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Koalitionsverhandlungen Besser allgemeine Ziele als detaillierte Maßnahmen: Wie gute Gesetze entstehen

Experten mahnen: Schon in den Koalitionsverhandlungen können SPD, Grüne und FDP dafür sorgen, dass später saubere, wirksame, praxis- und vor allem digitaltaugliche Gesetze entstehen.
25.10.2021 - 12:05 Uhr Kommentieren
Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, SPD, Saskia Esken, Co-Bundesvorsitzende der SPD, auf dem Weg zu den Koalitionsverhandlungen zwischen der FDP, SPD, und Bündnis 90/Die Grünen. Quelle: imago images/Jens Schicke
Malu Dreyer und Saskia Esken auf dem Weg zu den Ampel-Gesprächen

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, SPD, Saskia Esken, Co-Bundesvorsitzende der SPD, auf dem Weg zu den Koalitionsverhandlungen zwischen der FDP, SPD, und Bündnis 90/Die Grünen.

(Foto: imago images/Jens Schicke)

Berlin SPD, Grüne und FDP haben ihre Koalitionsverhandlungen begonnen. Insgesamt 22 Arbeitsgruppen sollen nun die Details eines Koalitionsvertrags festlegen. Dabei täten die Verhandlerinnen und Verhandler allerdings gut daran, nur politische Ziele zu formulieren, statt gleich detaillierte Maßnahmen vorzugeben.

Das legen zumindest Befunde einer Gruppe von Digital- und Transformationsexperten nahe, die während der vergangenen vier Monate unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzleramtschef Helge Braun aktuelle Gesetzgebungsverfahren analysiert hat. Ihre Vorschläge, wie gute Gesetze entstehen können, werden am kommenden Freitag offiziell vorgestellt.

Ein wesentliches Ergebnis vorab: Schon die Festlegungen in Koalitionsverträgen können dazu führen, dass später im Gesetzgebungsverfahren gar nicht mehr nach der bestmöglichen und wirkungsvollsten Lösung für ein Problem gesucht wird.

„Die Legisten in den Ministerien, also die Verfasser von Gesetzestexten, sind angehalten, die bereits vorgegebenen Maßnahmen als neue Vorschrift zu formulieren“, erklärt Susanne Bruch, die zu der Expertengruppe gehört, die beim Bundesprogramm „Work4Germany“ am „Re-Design der ministeriellen Gesetzesvorbereitung“ mitarbeitet. „Umsetzungsalternativen kann die Verwaltung häufig gar nicht mehr berücksichtigen.“ In den Ministerien, so berichtet Ökonomin Bruch, werde ein Koalitionsvertrag darum mit einer To-do-Liste verglichen, aus der aber nicht zwingend praxistaugliche Gesetze entstünden.

Beispiel aus dem Koalitionsvertrag der vergangenen Legislatur: die Unternehmenssanktionen. Hier vereinbarte die Große Koalition bereits konkrete Bestimmungen, etwa zu unternehmensinternen Ermittlungen wie im VW-Dieselskandal. Doch es gab starke Kritik an dem Vorhaben. Umgesetzt wurde es nicht.

Komplexe Herausforderungen wie Klimawandel oder Digitalisierung

Schon den Umstand, dass der Gesetzgebungsprozess seit Gründung der Bundesrepublik unverändert besteht, hält die Expertengruppe angesichts einer zunehmend komplexen Welt für fragwürdig. „Herausforderungen wie Klimawandel, Digitalisierung oder demografischer Wandel können nicht mehr nur von einem Ressort wirksam gelöst werden“, erklärt Innovationsexperte Jakob Häußermann. „Aktuell existieren aber weitgehend lineare Prozesse.“

Der Ablauf seit jeher: Nach der politischen Entscheidung für ein neues oder zu änderndes Gesetz erhält ein Ministerium die Federführung für die Umsetzung des Regulierungsvorhabens. In der Folge entsteht ein Referentenentwurf, der dann in die „Ressortabstimmung“ mit den anderen Ministerien geht. Zudem findet eine Anhörung statt, in der Verbände und Vertreter der Länder Stellungnahmen einreichen können. Schließlich kommt es per Kabinettsbeschluss zum Gesetzentwurf der Bundesregierung

„Natürlich wird sich die politische Färbung des Ministeriums immer auswirken“, sagt Häußermann. „Es sollte aber auf Arbeitsebene eine frühe produktive Zusammenarbeit zwischen den Ressorts geben.“

Darum empfiehlt die Gruppe auch dringend die Einführung von „Kollaborationstools“, um eine Abstimmung auf technischer Ebene überhaupt möglich zu machen. Zudem sei eine neutrale Serviceeinheit der Bundesregierung notwendig, die für die ressortübergreifende Zusammenarbeit „Wissen und Methoden“ zur Verfügung stellt.

Die eigentlichen Gesetzgebungsteams sollten interdisziplinär aufgestellt werden. Zum Beispiel mit Blick auf einen „Digitalisierungscheck“: Hier müsste es neben Juristen unbedingt auch IT-Experten geben, die neue Regelungen daraufhin prüfen können, ob sie sich digital umsetzen lassen, Verwaltungsprozesse also automatisiert werden können. SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Sondierungspapier bereits gelobt, Gesetze künftig einem solchen Check unterziehen zu wollen.

Frust über die Ressourcenverschwendung

Ein weiterer Befund der Experten: Das Potenzial von Beteiligung wird zu selten in Gesetzgebungsverfahren genutzt. Unternehmen, Verbände, Zivilgesellschaft und Wissenschaft würden oft erst in einem Verfahrensstand gehört, in dem bereits entscheidende Weichen gestellt seien.

Ein intensiver Austausch für die praxistauglichste Lösung könne so kaum stattfinden. Auf allen Seiten herrsche Frust über die Ressourcenverschwendung. Expertin Bruch berichtet zudem, in den Ministerien werde die Beteiligung häufig nur als „Feigenblatt“ empfunden, was an politisch vorgegebenen kurzen Fristen liege.

Tatsächlich beklagt das zum Beispiel der Deutsche Steuerberaterverband (DStV). So hätten die Verbände zuletzt bei Anhörungen des Bundesfinanzministeriums zu Gesetzesvorhaben unangemessen kurze Fristen zur Stellungnahme erhalten, oder ihre Praxisexpertise sei schlicht übergangen worden.

Als „Negativbeispiel“ wird die temporäre Absenkung der Umsatzsteuersätze genannt. Die Verbände und damit die Praxis einzubeziehen sei aber wichtig, bekräftigt DStV-Präsident Torsten Lüth: „So kann drohende Bürokratie frühzeitig erkannt und bereits behoben werden, bevor sie entsteht.“

Die Expertengruppe plädiert auch dafür, bei der Beteiligung von den umfangreichen schriftlichen Stellungnahmen wegzukommen – hin zu einem dialogischen Austausch, um Lösungsmöglichkeiten abzuwägen. Auch hierfür bräuchten die Ministerien aber Methoden, Instrumente und Vorgehensmodelle.

Mehr: Mit diesem Team aus engen Vertrauten will Olaf Scholz ins Kanzleramt einziehen

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