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Klimaschutz Kurzstreckenflüge abschaffen oder verteuern? Was die Politik will – und wie die Branche reagiert

Kurzstreckenflüge sind aus Klimaschutzgründen umstritten – und könnten auch in Koalitionsverhandlungen in den Fokus geraten. Für Unmut sorgt ein Vorschlag der Grünen.
06.10.2021 - 11:00 Uhr 1 Kommentar
Angesichts des Klimawandels ist um Kurzstreckenflüge eine Debatte ausgebrochen. Quelle: dpa
Flugzeug von Eurowings

Angesichts des Klimawandels ist um Kurzstreckenflüge eine Debatte ausgebrochen.

(Foto: dpa)

Berlin Nach dem viele in der Coronapandemie lange aufs Reisen verzichtet haben, steigen in diesem Jahr wieder mehr Menschen in den Flieger. „Seit Juli spüren wir deutlich, dass die Menschen fliegen wollen, das ist ein wunderbares Signal“, sagte die Chefin des Berliner Hauptstadtflughafens BER, Aletta von Massenbach, dem Handelsblatt.

Trotz steigender Passagierzahlen bleibt die wirtschaftliche Lage an deutschen Flughäfen aber angespannt. Hinzu kommt: Um das Klima zu schützen, drohen den Fluggesellschaften zusätzliche Belastungen – womöglich auch Einschränkungen. Die Grünen hatten bereits im Wahlkampf angekündigt, nach der Bundestagswahl auf die komplette Abschaffung von Kurzstreckenflügen hinzuarbeiten.

In den Sondierungs- und später in den Koalitionsgesprächen dürfte das Thema erneut in den Fokus rücken, zumal die Grünen im Fall einer Dreierkoalition mitregieren würden. Wie realistisch ist ein Aus für Kurzstreckenflüge? Ist es denkbar, Flüge für den Klimaschutz teurer zu machen?

Geht es nach den Grünen, wird es Kurzstreckenflüge in absehbarer Zeit nicht mehr geben. In ihrem Wahlprogramm fordern sie, solche Flüge nach und nach zu verringern und bis 2030 durch bessere Bahnangebote überflüssig zu machen. Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hatte dies mit dem Klimaschutz begründet und erklärt: „Kurzstreckenflüge sollte es perspektivisch nicht mehr geben.“

Welche Flüge konkret betroffen wären, ist dem Grünen-Programm nicht zu entnehmen. Ein Positionspapier der Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2019 nennt Flüge bis zu einer Entfernung von 1000 Kilometern. Darunter fielen theoretisch alle Inlandsflüge. Die EU-Fluggastrechteverordnung definiert Kurzstreckenflüge großzügiger. Demnach wären dies alle Verbindungen bis maximal 1500 Kilometer. Dies würde auch Flüge beispielsweise von München nach Mallorca betreffen.

CDU und FDP wollen Kurzstreckenflüge erhalten

Der Grünen-Vorstoß überzeugt Vertreter von CDU und FDP, die in einer möglichen Jamaika- oder Ampelkoalition (hier nur die FDP) Partner der Ökopartei wären, nicht. „Wir wollen keine Flugverbote, das ist auch im EU-Kontext nicht vorstellbar, denn das würde auch sehr viele europäische Urlaubsziele betreffen“, sagte der Verkehrsexperte der Liberalen im Bundestag, Oliver Luksic, dem Handelsblatt. „Das wären Flüge wie Frankfurt – Rom oder Berlin – Belgrad und damit massive Reise- und Urlaubseinschränkungen.“ Das wäre „weder praktikabel noch sinnvoll“.

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Der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), warnt, die deutschen Flughafendrehkreuze Frankfurt und München würden unter einem Aus von Inlandsflügen einen „massiven Schaden nehmen und weiter an Marktanteil verlieren“.

Dahinter steht der Gedanke, dass Inlandsflüge von vielen Passagieren genutzt werden, die am Ankunftsort auf einen anderen Flug umsteigen, um ins Ausland zu fliegen. „In diesen Fällen ist der innerdeutsche Flug also Teil einer internationalen Flugverbindung, bei der Reisende etwa von Hamburg über Frankfurt nach Singapur fliegen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Matthias von Randow, dem Handelsblatt.

Die FDP-Verkehrspolitikerin Daniela Kluckert mahnt die Grünen daher zu mehr Realismus: „Mobilität eignet sich nicht für Schwarz-Weiß-Denken“, sagte die Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt. „Kurzstreckenflüge können teilweise durch gute Bahnverbindungen ersetzt werden, aber für Zubringerflüge werden sie auch zukünftig eine relevante Rolle spielen.“ Und auch darüber hinaus werde es auf einigen Strecken den Bedarf weiterhin geben.

Luftverkehrsbranche: Weniger Inlandsflüge bei besseren Bahnanschlüssen

Bareiß betont in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung von Regionalflughäfen für die deutsche Wirtschaft und den Mittelstand. „Unsere Hidden Champions sind nicht in den Großstädten, sondern in der Fläche verteilt“, sagte der CDU-Politiker. „Diese regionale Stärke würde durch ein Inlandsflugverbot stark gefährdet, denn gerade diese Unternehmen brauchen schnelle Verbindungen.“

Allerdings sind in den vergangenen Jahren bereits viele Flugverbindungen gestrichen worden, nachdem viele Passagiere auf schnelle Bahnverbindungen umgestiegen seien, gibt BDL-Hauptgeschäftsführer von Randow zu bedenken. Innerdeutsch werde heute im Wesentlichen nur noch auf längeren Strecken geflogen, zum Beispiel Berlin – Stuttgart oder Hamburg – München. „Hier ermöglicht es das Flugzeug den Reisenden als einziges Verkehrsmittel, an einem Tag an- und abzureisen und am Zielort Termine wahrzunehmen“, sagte von Randow. Das werde gerade von Geschäftsreisenden stark nachgefragt.

Im vergangenen Jahr ging mehr als jeder zweite Flug mit Start oder Landung in Deutschland über eine kurze Distanz von weniger als 1000 Kilometer. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor. Demnach hatten Kurzstreckenflüge 2020 einen Anteil von 53 Prozent an allen Passagierflügen, die auf den deutschen Hauptverkehrsflughäfen starteten oder landeten. Insgesamt waren es rund 313.000. Damit sei der Anteil trotz coronabedingt stark zurückgegangener Passagierzahlen ähnlich hoch wie vor der Pandemie, hieß es. 2019 lag er bei 54 Prozent.

Die Passagierflüge in Deutschland im Jahr 2020 waren nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für einen CO2-Ausstoß von insgesamt 9,75 Millionen Tonnen verantwortlich. Davon gingen 740.000 Tonnen auf das Konto von reinen Inlandsflügen, was einem Anteil von knapp acht Prozent entspreche.

Die Gruppe Extinction Rebellion protestierte im August 2020 gegen Kurzstreckenflüge. Quelle: dpa
Protestaktion am Flughafen München

Die Gruppe Extinction Rebellion protestierte im August 2020 gegen Kurzstreckenflüge.

(Foto: dpa)

Geht es nach der Luftverkehrswirtschaft könnten noch mehr dieser Flüge auf die Schiene verlagert werden. Dazu müsse aber die Bahn für bessere Zuganschlüsse und einen besseren Gepäckservice sorgen, sagte von Randow. Außerdem dürfe die Bahnreisezeit nicht wesentlich mehr als drei Stunden betragen. „Wenn alle genannten Voraussetzungen gegeben sind, dann sehen wir ein Potenzial von weiteren etwa 4,3 Millionen Passagieren pro Jahr, die sich für Schiene statt Flugzeug entscheiden könnten.“

Flüge werden teurer

Die Branche geht zudem fest davon aus, das Fliegen aus Klimaschutzgründen teurer werden wird. „Grundsätzlich rechnen wir mit tendenziell steigenden Preisen“, sagte von Randow. „Extreme Billigpreise wird es seltener geben und das ist auch richtig, denn schließlich brauchen die Fluggesellschaften auskömmliche Einnahmen.“

Die Airlines trügen die Kosten für die Organisation des Flugbetriebes und die Bezahlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zudem bräuchten sie „erhebliche Mittel“ für Investitionen in Servicequalität und die Erneuerung der Flugzeugflotten.

Um Billigpreise wie 29 Euro für Mallorca-Flüge künftig zu erschweren, plädierte Grünen-Chefin Baerbock für eine klimagerechte Besteuerung von Flügen. Die Luftverkehrswirtschaft sieht das allerdings kritisch. „Dort, wo Flugpreise aufgrund von Steuern und Klimaschutzmaßnahmen steigen, können diese nur dann wirksam für den Klimaschutz sein, wenn dadurch nicht der internationale Wettbewerb verzerrt wird“, sagte von Randow. „Einseitige Preisaufschläge, die von Anbietern außerhalb Deutschlands und Europas umgangen werden können, reduzieren Emissionen nicht, sondern verschieben sie lediglich zu ausländischen Fluggesellschaften und ihren Drehkreuzen.“

Mehr: Frankreich verbietet bestimmte Inlandsflüge: Ein Vorbild für andere europäische Länder?

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1 Kommentar zu "Klimaschutz: Kurzstreckenflüge abschaffen oder verteuern? Was die Politik will – und wie die Branche reagiert"

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  • Verbieten ist Unfug - der Markt muss es regulieren. Ich kann nicht verstehen, wieso es
    keine Kerosinsteuer gibt. Im uebrigen ist die Bahn gefragt - wenn es gute Bahnverbindungen
    gibt, hoert die Fliegerei auf.

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