Koalitionsverhandlungen Drei Männer, eine Verhandlung: Die Generalsekretäre entwickeln sich zu den mächtigsten Entscheidern

Volker Wissing (FDP/l.)), Lars Klingbeil (SPD/M.) und Michael Kellner (Die Grünen) entscheiden in diesen Tagen maßgeblich über die zukünftige Regierung mit.
Berlin Volker Wissing, Lars Klingbeil und Michael Kellner sehen geschafft, aber zufrieden aus. Als die drei in der Pressekonferenz am Dienstag gefragt werden, ob ein Ampelbündnis wahrscheinlicher geworden sei, schaut Kellner zu Klingbeil, bis der schließlich in einer ausladenden Geste die Hände ausbreitet und sagt: „Ich finde, wir sind auf einem guten Weg.“
Von den drei Generalsekretären – bei den Grünen heißt der Job nur Bundesgeschäftsführer – hängt in diesen Tagen das Schicksal des Landes ab. Klingbeil, Kellner und Wissing sind nicht nur wichtige Mitglieder der Verhandlungsteams ihrer Parteien, sondern in diesen Tagen auch dafür zuständig, gemeinsam ein Sondierungspapier zu erstellen, das an diesem Freitag vorgelegt werden soll.
Das ist keineswegs nur eine protokollarische, sondern auch eine hochpolitische Arbeit. Auf Grundlage dieses Papiers wollen die drei Ampel-Parteien am Wochenende entscheiden, ob sie nächste Woche in Koalitionsverhandlungen einsteigen. Die drei Generalsekretäre spielen in dem Prozess eine tragende Rolle. Alle drei könnten am Ende profitieren und die Sondierungen nutzen, um sich für höhere Ämter in Stellung zu bringen.
Klingbeil: Der Fels in der Brandung
Lars Klingbeil ist neben Scholz der große Gewinner des Wahlkampfs. Dass die SPD das nicht für möglich Gehaltene möglich machte und die Wahl gewann, wird auch seiner Kampagne zugeschrieben. Ebenso wird Klingbeil intern dafür gelobt, die SPD-Spitze in turbulenten Zeiten zusammengehalten zu haben.
In seinen knapp vier Jahren als Generalsekretär diente er nicht weniger als acht SPD-Vorsitzenden. Doch auch bei den Wählern kann Klingbeil punkten. Der Generalsekretär setzt sich auch schon mal in eine Talkshow und spielt auf seiner Gitarre. Mit 47,6 Prozent holte Klingbeil in seinem Wahlkreis das zweitbeste Erststimmenergebnis aller SPD-Kandidaten.
Nicht immer lief es so rund. Die quälend lange Suche nach einem SPD-Vorsitzenden 2019 mit 19 Regionalkonferenzen wurde Klingbeil angelastet, auch kämen von ihm zu wenig Impulse, er sei zu nett für den Job des Generalsekretärs, bei dem man auch mal den politischen Gegner hart angreifen muss, hieß es damals.
Mit dem Wahlsieg kann Klingbeil nun aber Anspruch auf höhere Ämter stellen. Kein Geheimnis ist, dass er gern Verteidigungsminister werden würde. In seiner Heimatstadt Munster sind 7000 Bundeswehrsoldaten stationiert. Auch als Parteichef käme Klingbeil infrage, sollte es im Dezember einen Wechsel an der Parteispitze geben.
Kellner: Der Mann unter Druck
Der Erfahrenste in der Runde der Generalsekretäre ist Michael Kellner. Seit acht Jahren steht er als Grünen-Bundesgeschäftsführer an der Seite der Parteichefs und verhandelte in dieser Rolle bereits über ein Jamaika-Bündnis mit Union und FDP im Jahr 2017. Ihm wird ein gutes Verhältnis zu Lars Klingbeil nachgesagt – die beiden kennen und schätzen sich seit Jahren.
Kommt es tatsächlich zu einer Ampelregierung, kann sich der 44-Jährige Chancen auf höhere Aufgaben ausrechnen. Rücken die jetzigen Co-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck ins Kabinett eines Ampelbündnisses, brauchen die Grünen spätestens in acht Monaten ein Nachfolgerduo, denn Minister- und Parteiämter müssen in der Partei getrennt sein. Kellner werden Ambitionen auf dieses Amt nachgesagt.
Ob er gute Chancen hat, liegt auch am Verhandlungsergebnis der Sondierungen. Denn eigentlich ist Kellner der Wahlverlierer unter den Generalsekretären. Die Grünen blieben deutlich hinter Umfragen zu Beginn des Wahlkampfs zurück, wo die Partei als stärkste Kraft Aussichten aufs Kanzleramt hatte.
Auch Kellner hat seinen Anteil daran, sagen einige in der Partei. Die Reaktion der Grünen auf die Kritik an Baerbocks Lebenslauf und Buch habe stellenweise unsouverän gewirkt. Kellner sprach damals von „Rufmord“. Die Offensive führte aber nicht dazu, dass die Kritik an Baerbock nachließ – im Gegenteil.
Wissing: „Mister Ampel“
In der FDP gilt Volker Wissing als „Mister Ampel“. In Rheinland-Pfalz hat er eine erfolgreiche Koalition aus SPD, Grünen und FDP mit aufgebaut. Was auf Landesebene funktioniert hat, soll jetzt auch im Bund klappen – dafür könnte für den 51-Jährigen eine Belohnung winken. Denn der gelernte Jurist hätte in einer Ampelregierung durchaus Aussichten auf den Posten des Bundesjustizministers.
In Mainz leitete er als stellvertretender Ministerpräsident das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau. Wissings Auftritt in Rheinland-Pfalz gefiel Parteichef Christian Lindner so gut, dass er den Pfälzer im September 2020 für die glücklose Generalsekretärin Linda Teuteberg nach Berlin holte. Ein Personalwechsel, der nicht überall gut ankam, da weibliche Führungskräfte in der FDP ohnehin eher Mangelware sind.
Wissing begann die Aufgabe mit einer klaren Mission: die FDP regierungsfähig zu machen und aus dem damaligen Umfragetief zu holen. Beides scheint ihm gelungen. Dass Wissing in der FDP als der Mann gilt, der eine Ampelkoalition auf Bundesebene möglich machen könnte, liegt aber nicht nur an seiner landespolitischen Vergangenheit. Laute oder gar aggressive Töne hört man von ihm eher selten – der richtige Mann also für schwierige Verhandlungen mit grundverschiedenen Partnern.
Das Selfie nach dem ersten Abendessen zwischen FDP und Grünen, auf dem neben Lindner auch Wissing zu sehen war, spricht Bände: Wissing ist der neue starke Mann an der Seite des Parteichefs.
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