Klimaschutz Al Gore: „Die Welt steht vor einer Nachhaltigkeitsrevolution“

„Wir befinden uns in der Anfangsphase einer globalen Nachhaltigkeitsrevolution.“
Sölden In den vergangenen Jahren hat der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore immer wieder lautstark vor den Folgen des Klimawandels gewarnt. Im Interview mit dem Handelsblatt äußert er sich nun optimistisch.
Die Krise spitze sich zwar zu. Gleichzeitig stehe die Welt nun aber vor einer „globalen Nachhaltigkeitsrevolution, die zum Teil durch maschinelles Lernen, Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge und Biotechnologie“ vorangetrieben wird, sagte Gore auf dem Giga Gipfel des Handelsblatts im Interview mit der Publizistin Miriam Meckel.
Diese neue „grüne Revolution“ habe „das Ausmaß und die Auswirkungen der industriellen Revolution, gepaart mit der Geschwindigkeit der digitalen Revolution“.
Zwar habe Technologie die Klimakrise entscheidend mitverursacht, doch werden technische Innovationen nun dabei helfen, die „zerstörerische Abhängigkeit der Menschheit von fossilen Brennstoffen zu durchbrechen“, sagte Gore. Das führe dazu, dass der Klimawandel zwar nicht gestoppt, in seinen schlimmsten Auswirkungen aber aufgehalten werden könne. „Ich bin optimistisch, dass wir endlich einen Wendepunkt erreicht haben und dass wir nun den politischen Willen aufbringen, die Treibhausgasemissionen auf null zu senken.“
Große Hoffnungen auf Deutschland und Europa
Deutschland als führende Industrienation sei dabei ein Vorbild, meint Gore. Die Zahlen geben ihm recht. In Deutschland lag der Anteil grüner Technologien am Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr bei 15 Prozent. Das geht aus einem Bericht des Bundesumweltministeriums hervor.
Produkte und Verfahren der Umwelttechnik, etwa grüne Stromerzeugung, Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Mobilität, sind international gefragt. Deutsche Greentech-Anbieter haben sich erfolgreich am Weltmarkt positioniert. Innerhalb der Branche „Umwelttechnik und Ressourceneffizienz“ kommen 14 Prozent aller Anbieter weltweit aus Deutschland. Zum Vergleich: Der Anteil Deutschlands an der globalen Wirtschaftsleistung lag 2020 bei rund 3,4 Prozent.
Der deutschen Automobilindustrie komme wegen ihres weltweiten Renommees eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die Klimakrise zu, sagte Gore. „Ich hoffe, dass Deutschland den Wechsel zur Elektromobilität beschleunigt.“ Autohersteller auf der ganzen Welt gingen Verpflichtungen ein, sich vom Verbrennungsmotor abzuwenden, deshalb würden fossile Antriebstechniken schon bald vom Markt verschwinden.
Investoren halten sich bei der Finanzierung zurück
Doch neue Technologien zu fördern koste Geld, räumte Gore ein. Zwar versprechen Banken und Investoren, vor allem Unternehmen zu finanzieren, die nach ökologischen Gesichtspunkten wirtschaften. Doch müsse die Politik „Geldgebern die Gewissheit geben, dass Investitionen keine Risiken darstellen“, um privates Kapital, vor allem in den Entwicklungsländern, freizusetzen.
Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, bestätigt, dass sich Investoren mit der Finanzierung nachhaltiger Technologien schwertun – aus Angst, die Politik könne ihre ehrgeizigen Klimaziele nicht durchhalten.
Über die Umsetzung dieser Klimaziele diskutieren die Staatschefs aus 197 Nationen und von rund zweitausend Nichtregierungsorganisationen, die allerdings nicht über ein Stimmrecht verfügen, derzeit auf der Weltklimakonferenz in Glasgow. Denn nur alle Staaten gemeinsam können wirksam gegen den Klimawandel vorgehen, erklärte Gore.
War vor dem Pariser Klimaschutzabkommen die Annäherung zwischen den USA und China der Schlüssel zur Lösung der Klimafrage, seien es nun die Partnerschaften der USA mit Deutschland und Europa. „Die EU hat die entscheidenden Zukunftsimpulse geliefert, die die Welt brauchte“ und in der Vergangenheit „das Gewissen der Menschheit“ zum Ausdruck gebracht. Jetzt seien die USA am Zug.
Rückbesinnung auf natürliche Klimalösungen
Neben neuen Innovationen riet Gore, sich auf Bekanntes zu besinnen: „Die älteste bekannte Technologie zur Verringerung des Kohlenstoffs in der Atmosphäre ist der Baum“, sagt er.
Natürliche Klimalösungen wie die nachhaltige Forstwirtschaft und die regenerative Landwirtschaft könnten nicht nur dazu beitragen, die Emissionen zu senken, die Natur zu schützen und die Artenvielfalt zu erhalten. Sie schafften auch neue Arbeitsplätze.
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