Kommunikationstechnologie Bund investiert 700 Millionen Euro in 6G-Netz

Neben der Entwicklung der neuen Netze soll von Anfang an auch die Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle spielen.
Berlin Das 5G-Netz steht in Deutschland noch ganz am Anfang – vollwertige Sendestationen gibt es bisher nur wenige Hundert. Doch der Bund will schon jetzt die Grundlagen für die Kommunikation von übermorgen legen: das 6G-Netz, das ab circa 2030 die Nachfolge von 5G antreten soll. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) startet eine Forschungsinitiative für ein 6G-Netz und stellt dafür bis 2025 rund 700 Millionen Euro bereit.
„6G wird die mobile Datentechnologie der Zukunft sein und unsere Kommunikation im nächsten Jahrzehnt bestimmen, ja revolutionieren“, sagte Karliczek dem Handelsblatt. „Wir müssen jetzt schon an das Übermorgen denken und neue Schlüsseltechnologien und Standards in den Kommunikationstechnologien von Beginn an mitgestalten."
4G oder auch LTE war das erste drahtlose Breitbandinternet, 5G soll es in den nächsten Jahren auf eine neue Ebene heben. „Mit 6G werden Daten mehr als 100-mal schneller übertragen als mit 5G – mit großen Vorteilen für die mobile Kommunikation jedes einzelnen Menschen, aber auch für unsere Industrie und Landwirtschaft“, sagte Karliczek. „Wer alle Potenziale erschließen will, kommt um 6G nicht herum.“
Als Beispiel nennt die Ministerin etwa die Extended-Reality, zu Deutsch: erweiterte Realität, in der Menschen in 3D – in hoher Auflösung und in Echtzeit – auf mobile Endgeräte oder in Räume gestreamt und projiziert werden können. „Das eröffnet neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit über Entfernung, nicht nur im Büroalltag, sondern auch in der Produktion.“ In der medizinischen Versorgung könne damit etwa die Behandlung aus der Ferne neue Dimensionen erreichen.
Allerdings sei die schöne neue 6G-Welt nur mit massiven Investitionen realisierbar: „Nur so können wir die technologische Souveränität Deutschlands und Europas langfristig stärken. Wir wollen künftig nicht abhängig von anderen sein“, sagte Karliczek mit Blick auf die anhaltende Debatte über die Rolle des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei beim Aufbau des 5G-Netzes.
Auch die EU hatte im Januar eine große 6G-Initiative gestartet: Unter der Führung von Nokia haben sich 25 Akteure zum Projekt „Hexa-X“ zusammengeschlossen, um die Entwicklung voranzutreiben. Die Rolle des technischen Managers hat Ericsson übernommen. Aus Deutschland sind die Unternehmen Siemens und Intel sowie die Technischen Universitäten Kaiserslautern und Dresden beteiligt.
Netz soll mit EU-Kommission entwickelt werden
Anders als beim 5G-Netz soll diesmal von Anfang an die europäische Industrie zusammen mit der Kommission das Netz entwickeln – und die Mitgliedstaaten eng einbeziehen, um so auch die Finanzierung möglichst effektiv zu gestalten.
Die Kommission stellt dafür 900 Millionen Euro bereit, zusammen mit den Unternehmen sollen die Gesamtinvestition mindestens 1,8 Milliarden Euro betragen. Insgesamt soll dies in Europa Investitionen von rund zehn Milliarden Euro auslösen, heißt es im Konzept für Hexa-X.
Neben der Entwicklung der Netze soll hier von Anfang an auch die Nachhaltigkeit, also vor allem wenig Energieverbrauch, eine zentrale Rolle spielen. Das gilt auch für eine „globale Serviceabdeckung“ – eine möglichst erschwingliche digitale Integration müsse oberste Priorität haben, schrieben Peter Vetter, Leiter der Nokia Bell Labs Access- und Geräteforschung, und Nokia-Forschungsleiter Magnus Frodigh zum Auftakt.
In Deutschland hat auch der Freistaat Bayern im März ein kleineres 6G-Projekt lanciert, das die Akteure des Landes zusammenbringen soll. Der Landeswirtschaftsminister fördert das Projekt „Thinknet 6G“, bis 2023 mit gut fünf Millionen Euro. Die Führung der beteiligten Unternehmen hat hier ebenfalls Nokia übernommen, dessen deutscher Hauptsitz in München liegt.
Wolfgang Kellerer, Kommunikationsforscher an der TU München, betonte beim Start: „Für die Wissenschaft ist es von großer Bedeutung, zu erfahren, welche Anforderungen künftige Nutzer an das 6G-Netz haben. Dann können wir die entscheidenden Forschungsfragen so formulieren, dass die neue Mobilfunkgeneration ein großer Wurf wird, der zahlreiche Hightech-Anwendungen wie etwa Assistenzroboter oder ferngesteuerte medizinische Operationen ermöglichen wird.“
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Langfristige Investitionen in die Digitalisierung sind nicht nur gut, sondern sehr gut, vor allem in der Digitalisierungwüste Deutschlands. Covid-19 hat gezeigt, dass wir trotz Wissen und Wohlstands massiv versäumt haben in den vergangenen Jahren in Technologien zu investieren und die Digitalisierung von Schulen und Universitäten (das Wissen von morgen) voranzutreiben. Die Frage, die sich mir jedoch stellt: Ist eine Investition in die Zukunft sinnvoll, wenn die vorangegangenen Investition (5G) noch nicht einmal etabliert bzw. flächendeckend ausgebaut ist? Wobei selbst dies könnte man in Fragestellen, da man noch nicht einmal entlang der großen Verkehrsadern (A1, A2, A3 etc.) flächendeckend LTE/4G hat. 700 Millionen Euro hätte mit Sicherheit dem Ausbau des 5G-Netzes besser getan.