Klimaschutz Steigender Benzinpreis: Oberster Verbraucherschützer fordert Reform der Pendlerpauschale

Die Rettung der Umwelt funktioniert auf Dauer wohl nur über höhere Benzinpreise.
Berlin Deutschlands oberster Verbraucherschützer, Klaus Müller, hat sich für eine Reform der Pendlerpauschale ausgesprochen, um steigende Benzinpreise auszugleichen. Eine weitere Anhebung der Pendlerpauschale, wie sie etwa von SPD und CSU befürwortet wird, lehnt er ab. „Eine simple Erhöhung der Entfernungspauschale würde vor allem hohen Einkommen helfen, Geringverdiener gingen mal wieder leer aus“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) dem Handelsblatt.
Müller schlägt stattdessen die Umwandlung der Pendlerpauschale in ein „einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld“ vor. Dadurch würden alle Einkommensschichten entlastet. Laut VZBV hat ein Mobilitätsgeld den Vorteil, dass allen Pendelnden die gleiche Summe je Entfernungskilometer von der Steuerschuld abgezogen wird, sodass die Entlastung unabhängig vom individuellen Steuersatz ist.
Über die Pendlerpauschale können Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte steuerlich geltend gemacht werden. Gegenwärtig können Berufstätige pro Arbeitstag für jeden Kilometer zum Arbeitsort 30 Cent absetzen.
Dabei ist es unerheblich, ob der Weg zu Fuß, per Rad, mit dem Auto oder per öffentlichem Nahverkehr zurückgelegt wird. Ab dem 21. Kilometer sind es seit diesem Jahr 35 Cent. Der Bund hatte diese Erhöhung bereits als Ausgleich für steigende CO2-Kosten beschlossen.
Der CO2-Preis gilt seit diesem Jahr und beträgt 25 Euro pro Tonne, was bezogen auf den Spritpreis sieben bis acht Cent ausmacht. Der Preis soll bis 2025 langsam auf 55 Euro steigen und so laut Regierung „zu hohe finanzielle Belastungen“ vermeiden.
CSU und SPD für höhere Pendlerpauschale
Laut ADAC war im August Tanken für die Fahrer von Benzin-Pkws so teuer wie in keinem anderen Monat des laufenden Jahres. Demnach kostete ein Liter Super E10 im Monatsmittel 1,557 Euro und damit ein Cent mehr als im Juli.
Der Preis für einen Liter Diesel lag im Monatsmittel bei 1,386 Euro, das waren 0,3 Cent weniger als im Juli. Dem ADAC zufolge ist der gestiegene Benzinpreis insbesondere auf die stärkere Nachfrage aufgrund des Sommerreiseverkehrs zurückzuführen.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hatte am Montag angekündigt, er wolle bei Spritpreisen von zwei Euro oder mehr eingreifen. Wenn der Spritpreis über zwei Euro springe, müsse die Politik die Kraft haben einzuschreiten, sagte der CSU-Politiker „Bild Live“. Noch sei man aber „Gott sei Dank“ einige Stufen von diesen Preisen entfernt. Vorstellen kann er sich dabei offenbar Maßnahmen bei Steuer oder Pendlerpauschale.
CSU-Chef Markus Söder machte sich für eine Erhöhung der Pendlerpauschale stark. „Erhöht sich der Benzinpreis um zehn Cent, muss die Pendlerpauschale um einen Cent erhöht werden“, sagte Söder der „Welt am Sonntag“. „Das ist eine Koalitionsforderung der CSU, von der wir nicht abrücken werden.“
Pendler benötigten einen Ausgleich für einen steigenden CO2-Preis, betonte der bayerische Ministerpräsident. Dafür sei eine „deutliche Erhöhung“ der Entfernungspauschale nötig.
Verkehrssektor wird Klimaziel deutlich verfehlen
Der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist dem nicht abgeneigt. Schon im Juni unterstützte er den Vorschlag, steigenden Benzinpreisen mit einer weiteren Anhebung der Pendlerpauschale zu begegnen. „Ich finde das eine Möglichkeit“, sagte der Bundesfinanzminister seinerzeit in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“. Zudem distanzierte er sich von den Spritpreisplänen der Grünen.
Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, lehnt es indes ab, die Benzinpreise deutlich zu erhöhen, um die Klimaziele im Verkehrssektor in den kommenden Jahren zu erreichen. „Ich will, dass wir das sozial gerecht hinbekommen und nicht alles über den Preis regeln“, sagte Baerbock dem Handelsblatt.
Zwar müsse man jetzt ambitionierter werden, um die Pariser Klimaschutzziele einzuhalten. Sie plädiere aber für einen „ausgewogenen Maßnahmenmix, vom Tempolimit bis zur Förderung von Elektroautos“. Wer dagegen wie Union und FDP das Tempolimit ablehne, entscheide sich für höhere Spritpreise.
Laut Berechnungen der Bundesregierung wird der Verkehrssektor sein Klimaziel in den nächsten Jahren deutlich verfehlen. Gemäß Klimaschutzgesetz müssen dann kurzfristig wirkende Maßnahmen ergriffen werden, um die Lücke zu schließen. Dazu reichen Förderprogramme oder Investitionen in Verkehrswege nicht aus.
Auch ein Tempolimit allein wird allerdings nicht ausreichen, da es nur zwei Millionen Tonnen CO2 einspart. Laut Projektionsbericht der Bundesregierung wird der Verkehrsbereich seine Ziele aber 2022 um 20 Millionen Tonnen verfehlen, im Jahr 2030 sogar um 41 Millionen Tonnen.
Verbraucherschützer Müller mahnte vor diesem Hintergrund auch einen deutlichen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs an. „Die naheliegendste Möglichkeit, steigenden Kraftstoffpreisen aus dem Weg zu gehen, ist, Alternativen zum Auto nutzen zu können“, sagte der VZBV-Chef. „Der öffentliche Nahverkehr ist vielerorten jedoch noch keine wirkliche Option.“ Hier sehe er „dringenden Nachholbedarf“, betonte Müller. „Der verbraucherfreundliche Ausbau von Bus und Bahn muss oberstes Ziel der nächsten Bundesregierung sein, um die Abhängigkeit vom Auto zu senken.“
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