie.
Der Transport via Schiff spielt in verschiedenen Überlegungen eine Rolle. So wollen beispielsweise deutsche und australische Unternehmen die komplette Wertschöpfungskette für die Herstellung von grünem Wasserstoff in Australien und den Transport nach Deutschland testen.
Hintergrund dieser Pläne sind die begrenzten Möglichkeiten in Deutschland. Die Flächenpotenziale für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen reichen hierzulande nach übereinstimmender Einschätzung von Experten allenfalls aus, um 30 Prozent des Eigenbedarfs zu decken.
„Blauer Wasserstoff stellt mittelfristig voraussichtlich die kostengünstigste Option zur Bereitstellung von CO2-armem Wasserstoff dar“, so das EWI-Fazit.
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