Klimaschutz Das Ende des Verbrenners naht – und der Autogipfel soll die wichtigsten Antworten geben

Noch besteht ein Mangel an Ladesäulen für Elektrofahrzeuge. Helfen soll ein bundesweites Schnellladenetz.
Berlin Im Strandhotel Duhnen in Cuxhaven, mit Blick aufs Weltnaturerbe Wattenmeer, können Gäste problemlos ihr Auto aufladen: entweder an der hauseigenen Wallbox, dem „Tesla Charger“ oder der Ladestation von Mercedes, die Hoteleigner Kristian Kamp beim Kauf seines E-Vitos vor zwei Jahren gleich dazuerhielt. Die Zahl seiner Hotelgäste, die mit dem E-Auto anreisen, steigt, weshalb er schon bald drei weitere Ladesäulen aufstellen will. Der Service ist kostenlos, Externe zahlen 15 Euro. Die Entwicklung sei „positiv“, sagt er.
Ähnlich wie an der Nordsee läuft es in mehr als 100 Hotels der Republik, aber auch auf den Parkplätzen von Einzelhändlern wie Aldi, Kaufland oder Lidl. „Wir möchten es unseren Kunden leicht machen, auf E-Mobilität umzusteigen“, heißt es bei Aldi Süd. „Wir planen, unser Ladenetz weiter auszubauen“, heißt es bei Lidl, und auch Kaufland will weitere Ladesäulen betreiben, je mehr Autos auf den Markt kommen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird über das Ladenetz reden, wenn sie am 18. August zum letzten Mal die Autobosse im Kanzleramt zur „Konzertierten Aktion Mobilität der Zukunft“, vulgo: Autogipfel, empfängt. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wird über die Ausschreibungen für ein bundesweites Schnellladenetz berichten. Der Mangel an Ladesäulen wird allerdings ein Randthema sein, auch wenn inzwischen die vor zehn Jahren für 2020 versprochenen eine Million E-Mobile auf den Straßen fahren.
Die Runde, an der auch die Ministerpräsidenten der Autoländer, Gewerkschafter der IG Metall und Wissenschaftler teilnehmen werden, werden die Folgen des Erdbebens besprechen, das die EU-Kommission mit ihrem Klimaplan in der Branche ausgelöst hat.
Bis 2035, so der Plan, sollen neue Autos keine CO2-Emissionen mehr ausstoßen. Nach dem Stand der Technik bedeutet das nicht nur das Ende des Verbrenners. Auch Plug-in-Hybride, Fahrzeuge mit elektrischem Hilfsmotor, die für die Autobauer als wichtiges Vehikel in der Übergangszeit galten, dürften bald schon der Vergangenheit angehören. Deren Kauf subventioniert der Staat noch – allerdings ab 2022 nur noch, wenn sie statt 40 mindestens 60 Kilometer rein elektrisch fahren können. 2025 müssen es dann sogar 80 Kilometer sein.
Plug-in-Hybride haben keine Zukunft
Dies war ein Ergebnis des Autogipfels vom letzten November. Für viele der derzeit 494 Modelle dürfte diese Vorgabe das Aus bedeuten, da die Autos mit größeren Batterien einfach zu teuer werden.
Die EU hat den Autobauern zwar bis 2025 keine strengeren Vorgaben gemacht. Um bis 2030 allerdings die Emissionen nun um 55 statt um 37,5 Prozent zu senken, halten Regierungsexperten aber 14 Millionen batterieelektrische Fahrzeuge für nötig. Laut Bundesverkehrsministerium bedeutet dies, dass 2030 vier von fünf neu zugelassenen Autos elektrisch fahren müssen. Entsprechend müssen die Autohersteller ihre Strategien anpassen. Volkswagen ist bereits vorgeprescht, Daimler will im Juli folgen.

Noch besteht ein Mangel an Ladesäulen für Elektrofahrzeuge.
Und doch bleibt die Frage: Welche Unternehmen werden in der Lage sein, die Produktion so schnell umzustellen? Wie viele der mehr als 800.000 Arbeitsplätze bleiben am Ende übrig? Wie sieht die Produktion der Zukunft aus?
Die Antworten soll der Ökonom Jens Südekum beim Autogipfel geben. Der Düsseldorfer Professor ist Co-Vorsitzender des Expertenbeirats zum „Zukunftsfonds“, den die Regierung bei einem der letzten Gipfel beschlossen und mit einer Milliarde Euro dotiert hat. „Die Entscheidung der EU-Kommission verschärft noch einmal den Transformationsdruck in der Automobilbranche“, sagte Südekum dem Handelsblatt. Zumindest die großen Hersteller und Zulieferer seien gut vorbereitet und hätten auch die Finanzkraft für den Wandel.
„Größere Sorgen mache ich mir um viele kleine und hochspezialisierte Zulieferer“, sagte Südekum. „Hier hat längst noch nicht jeder akzeptiert, dass die Tage des Verbrenners unwiderruflich gezählt sind. Sie müssen jetzt noch schneller zusehen, wie sie ihre Geschäftsmodelle verändern können, um morgen noch dabei zu sein.“ Dies werde „längst nicht bei allen klappen“. Hier soll ein Transformationsfonds helfen.
Es habe keinen Sinn mehr, den Strukturwandel hinauszuzögern, sagte Südekum, der selbst mit heftigen „Disruptionen“ rechnet. Dabei würden auch viele Stellen wegfallen, wenn keine Verbrennermotoren mehr produziert würden. „Aber es entstehen auch genauso viele neue Jobs“, ist er sich sicher. Allerdings würden dies „ganz andere Tätigkeiten, möglicherweise an anderen Standorten“ sein. „Das wird auch viele traditionelle Autostandorte empfindlich treffen.“
Staat muss viele Milliarden für die Kaufprämie bereitstellen
Gefragt sind IT-Experten, Elektrochemiker und viele Fachleute, die heute schon knapp sind. Entsprechend werden Südekum und die Co-Vorsitzende Ina Schaefer, Professorin und Informatikerin an der Technischen Universität Braunschweig, beim Autogipfel über die Digitalisierung der Fahrzeuge reden, über neue regionale Netzwerke und die Frage, wie in Zukunft Fertigungsschritte in der Automobilherstellung aussehen werden.
Natürlich wird es auch um neuerliche Staatshilfen gehen. Bereits im November hatte sich die Gipfelrunde darauf verständigt, die staatliche Kaufprämie bis 2025 zu verlängern. Dies könnte teuer werden, wenn nun schneller als geplant E-Mobile verkauft werden müssen, um die neuen Flottengrenzwerte zu erreichen.

Die EU hat mit ihrem Klimaplan ein Erdbeben in der Autoindustrie ausgelöst.
Allein im ersten Halbjahr hat der Bund 1,25 Milliarden Euro an Autokäufer überwiesen. Nach den derzeitigen Daten zahlt er je eine Million Fahrzeuge vier Milliarden Euro. Bei 14 Millionen Autos, wie Verkehrsminister Andreas Scheuer sie bis 2030 angekündigt hat oder die SPD mit 15 Millionen in ihrem Wahlprogramm, wäre eine enorme Summe nötig. Laut Verkehrsministerium sollen die Subventionen jedenfalls erst auslaufen, wenn die „Kostenparität“ zum Verbrenner erreicht ist. „Allerdings sollte die Förderung stark darauf abzielen, dass sich die Mehrkosten weiter reduzieren“, hieß es.
Autobauer müssen die Grenzwerte europaweit einhalten
Doch gibt es noch ein grundsätzliches Problem: Die Flottengrenzwerte gelten für Europa, nicht allein für Deutschland. Bislang aber ist der Markt für Elektroautos zu 70 Prozent von Deutschland, Frankreich und den Niederlanden geprägt. Andere Staaten müssten ebenfalls den Kauf und den Ausbau der Ladeinfrastruktur fördern, ansonsten müssten die Hersteller umso mehr E-Fahrzeuge etwa in Deutschland absetzen – und damit das Ende des Verbrenners hierzulande weit früher einläuten. Drei Millionen Fahrzeuge werden jährlich in Deutschland neu zugelassen, EU-weit sind es mehr als zwölf Millionen.
Die Autobauer werden beim Gipfel darauf drängen, dass zumindest in allen EU-Staaten ausreichend Ladesäulen entstehen – damit der Urlaub mit dem Auto auch jenseits der Alpen möglich ist und der Umstieg leichter fällt.
Und doch: Einen Komplettausstieg aus dem Verbrenner wird es nicht geben. So diskutieren Experten noch, welcher Antrieb für schwere Nutzfahrzeuge infrage kommt oder für Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr – und wie es vor allem jenseits von Europa, etwa in Afrika oder weiten Teilen Asiens und Südamerika, weitergeht. Dort fehlt oft oftmals Strom – und erst recht die nötige Ladesäule.
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