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Koalitionsverhandlungen Mangel an Wohnungen und Fachkräften: Das sind die sieben größten Herausforderungen in der Bau- und Wohnungspolitik

Die Ampelkoalition soll in der Bau- und Wohnungspolitik mehr zustande bringen als die Große Koalition. Branchenexperten fordern ein eigenständiges Ministerium.
16.11.2021 - 15:29 Uhr Kommentieren
Der Neubau bleibt eine zentrale Herausforderung der nächsten Legislaturperiode. Quelle: dpa
Bautätigkeiten in Berlin

Der Neubau bleibt eine zentrale Herausforderung der nächsten Legislaturperiode.

(Foto: dpa)

Berlin Eine erste Zielmarke hat die mögliche neue Bundesregierung in der Bau- und Wohnungspolitik gesetzt: 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr. „Das bedeutet von Montag bis Sonntag pro Tag knapp 1100 neu gebaute, bezugsfertige Wohnungen – 46 pro Stunde, alle vier Minuten drei Wohnungen“, rechnet der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), Robert Feiger, vor. „Das ist eine Rund-um-die-Uhr-Aufgabe. Und die erfordert volle Kraft, volles politisches Engagement und volles Gewicht am Kabinettstisch.“

Nicht nur Feiger plädiert daher für ein eigenständiges Bau- und Infrastrukturministerium. Wohnen und Bauen müssten „Chefsache“ werden, forderte die Wohnungswirtschaft auf ihrem Jahrestreffen am Dienstag. Nur so könne bezahlbares, klimaschonendes und zukunftsfähiges Wohnen für alle Menschen im Land gesichert werden.

Unterstützung kommt auch aus der Wissenschaft: Das Thema sei vor allem in den vergangenen vier Jahren nicht mit der notwendigen Entschlossenheit angegangen worden, sagte die Bauingenieurin Lamia Messari-Becker, Professorin an der Universität Siegen und ehemaliges Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen, dem Handelsblatt. Das gehe zulasten vor allem von Mietern und des Klimaschutzes.

Schwerpunkte einer künftigen Ampelkoalition:

1. Wohnraum schaffen, für Fachkräfte sorgen

In den Ballungsräumen ist der Bedarf an neuen Wohnungen weiter hoch. Für 1,5 Millionen neue Wohnungen wollte die Große Koalition sorgen – 1,2 Millionen wurden geschafft. Immerhin gelang es mit steigenden Neubauzahlen, den Anstieg der Mieten zu verlangsamen.

Immer drängender wird das Thema Fachkräfte. „Der Bau braucht Leute. Vor allem Fachkräfte“, mahnte IG-Bau-Chef  Feiger im September. „Allein beim Wohnungsbau schiebt die Branche einen enormen Berg von genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen vor sich her: Über 780.000 Wohnungen stehen auf der ‚Bau-Warteliste‘ – so groß ist der aktuelle Bauüberhang.“

Der Baubranche fehlen Fachkräfte. Quelle: dpa
Bauarbeiter

Der Baubranche fehlen Fachkräfte.

(Foto: dpa)

Darüber hinaus, so Feiger, müsse sich die Baubranche auf ein „starkes Jahrzehnt der Sanierungen“ einstellen. Die neue Bundesregierung werde alles daransetzen müssen, deutlich mehr Klimaschutz-Sanierungen zu schaffen.

Auch der seniorengerechte Umbau von bestehenden Wohnungen drängt. Es werden künftig viel mehr Seniorenwohnungen gebraucht als heute schon, sagt der IG Bau-Chef. Die Babyboomer-Generation gehe bald in Rente.

2. CO2-Emissionen mindern

2045 will Deutschland klimaneutral sein. Der Gebäudesektor steht für ein Drittel des Energieverbrauchs, seine Bedeutung ist groß. Um im Gebäudebestand auch nur in die Nähe von Klimaneutralität zu kommen, sind enorme Anstrengungen nötig, etwa beim Austausch alter Öl- oder Gasheizungen, der Dämmung der Gebäudehülle oder dem Austausch der Fenster.

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Klar ist seit Langem, dass der Drang zu immer höheren energetischen Vorgaben beim Bauen und Sanieren nicht den gewünschten Erfolg bringt. Milliarden Euro sind in die energetische Sanierung von Gebäuden geflossen. 

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft, GdW, fordert regelmäßig einen Paradigmenwechsel: weg von immer teureren energetischen Sanierungen und immer mehr Dämmung, hin zu dezentraler, CO2-armer Energieerzeugung und besserer Gebäudetechnik.

3. Bauvorschriften verringern, Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen

Deutschland ist ein Land langsamer Planungs- und Genehmigungsverfahren und ausufernder Bauvorschriften. Da kommt die Notwendigkeit, künftig weitaus ressourcenschonender und nachhaltiger zu bauen, fast einem Dilemma gleich – denn neue Vorschriften kann die Branche nicht brauchen.

Es kommt also darauf an, mit kluger Politik die Bauwirtschaft hin zu einer Kreislaufwirtschaft zu führen, die beispielsweise auf mehr heimischen Baustoffen wie Sand, Gips und Holz basiert und Recyclingmaterial in Bauteilen nutzt.

4. Schneller günstiges Bauland bereitstellen

Auf zu wenig und zu teurem Bauland kann kein günstiger Wohnraum entstehen. Eine Forderung der Wohnungswirtschaft richtet sich deswegen an die Kommunen, die verstärkt günstiges Bauland bereitstellen müssten, aber auch weitaus mehr und schneller Dachaufstockungen und Nachverdichtungen ermöglichen müssten.

5. Klein- und Mittelstädte attraktiver machen

Die Wohnungsmarktlage ist regional sehr unterschiedlich. Wachstumsstarken Regionen mit Wohnungsknappheiten stehen ländliche oder strukturschwache Regionen gegenüber, in denen Mieten und Preise stagnieren oder aufgrund von Bevölkerungsrückgang und Leerstand sinken.

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Dabei leben 70 Prozent der Deutschen in Klein- und Mittelstädten. Seit Langem wird hier mehr Tempo beim Ausbau der Digital-, Verkehrs- und Sozialinfrastruktur verlangt, damit es weniger Menschen in die Ballungsräume drängt.

6. Stabile Rahmenbedingungen sicherstellen

Die Branchenunternehmen stehen vor gewaltigen Investitionen, die sie, so warnt die Wohnungswirtschaft, allein nicht stemmen könnten. Vor allem auch deshalb, weil viele Mieter sich nicht mit einer höheren Miete an einer Refinanzierung der Investitionen beteiligen könnten. „Wenn Wohnen die soziale Frage unserer Zeit ist, dann ist es Aufgabe des Staats, hier einerseits die notwendigen Investitionen zu ermöglichen und gleichzeitig für den finanziellen Ausgleich bei den Menschen Sorge zu tragen, die sich die anfallenden Kosten nicht aus eigener Kraft leisten können“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. Die soziale Wohnraumförderung müsse auf fünf Milliarden Euro erhöht und von den Ländern kofinanziert werden.

Auf der Liste der unerledigten Aufgaben steht die Frage, ob Vermieter am CO2-Preis für die Bereitstellung von Wärme beteiligt werden. Bislang trägt der Mieter die seit Anfang des Jahres anfallenden zusätzlichen Kosten.

7. Für mehr Eigentum sorgen

In Deutschland gibt es rund 42 Millionen Wohnungen. Mietwohnungen sind mit einem Anteil von 53,5 Prozent bundesweit in der Überzahl. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa für den Immobilienverband Deutschland (IVD) hatte indes jüngst ergeben, dass fast drei Viertel aller Mieter in Deutschland unabhängig von ihrer Parteipräferenz gern in einer eigenen Immobilie wohnen würden. 

Doch Ökonomen sehen den Umgang der Großen Koalition mit dem Thema Eigentumsbildung als enttäuschend an. „Union und SPD haben sich darauf beschränkt, das Baukindergeld einzuführen und die Wohnbauprämie leicht zu verbessern“, sagte Michael Voigtländer, Immobilienökonom beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln.

Die Große Koalition habe weder eine Unterstützung in Form von staatlich garantierten Bürgschaftsdarlehen hinbekommen, damit mehr Menschen Zugang zu Wohneigentum bekommen, noch habe die Koalition nach Lösungen gesucht, Menschen bei der Grunderwerbsteuer zu entlasten, so Voigtländer.

Sorgen vor weiteren Regulierungen

Die Befürchtungen sind groß, dass es mit der Ampel zu weiteren Regulierungen kommen könnte. Die Anfälligkeit dazu gilt vor allem bei SPD und Grünen als hoch. Der Deutsche Mieterbund (DMB) forderte am Dienstag erneut, einen „bundesweiten Mietenstopp“ im Koalitionsvertrag zu verankern. Die Mietenbelastung in deutschen Städten sei zu hoch, sagte DMB-Präsident Lukas Siebenkotten. Fast die Hälfte aller Mieter zahlten mehr als 30 Prozent ihres Haushaltseinkommens für ihre Warmmiete und seien damit finanziell überlastet.

Mehr: Endspurt der Koalitionsverhandlungen – Gespräche verlaufen „sehr, sehr gut“

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