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Klimaschutz 2035 oder später? EU-Kommission hadert mit dem Aus für Verbrennungsmotoren

Am Mittwoch wollen die 27 EU-Kommissare beschließen, wie sparsam Autos in Zukunft sein müssen. Um die entscheidende Zahl wird hart gerungen.
13.07.2021 Update: 13.07.2021 - 19:45 Uhr 5 Kommentare
Viele Hersteller bereiten sich auf die Umstellung der Produktion vor. Quelle: dpa
Elektrischer VW in Dresden

Viele Hersteller bereiten sich auf die Umstellung der Produktion vor.

(Foto: dpa)

Brüssel Wenn in der Politik offiziell ein Beschluss gefasst wird, ist er oft schon lange vor dem eigentlichen Termin ausgehandelt. Auch in der EU-Kommission ist das so: Die Unterhändler der verschiedenen Kommissare einigen sich in den Tagen vor der Sitzung, die Kommissare nicken nur noch ab.

Bei den Vorschlägen für das Klimaschutzpaket der EU, die am Mittwoch vorgestellt werden sollen, ist das anders. Erwartet wird, dass die Kommissare sich erst bei ihrer Zusammenkunft am Mittwochvormittag einigen und bis dahin weiter streiten. Es geht um viele Zahlen in einer ganzen Reihe von Gesetzen. Sie sollen eingesetzt werden, wo bisher in den Entwürfen nur eckige Klammern zu sehen sind.

Eine der wichtigsten dieser Zahlen ist das Datum, zu dem in der EU nur noch emissionsfreie Autos zugelassen werden dürfen. Der zuständige Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans hat vorgeschlagen, dass dies 2035 der Fall sein soll.

Mehrere Kommissare haben gestreut, dass sie das zu ambitioniert finden, darunter EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis und Industriekommissar Thierry Breton. Mittlerweile soll es etwa ein Drittel der 27 Kommissare sein, haben manche in Brüssel gezählt.

Das ist viel. Die Kommission trifft ihre Beschlüsse einstimmig. Theoretisch kann also ein einzelner Kommissar den Prozess aufhalten. Andere in der Kommission wundern sich: Die Autoindustrie sei längst weiter, viele Hersteller hätten mit ihren E-Auto-Szenarien längst die EU-Vorgaben überboten.

Außerdem sei es wichtig, schnell Klarheit zu haben, meinen einige der Kommissare. Dass nun Kommissare infrage stellen, dass Autos klimaneutral fahren sollen, wird gedeutet als Industriepolitik im Auftrag des Heimatlandes. Das darf nicht Sache der EU-Kommissare sein – sie sollen sich als Fachleute für ihr Zuständigkeitsgebiet sehen, nicht als Vertreter ihrer Herkunftsstaaten, steht im EU-Vertrag.

Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte der „Süddeutschen Zeitung“ am Dienstag lediglich, dass die EU-Kommission „einen zeitlichen Rahmen vorgeben [wird], bis zu dem alle Autos emissionsfrei sein müssen“. Sonst fehle Planungssicherheit, und man werde die Klimaneutralität bis 2050 nicht erreichen. „Wie sie ihre Produktion verändern, bleibt den Herstellern aber selbst überlassen“, betonte die Politikerin.

Welche Kompromisse möglich wären

Zwei Arten von Kompromissvorschlägen sind für Mittwoch denkbar: Entweder verschiebt sich das Datum nach hinten, oder es verringert sich die Anforderung an die Klimafreundlichkeit. Beide Vorschläge sind aus der Kommission zu hören.

Was als Verbot von Verbrennungsmotoren diskutiert wird, ist in Wirklichkeit ein Flottengrenzwert, wie es ihn auch jetzt schon gibt, also der durchschnittliche CO2-Ausstoß aller von einer Marke zugelassenen Pkw. Für leichte Nutzfahrzeuge gibt es einen eigenen Flottengrenzwert.

Bisher steht im Gesetz, dass ab 2025 der Wert für Pkw-Flotten 15 Prozent unter dem Wert von 2021 liegt und ab 2030 37,5 Prozent darunter. Diese Werte sollen nun ergänzt werden.

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Wenn die EU sich entschließt, für ein nicht allzu fernes Datum eine Reduktion von 100 Prozent festzuschreiben, wäre dies de facto das Aus für Verbrennungsmotoren in Europa.

Kritiker sehr strenger Grenzwerte sehen drei Ungerechtigkeiten:

  • Erstens gehen Elektroautos als Nullemissionsfahrzeuge in die Rechnung ein, weil sie selbst keine Emissionen freisetzen. Allerdings wird der Strom, mit dem sie geladen werden, nicht klimaneutral hergestellt.
  • Zweitens wird bei der Herstellung der Autobatterie mehr Energie verbraucht als bei der Herstellung eines Verbrennungsmotors, was ebenfalls nicht in die Rechnung eingeht.
  • Und drittens können Verbrennungsmotoren auch mit klimaneutralen E-Fuels betrieben werden. Diese könnte man dem normalen Benzin beimischen – was aber in die Berechnung der Flottengrenzwerte nicht eingehen würde.

Der Grünen-Europaabgeordnete Bas Eickhout sieht das Jahr 2035 als Minimum, eigentlich müsste der Ausstieg aus dem Verbrenner früher stattfinden. Eickhout macht eine einfache Rechnung auf: Autos fahren etwa zehn bis 15 Jahre auf europäischen Straßen. Wenn bis 2035 Verbrenner zugelassen werden, verschwinden sie also etwa 2050 – in dem Jahr, in dem die EU klimaneutral sein will.

Allerdings seien Autos der Teil des Verkehrs, der sich am einfachsten auf Elektroantrieb umstellen ließe. Langstreckentransporte, Flugzeuge und Schiffe sind viel schwerer umzustellen. Bei den Pkws erst 2050 das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen ist aus Sicht des Grünen darum zu wenig.

Autokonzerne diskutieren mit

In die Diskussion mischen sich auch die Autokonzerne und Verbände ein, aber sie sind nicht einig. So setzt Volkswagen (VW) nach dem Dieselskandal voll auf die Elektrifizierung seiner Fahrzeuge – zumindest in Europa. „Es ist klar, dass wir die Klimaziele nur mit dem E-Antrieb erreichen werden“, hatte VW-Chef Herbert Diess im Interview mit dem Handelsblatt gesagt. „Bis 2030 ist keine andere Technologie wettbewerbsfähig, ob nun die Brennstoffzelle oder E-Fuels.“
Doch den Weg wollen längst nicht alle Hersteller gehen – und vor allem nicht die Zulieferer, die seit Jahren daran arbeiten, den Verbrennungsmotor zu optimieren und sauber zu machen. Sie haben sich fern der Automobilverbände VDA (national) und ACEA (europäisch) in der „Efuels Alliance“ zusammengeschlossen, die nach eigenem Bekunden 135 Institutionen aus der Automobil- und der Mineralölindustrie vertritt. Dem Verband geht es darum, die Chance auf einen „klimaneutralen Verbrennungsmotor“ zu erhalten.

Allerdings zweifeln die Gegner, dass es jemals ausreichend bezahlbaren synthetischen Kraftstoff geben wird - allenfalls für den Schwerlast-, See- oder Luftverkehr, wie auch VW-Chef Diess argumentiert.

Die Efuels-Allianz hingegen wirbt dafür, die EU-Kommission solle bei einer 100-Prozent-Vorgabe beim CO2-Ausstoß bis 2035 zumindest „die Wirkung von kohlenstoffarmen Kraftstoffen berücksichtigen.

Die EU-Kommission will am Mittwoch zwölf Gesetzesinitiativen vorstellen, acht davon sind Aktualisierungen bestehender Gesetze. Neben den Vorgaben für Autos steht eine Verschärfung des Emissionshandels im Fokus. Auch hierbei wird bis zuletzt offenbleiben, wie schnell die Zertifikate verknappt und damit verteuert werden und ab wann es keine freien Zuteilungen mehr geben wird.

MehrIn Zukunft soll kein Neuwagen mehr mit Benzin oder Diesel fahren: Die EU-Kommission könnte entsprechende CO2-Grenzwerte bis 2035 auf null absenken. Das geht vielen zu schnell.

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5 Kommentare zu "Klimaschutz: 2035 oder später? EU-Kommission hadert mit dem Aus für Verbrennungsmotoren"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • An Herrn Peter: Ihre PV-Anlage lädt Ihr Auto ökonomisch, weil sie für eingespeiste kWh weniger bekommen als sie für bezogene zahlen müssten. Dass Sie damit nun grün fahren würden ist aber ein Irrtum. Denn würden Sie nicht Ihr PHEV laden, stünde diese Leistung dem Netz zur Verfügung und es bräuchte weniger Kohlestrom und das würde im Fall Braunkohle mehr CO2 einsparen als ein reiner Verbrenner auspustet. Manche glauben überdies, Elektronen ließen sich lenken.

  • @Herr Torsten Gröschel - ich stimme Ihnen zu:
    Jedes alte Auto, das länger fährt spart CO2 - denn es muss nicht aufwendig ein neues produziert werden.
    Jeder Diesel benötigt keine große, Energie- und Ressourcen fressende Batterie.
    Jeder Hybrid ist sparsamer und aus meiner Sicht eine ideale Lösung:
    Ich fahre einen Hybrid, im Verbrennungsmodus benötigt er einen Liter weniger Benzin als ein reiner Verbrenner wegen der Rekuperation.
    Meine Photovoltaikanlage speist ihn ökologisch und die Batterie ist im Vergleich zu einem reinen e-Auto ca. 10mal kleiner und wird ständig zu einem hohen Grad genutzt.
    Daimler und BMW bauen gute Autos - die Hybride funktionieren und das gefällt mir auch rein technologisch.
    Die Grünen mit ihrer ideologisch und ökologisch sinnlosen Forderung nach reinen e-Autos sind auf dem Holzweg. Wer steht dahinter? Welcher Lobbyverein? Oder sind die Grünen wirklich so unfähig?

  • Ungerechtigkeiten? Dummheiten! Denn es ist ausgesprochen dumm, ein Fakt hartnäckig zu ignorieren zugunsten einer eingebildeten „Lösung“. Und das Fakt ist die Stromerzeugung, die in Deutschland wahrscheinlich sogar noch für Jahrzehnte nicht rein grün sein kann. Jedes Kilowatt zusätzlicher Leistung, die im Stromnetz fürs Autofahren bereitgestellt werden muss, ist der Erzeugung zuzurechnen, die dafür einspringt. Das sind in den seltensten Fällen grüne Kraftwerke. Es sind meistens fossile, egal ob in Deutschland, Polen oder Tschechien. Grüne Kraftwerke sind es deshalb nicht, weil die ja bereits mit Volllast einspeisen bevor die Zusatzleistung abgerufen wird. Es ist deshalb auch völlig egal, wie hoch die Strommix-Zahl ist, so lange sie nicht 100% beträgt. Das wird einfach zu selten begriffen. Dieses wissenschaftliche Fakt wurde auch vor einigen Wochen in dem Brief an die EU von 170 internationalen Wissenschaftlern dargelegt. Komischerweise kann ich mich gar nicht erinnern dass das im Handelsblatt großen Raum eingenommen hätte. Ideologiegesteuerte Zensur? Batterieautos können im Fahrbetrieb beim CO2 besser sein als Verbrenner, aber nur wenn nicht Kohle einspringt. Zusammen mit der Batterieherstellung wird es schwer, überhaupt CO2-break-even zu erreichen.

  • Beitrag von der Redaktion gelöscht. Bitte halten Sie sich an unsere Netiquette: "Beiträge sind keine Werbeflächen!" https://www.handelsblatt.com/impressum/netiquette/

  • Traurig. Batterieautos sind nicht klimaneutral. Trotzdem wird so getan, als seien sie es. Bei korrekter Berechnung hätte ein moderner Hybrid oder Diesel weit bessere Umweltwerte. Man kann nur hoffen, dass sich die Ideologen nicht durchsetzen werden.

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