Koalitionsverhandlungen Mehreinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich – Wo der Staat Subventionen streichen könnte

Im Verkehrsbereich stecken die meisten umweltschädlichen Subventionen, kritisiert das Umweltbundesamt.
Berlin Das Umweltbundesamt (UBA) pocht auf den Abbau umweltschädlicher Subventionen. „Es ist paradox, wenn der Staat mit vielen Milliarden den Klimaschutz fördert und gleichzeitig klimaschädliche Produktions- und Verhaltensweisen subventioniert“, kritisiert UBA-Präsident Dirk Messner.
Der Abbau von Steuervergünstigungen für Pkw- und Agrardiesel, für die private Nutzung fossiler Dienstwagen und landwirtschaftlicher Fahrzeuge sowie bei der Entfernungspauschale bringe der öffentlichen Hand Mehreinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich. Das zeige eine neue Studie der Behörde zu umweltschädlichen Subventionen.
Die genannten Subventionen ließen sich national abschaffen. Weitere zwölf Milliarden Euro entfielen auf Steuervergünstigungen für Kerosin und die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge, so das UBA. Dies müsste allerdings auf europäischer Ebene angegangen werden.
„Aktuell werden ökonomische Anreize in gegensätzliche Richtungen gesetzt – mal für, mal gegen den Umwelt- und Klimaschutz“, kritisiert Messner. Ein Beispiel dafür sei das „unsinnige Nebeneinander“ von Dieselprivileg für Verbrenner und Kaufprämien für Elektroautos.
Die Forderung nach einer Abschaffung der umweltschädlichen Subventionen ist ein wiederkehrendes Ritual. Mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen ist die Gelegenheit aber günstig. Auch der Bund der Steuerzahler (BdSt) moniert regelmäßig die ausufernde Subventionspraxis in Deutschland.
Subventionen nach dem „Wünsch-dir-was-Prinzip“
BdSt-Präsident Reiner Holznagel spricht von einer „De-luxe-Politik“ bei der Subventionsvergabe. „Hier wird nicht nach ökonomischen Maßstäben gefördert, sondern nach dem Wünsch-dir-was-Prinzip“, kritisierte Holznagel im August den vom Bundeskabinett gebilligten 28. Subventionsbericht für 2019 bis 2022. Die Große Koalition hatte sich bislang lediglich zu einer Überprüfung der Subventionen bekannt.
Jetzt könnte Bewegung in die Debatte kommen. Die Grünen mahnen seit Langem an, klimaschädliche Hilfen schrittweise abzubauen. Bei den Sozialdemokraten sprach sich zuletzt der Vizepräsident des SPD-Wirtschaftsforums, Matthias Machnig, dafür aus, klimaschädliche Subventionen zu streichen, um Geld für die Vorhaben der Ampelkoalition freizumachen.
„Beim Klimaschutz rennt uns bekanntlich die Zeit davon“, mahnt das UBA. Daher sei es wichtig, auch beim Abbau umweltschädlicher Subventionen schnell voranzukommen. Das entlaste die öffentlichen Haushalte und ermögliche klimagerechte Investitionen.
Die Hälfte der Subventionen fließt in den Verkehrsbereich
Die UBA-Studie zeigt, dass 2018 nahezu die Hälfte der von der Behörde identifizierten umweltschädlichen Subventionen auf den Verkehrsbereich entfiel. 39 Prozent unterstützten die Energiebereitstellung und -nutzung, neun Prozent die Land- und Forstwirtschaft sowie fünf Prozent das Bau- und Wohnungswesen.
Insgesamt geht das UBA für 2018 von umweltschädlichen Subventionen in Höhe von mindestens 65,4 Milliarden Euro aus. Seitdem ist das Volumen eher noch gestiegen.
Seit der letzten Schätzung 2012, so das Umweltbundesamt, habe es nur geringe Fortschritte beim Abbau dieser Subventionen gegeben. Inzwischen seien zwar einige Hilfen ausgelaufen, etwa für die Steinkohleförderung. Es wurden jedoch neue eingeführt.
Im Verkehr seien die Subventionen von 2012 bis 2018 sogar von 28,6 auf 30,8 Milliarden Euro gestiegen. Das stehe im Widerspruch zur Aufstockung der Förderprogramme für den Klima- und Umweltschutz in den vergangenen Jahren. „Rund 90 Prozent der analysierten Subventionen sind klimaschädlich und wirken häufig gleichzeitig negativ auf Luftqualität, Gesundheit und Rohstoffverbrauch.“
Das in der Studie angegebene Subventionsvolumen in Höhe von 65,4 Milliarden Euro im Jahr 2018 ist nicht identisch mit dem bei einem Abbau zusätzlich gewonnenen Finanzierungsspielraum für die öffentliche Hand, da es möglicherweise zu Anpassungsreaktionen kommt.
So erhöht zum Beispiel ein Anstieg des Energiesteuersatzes auf Diesel den Anreiz, Sprit zu sparen und auf ein Elektroauto umzusteigen. Außerdem seien mitunter flankierende Maßnahmen zur Abfederung sozialer Folgen nötig, was wiederum Mittel binde.
Rückenwind aus Brüssel
Das UBA weist darauf hin, dass sich einige wichtige umweltschädliche Subventionen nur teilweise auf nationaler Ebene abbauen lassen. Ein Beispiel ist die Kerosinsteuerbefreiung auf inner- und außereuropäische Flüge. Die Pläne der EU-Kommission sehen vor, die Luft- und Schifffahrt schrittweise in die Energiebesteuerung einzubeziehen sowie Diesel und Benzin einheitlich entsprechend ihres Energiegehalts zu besteuern.
Dies würde den Abbau deutlich voranbringen. „Die Bundesregierung sollte den Rückenwind aus Brüssel nutzen und sich für einen ambitionierten Abbau umweltschädlicher Subventionen auf EU-Ebene einsetzen“, meint UBA-Präsident Messner. Durch internationale Vereinbarungen zur CO2-Bepreisung oder die Einführung von CO2-Grenzausgleichsmechanismen könnten auch solche Subventionen überflüssig werden, die einheimische Industrien bislang vor Umweltdumping schützen.
Die Studie enthält Reformvorschläge, wie sich Subventionen abbauen ließen. Im Wohnungswesen, bei den energiebezogenen Subventionen für die Wirtschaft oder in der Landwirtschaft geht es laut UBA nicht in erster Linie darum, das Subventionsvolumen insgesamt zu verringern. Vielmehr sind die Subventionen so umzubauen, dass sie Investitionen für die sozial-ökologische Transformation mobilisieren.
In manchen Fällen sei der Abbau umweltschädlicher Subventionen auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit geboten. Als Beispiel wird die private Nutzung von Dienstwagen genannt, die der Staat mit mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr subventioniert. „Davon profitieren überwiegend Haushalte mit hohen Einkommen. Diese Subvention ist nicht nur umweltschädlich, sondern auch sozial ungerecht“, meint UBA-Präsident Messner. „Sie gehört abgeschafft.“
Mehr: SPD-Politiker Machnig: „Wir sollten klimaschädliche Subventionen streichen“
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Ich hätte mir vom Handelsblatt eher eine Analyse gewünscht, anstelle der Widergabe der UBA Pressemitteilung. Insbesondere bei den Dienstwagen verdient der Staat ganz gut mit. Einmal wird das Auto gekauft und dann kommen nochmal 12% pro Jahr über EkSt rein. Wenn die Studie aus neutrale Sicht betrachtet wird, bleiben von den 65 Milliarden wahrscheinlich wenig übrig.
@Herr John The Walker
absolut richtig!!!
Und Kindergeld + steuerliche Förderung, weiß doch jeder, dass jedes gezeugte Kind über das Leben etliche Tonnen CO2 ausstößt.
Oder Aufnahme von Flüchtlingen, weiß doch jeder, dass jeder Mensch, der nicht in einem Industrieland lebt, deutlich weniger CO2 verbraucht als im Industrieland!
Oder Politiker, weiß doch jeder, je mehr der Politiker verdient, desto mehr gibt er aus, desto mehr CO2 verbraucht er.
@Silke Kersting
Wenn Sie schon so einen ironisch - sarkastischen Artikel schreiben, dann müssen Sie sich nicht über sarkastische Kommentare wundern!
Deutschland ist ein Höchststeuerland, Höchstabgabenland - da braucht es keine weiteren Steuererhöhungen.
Eine niedrige Steuer im Vergleich zu einer höheren ist keine Subvention.
Das hier nicht unterschieden wird lässt tief blicken.