Koalition von SPD, Grünen und FDP Womit die künftige Ampel-Regierung bei Ökonomen punkten kann

Ökonomen unterschiedlicher Denkrichtungen loben die Vorhaben der künftigen Regierung.
Berlin So wie sich in der Ampelkoalition Politiker verschiedener Ausrichtungen einigen konnten, befürworten auch Ökonomen unterschiedlicher Denkrichtungen die Inhalte des Koalitionsvertrags. Diesen stellten die SPD, Grüne und FDP am Mittwoch vor. „Der Koalitionsvertrag beruhigt mich„, sagte etwa Ex-Wirtschaftsweisen-Chef Lars Feld. Der Wirtschaftsweise Achim Truger erklärte: „Der Koalitionsvertrag sendet wirklich gute, tatkräftige Signale.“
Insbesondere die Überlegungen im Bereich der Finanzpolitik hatten unter Ökonomen für große Diskussionen gesorgt. Klar war, dass die Ampel die Schuldenbremse beibehalten will. Diese begrenzt die Schuldenaufnahme des Staates – und damit den finanziellen Spielraum der Regierung. Es hatte aber diverse Vorschläge gegeben, wie die Ampel trotzdem massiv in Klimaschutz und Digitalisierung investieren könnte.
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Nahezu alle Vorschläge finden sich als Optionen jetzt im Koalitionsvertrag wieder. Dazu gehören eine größere Rolle der staatlichen KfW-Bank, Kreditprogramme öffentlicher Unternehmen wie der Deutschen Bahn und öffentlich-private Partnerschaften. Gleichzeitig bekennt sich die Ampel zur Überprüfung staatlicher Ausgaben.
Bei den Ökonomen sorgt das für Zuspruch, sowohl von liberalen wie auch von staatsorientierten Wissenschaftlern. Feld erklärt: „Die befürchtete ausufernde Finanzpolitik wird nicht kommen.“ Zwar würden allerlei Möglichkeiten zur Umgehung der Schuldenbremse und für zusätzliche Schulden aufgezeigt. „Doch diese bleiben begrenzt, und zudem sollen Möglichkeiten für Ausgabenkürzungen genutzt werden.“
Ungewohnte Einigkeit in der Finanzpolitik
Der Präsident des Wirtschaftsinstituts RWI, Christoph Schmidt, erklärte: „Der Koalitionsvertrag lässt den Willen erkennen, die langfristige Handlungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte zu wahren.“ Zudem begrüße er das Vorhaben, Förder- und Ausgabenprogramme stärker auf den Prüfstand zu stellen.
„Der Koalitionsvertrag zeigt pragmatische Finanzierungsoptionen für die benötigten umfangreichen öffentlichen und privaten Investitionen auf“, lobte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer.

Die Wirtschaftsweise sieht das Comeback des Staates kritisch.
Welche Finanzierungsoptionen die Ampel ziehen wird, bleibt allerdings unklar. Damit ist fraglich, ob alle Vorhaben der neuen Regierung finanzierbar sein werden. „Insgesamt bleibt der Koalitionsvertrag im Bereich der Finanzierung ziemlich im Ungefähren“, sagt der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum.
Der zukünftige Finanzminister werde nun zeigen müssen, wie er das in Praxis umsetzen wolle. Dem Minister werde es schwerfallen, „von seinen Ampel-Partnern eiserne Haushaltsdisziplin zu verlangen“.
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, kritisierte: „Geht es ums Geld, wird der Koalitionsvertrag der Ampel kaum konkret“, sagte Hüther „t-online“. „Es ist völlig offen, wie die Ampel all ihre Pläne finanzieren will.“
Zwar befürworte er das Ansinnen der künftigen Koalitionäre, die Privatwirtschaft stärker an den nötigen Investitionen zur Modernisierung des Landes zu beteiligen. „Im Detail jedoch bekomme ich die Rechnung nicht zusammen“, sagte Hüther. „Mein Eindruck ist: In der Haushaltspolitik steckt noch viel Hoffnung drin und nur wenige Ideen zur tatsächlichen Ausgestaltung.“
Zufriedenheit beim Thema Klimaschutz
Ifo-Präsident Clemens Fuest erklärte, er halte es prinzipiell für sinnvoll, auf eine Kombination aus Ausgabenkürzungen und Kreditaufnahmen im Rahmen der Schuldenbremse zu setzen. „Insgesamt denke ich, dass die Vorhaben mit diesem Maßnahmenpaket finanzierbar sind“, so Fuest. Genau werde man das aber erst beurteilen können, wenn die Pläne konkret seien.
Auch bei einem anderen Streitthema, dem Klimaschutz, zeigen sich die Wirtschaftswissenschaftler erstaunlich zufrieden. „Insgesamt geht der Koalitionsvertrag in puncto Klimaschutz in die richtige Richtung, mit Verbesserungspotenzial“, sagte Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Gelingt es dem künftigen Finanzminister, auf Haushaltsdisziplin zu pochen?, fragt sich der Düsseldorfer Ökonom.
„Man merkt dem Koalitionsvertrag das Bemühen der Ampelparteien um eine ambitioniertere Klimapolitik an. Insbesondere freut es mich, dass der Vertrag ausdrücklich eine Initiative zur Gründung eines internationalen Klimaclubs vorsieht“, sagt RWI-Chef Schmidt.
Ebenso lobte Eucken-Instituts-Präsident Feld: „Auch beim Klimaschutz hat sich der marktwirtschaftliche Ansatz durchgesetzt.“ Zwar planen SPD, Grüne und FDP klare staatliche Eingriffe, um die grüne Transformation zu vollziehen.
So soll es Differenzverträge zur Erstattung von Klimakosten geben, außerdem werde eine Industriestrategie formuliert. „Grundsätzlich aber ist klar: Nur mit marktkonformen Instrumenten wird es sich richten lassen“, so Feld.
Mehr Wettbewerb in der Wirtschaft
Neben den Finanzierungsfragen will die Ampel die Wirtschaft insbesondere durch besseren Wettbewerb und Bürokratieabbau fördern. Besonders bemerkenswert ist dabei eine Formulierung: „Wir setzen uns für eine missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit auf europäischer Ebene als Ultima Ratio auf verfestigten Märkten ein.“
Dieser Satz ist eindeutig als aus der Feder der Grünen zu identifizieren. Schon 2016 hatte die Partei das genau so formuliert. Beschrieben wird damit nichts anderes als eine Zerschlagung von Großkonzernen als letztmögliches Mittel. Insbesondere bei Digitalriesen wie Google oder Meta wird diese Option aufgrund ihrer stetig wachsenden Marktmacht immer wieder genannt.
Allerdings ist die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme umstritten. „Wenn man der Hydra den Kopf abschlägt, wächst ein anderer nach“, sagt Oxford-Forscher Viktor Mayer-Schönberger.
Neben den inhaltlichen Aspekten wird die Ökonomie auch bei personellen Fragen noch einen Stellenwert einnehmen. Mit der Bundesbank-Spitze und einem Platz im Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen wird die Ampel gleich zwei führende Posten mit einer Wirtschaftswissenschaftlerin oder einem -wissenschaftler besetzen.
Wer das sein wird, wurde nach Handelsblatt-Informationen bereits in der Hauptverhandlungsrunde der Ampel diskutiert. Man habe sich demnach auf ein Verfahren für die Besetzung geeinigt. Die genauen Personalien seien aber noch offen.
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